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Neueste Kommentare

  • Jutta Pivecka sagt:

    Liebe Anne, beim Redaktionstreffen habe ich Dorothee und Juliane von zwei Erfahrungen erzählt, die für mich die Bedeutsamkeit der "Körperreaktion" in Bezug auf die Kunsterfahrung besonders stark verdeutlich haben. Eine davon teilen vielleicht sehr viele: die riesigen Spinnen von Louise Bourgeois, unter deren Spinnenbeinen man hindurchgehen, unter deren Körper man sich ducken kann. Spinnen standen für sie für die "Mutter" (Maman) und ich habe das direkt im Werk erlebt: die Geborgenheit in dieser "Behausung", aber auch die Verkapselung, den Einschluss. Ich setze hier einen Link, damit man sich einen Eindruck machen kann: https://ec2-cli.com/de/louise-bourgeois-ikonische-spinnenskulpturen-haben-eine-überraschende-geschichte/ Die andere Erfahrung, von der ich erzählen will, ist mir noch wichtiger. Ich arbeitete an einem Text über Goyas Porträt der spanischen Königsfamilie, als mein damals etwa 8-9 jähriger Sohn hereinkam und mir über die Schulter schaute: "Nach einer Weile beobachtete ich, wie er sich eigentümlich hinstellte, seine Haltung immer wieder korrigierte, bis er zufrieden war. Ich fragte ihn: „Was machst du?“ Er deutete auf den schönen, kleinen Prinzen in Rot auf dem Gemälde. „Ich probiere aus, wie der Junge dasteht.“ „Und?“ Der Amazing sagte: „Er hat Angst. Er will nicht so dastehen.“ Ich war erstaunt. Aber der Amazing zeigte mir, wie der Oberkörper des Jungen leicht nach hinten kippte und wie fest er die Beine in den Boden stieß. „Und seine Mutter?“ „Hält ihn fest.“ Ich verstand, was der Amazing sagen wollte. Das Festhalten der Mutter, der Königin, war beides: Stütze und Fessel." (Amazing ist der Alias-Name, den ich meinem älteren Sohn in meinem Blog gegeben habe.) Für mich hat diese Körpererfahrung des Kindes den Blick auf das Bild noch einmal ganz neu eröffnet. Das Ergebnis habe ich später auch in meinem Blog beschrieben: https://gleisbauarbeiten.blogspot.com/2013/10/die-macht-und-das-kind-noch-einmal.html Und tatsächlich bin ich überzeugt, dass genau DAS das eigentliche Potential von Kunst ist - eine körperliche, konkrete, "echte" Erfahrung zu erzeugen, die das Denken in Bewegung versetzt.

    Artikel: Kunst auf der Spur. Eine philosophische sowie somatische Erkundungstour in 6 Teilen.

  • Jutta Pivecka sagt:

    Liebe Antje, es fiel uns nicht schwer, als wir bei letzten Redaktionstreffen darüber sprachen, ganz viele Beispiele für diese Beobachtung zu finden. Viel schwerer war es, auf deine Schlussfrage eine Antwort zu finden. Ich dachte spontan an "Leichtes Gepäck" von Chiara Zamboni (in "Macht und Politik sind nicht dasselbe; Ulrike Helmer Verlag) und ihre Kritik an Michel Foucault. Die Konzentration auf das Macht-Spiel führt eben zum Ausschluss weiblichen Begehrens, dazu, dass Frauen "Non Player" sind. Wir können aber nicht so tun, als finde dieses Spiel nicht statt bzw. habe keinen Einfluss auf unser Leben. "Es ist so", schreibt Zamboni, "als würde auf einem Schachbrett gleichzeitig Schach und Dame gespielt." So ist es. Während wir also das Schachspiel nicht ignorieren können, um im Bild zu bleiben, müssen wir dafür sorgen, dass "die anderen" das "Dame-Spiel" auch nicht länger komplett ignorieren können. D.h. wir müssen Irritationen erzeugen, das fällt uns schwer, weil wir geschult sind, nicht zu irritieren, uns immer zu erklären. Wir müssen den "Non Player" - Status dieser Leute (vulgo: Männer mit Macht) im "Dame-Spiel" gelegentlich unangenehm fühlbar machen, indem wir uns nicht erklären und nicht rechtfertigen, sondern was machen, einfach so, weil wir es wollen. Oder auch, oft viel schwerer, was lassen, was gerade NICHT machen. Einfach so. Zum Beispiel Sachen, die Voraussetzung dafür sind, dass das "Schachspiel" läuft. "Streik" kann eine Antwort sein. Aber auch unterhalb der organisierten Verweigerung gibt es viele Möglichkeiten, Irritationen zu produzieren. Unabhängig davon wollen und müssen wir natürlich unser "Spiel" weiterspielen, vorantreiben, in dem es auch "Non Player" gibt, vollkommen zu Recht, nämlich all die Macht-Player, die im anderen Spiel so dominant sind. Wir hören sie nicht, weil sie nichts für uns Interessantes zu sagen haben. Um es in ein Beispiel zu übersetzen: Wir müssen z.B. vollkommen damit aufhören, einem Player wie Donald Trump zuzuhören oder auf seine Aussagen zu reagieren. Uns geht nur an, ob etwas, was er TUT, unseren Widerstand hervorruft. Dann müssen wir ins HANDELN kommen, aber nicht in einen Diskurs. Wir dürfen uns auch nicht dauernd sinnlos für die "Diskurshoheit" verkämpfen. Für mich ist das eine der wichtigsten Erkenntnisse: Wir müssen uns von diesem romantischen Sprachmagie-Glauben lösen, der uns weis machen will, dass man die Welt vor allem durch Text verändert.

    Artikel: Player und Nicht-Player

  • Eva sagt:

    Liebe Anne, schön, das hat Spass gemacht zu lesen und zündet Gedanken und Impulse. Ein Gedanke zum Furor und zum verspritzten Blut in der Kunst: ist es nicht Ausdruck genau dieses Bedürfnisses nach verkörperter Berührung, warum die so lange Konjunktur hatten in der Kunst? Es ist ja auch wahrscheinlich einfacher, durch Horror, Leid, Schmerz etc spürbar unser Nervensystem in Reaktion zu bringen als durch kleinere Irritationen, wie ein "da stimmt doch was nicht" Gefühl oder sogar ein positives Mitschwingen. Weil letzteres ja der Normalzustand sein sollte, für den wir Menschen gemacht sind, die Resonanz mit der Gemeinschaft um uns rum. Die Körperin schickt dann nicht aktiv Alarmsignale, sondern lässt sich erst mit bewusster Aufmerksamkeit erspüren... So, und zu Deinem Unbehagen mit dem Erschrecken der Leute durch die Kunst, fällt mir noch ein, dass es ja nun auch ganz unmöglich ist, im erschrecken Zustand Neues zu zu lassen, zu denken oder zu fühlen. Wenn es also DARUM geht ist das Erschrecken das genau ganz falsche Mittel. Die Verbindung von Kunst mit dem Konzept der hermeneutische Sekunde spricht mich sehr an. Zum Einen fühle ich das auch, dass Kunst die hermeneutische Sekunde im Erleben/Wahrnehmen von Werken quasi einlädt. Zum anderen finde ich, dass auch das Sprechen über Kunst die Tür aufmacht, Dinge zu teilen die nicht hauptsächlich auf kognitives Wissen basieren. Beim Thema Kunst ist es viel mehr als bei anderen Themen sozusagen "gesellschaftsfähig" und geradezu gefordert, nicht direkt Erklärungen zu haben, Dinge einzuordnen, sie in Kategorien von Bekanntem zu stecken (also all das was unser Hirn ja tagein tagaus tut) Die Verbindung zu den planetaren Grenzen greife ich noch nicht ganz- ich vermute einen Zusammenhang dazu, dass Kunst es ermöglichen kann, bisher Ungedachtes/Ungefühltes zu denken oder zu fühlen...bin also gespannt, was in den nächsten Teilen dazu noch kommt und ich freu mich drauf!

    Artikel: Kunst auf der Spur. Eine philosophische sowie somatische Erkundungstour in 6 Teilen.

  • Anne Newball Duke sagt:

    Liebe Jutta, interessant, wo und wie sich Konzepte von Weisheit bilden. Ich habe gerade irgendwo gelesen, vielleicht war es in "The Artful Universe" über die vedische Kultur und die Stellung der Dichtkunst... wo by the way Frauen wie Hadewijch eine hohe gesellschaftliche Stellung hätten aufgrund ihrer Kunst, das "Unvorstellbare" in Sprache zu bringen... also da habe ich glaube gelesen, dass Weisheit nur aus dem totalen Nichtwissen erwachsen kann; sozusagen... wie ich das verstehe... aus der körperlichen Hingabe, dem Herschenken der Körper*in, um Erfahrungen in einer "leeren Körper*in" aufnehmen zu können, aus der dann - wieder "bei Verstand" ;) - Weisheit erwachsen kann. Also nur aus der Vernichtigung kann Weisheit erwachsen. Das nur in Kürze als spontaner Kommentar, für alles andere muss ich mir mehr Zeit nehmen. Das, was du zum Denken "Durchunddurch" sagst, Jutta, das räsoniert total in mir, und in die Richtung denke ich auch in der Kunst-Reihe. Denken aus der Körper*in ist im Grunde Verbindung mit der Welt aufnehmen, da wir auch durchunddurch Welt sind. Aber ja... mehr vielleicht nochmal später.

    Artikel: LIEBE NEU GEDACHT - DIE ALTE MINNE DER MYSTIKERIN HADEWIJCH, Teil IV

  • Anne Newball Duke sagt:

    Oh, das möchte ich auch lesen! Oh, nur in italienisch, oder? :( Danke für die vielen Gedankensplitter, liebe Dorothee!

    Artikel: Player und Nicht-Player

  • Dorothee Markert sagt:

    Dein Blitzlicht, liebe Antje, hat mich voll erwischt in einer Situation, in der ich voll ohnmächtiger Wut war, weil das, was eine Gruppe engagierter Angehöriger von Bewohner:innen einer PflegeWG sich für ihre Verwandten wünschte und in vielen Sitzungen erarbeitet hatte, von denen, die letztlich das Sagen hatten - eine Bürgermeisterin und der Gemeinderat – einfach komplett ignoriert wurde. Dieses Gefühl, als potentielle Mitspielerin einfach nicht zu zählen, ist so scheußlich, dass ich gut verstehen kann, wenn Frauen, mich eingeschlossen, ein Leben lang alles tun, um diese Wahrheit nicht an sich heranlassen zu müssen. Bevor ich also über deine Frage nachdenken kann, was wir tun könnten, um zu vermitteln, "dass wir doch mitspielen" (???), möchte ich deinen Verdacht, dass wir Frauen aus Sicht der meisten Männer (und vielleicht auch aus der Sicht von Frauen, die in Positionen sind, in denen sie meinen, doch zu zählen), NPCs seien, erst mal ankommen lassen. Dazu fällt mir beispielsweise ein, wie überrascht ich war, als bei meiner Untersuchung 1995, an welche Personen aus Büchern sich Schülerinnen bzw. Schüler erinnerten, herauskam, dass Jungen sich fast nicht an weibliche Personen erinnerten, Mädchen jedoch an weibliche und männliche gleichermaßen. Oder ich denke an Erfahrungen und Beobachtungen mit mansplaining, das man auch als Folge dessen sehen kann, dass Männer oft keine Ahnung haben, was ihr weibliches Gegenüber so drauf hat, weil sie sich null dafür interessieren. Und ich denke, dass der auf Jungen früh ausgeübte Zwang, um "Männer" zu werden, alles weiträumig umgehen zu müssen, was mit Weiblichkeit in Verbindung gebracht werden könnte, bei erwachsenen Männern einfach so tief sitzt, dass sie vielleicht gar keinen Zugriff darauf haben. Und schmerzlich fällt mir der leere Blick meines Gegenübers ein, wenn ich von etwas erzählen will, das in der Welt, in der die Players leben, nicht relevant ist, irgendwas aus meinem Care-Arbeits-Leben beispielsweise. Irgendwo in einem frühen Text italienischer Differenzphilosophinnen meine ich gelesen zu haben, dass wir in tiefste Depression fallen würden, wenn wir wirklich an uns heranlassen würden, wie wenig wir wirklich zählen. (Leider finde ich die Stelle gerade nicht). 2002 kam dann ein Buch von "Diotima" heraus mit dem Titel "Approfittare dell'assenza" (Frei übersetzt: Profitieren vom Nichtvorhandensein). Das werde ich jetzt erst nochmal lesen ...

    Artikel: Player und Nicht-Player

  • Juliane sagt:

    Wie könnte das gehen, dem Patriarchat ins Bewusstsein zu rufen, dass wir keine NPCs, fragst Du, Antje. Dein Blitzlicht beschäftigt mich sehr. Ich vermute, ein Teil des Problems ist, dass viele Frauen, die eine Führungsposition errungen haben, vehement abstreiten würden, ein NPC zu sein. Um so wichtiger, diese Problematik auf verschiedenste Weise aufzuzeigen, wie es Dir mit dem Beispiel der NPCs wirklich gut gelungen ist.

    Artikel: Player und Nicht-Player

  • Barbara Lansen sagt:

    Liebe Frauen, einen Streik fände ich wunderbar - evtl. sogar so, dass wir unsere Kinder und Enkel den Männern in die Hände drücken (so wie schon Anne oben erwähnt), vor allem den Kriegswütigen und -unterstützern. Desweiteren müssen wir uns mit unseren Müttern, Großmüttern etc. beschäftigen (inwieweit waren sie NPC`s in Vorkriegs, Kriegs und Nachkriegszeiten!) und den daraus resultierenden Prägungen. Erst wenn wir diese verstanden und durchgefühlt haben (ja, auch wir haben hierin schwierig zu bewältigende Gefühle) , können wir neue Verhaltensmuster einüben und an nachfolgende Mädchen und Frauen weitergeben. Ich finde dieses Blitzlicht spannend und sehr wichtig.

    Artikel: Player und Nicht-Player

  • Anne Newball Duke sagt:

    Wunderschön, danke für die schönen Anmerkungen. <3 Ich denke, um "seelische Entwicklungsprozesse" geht es im Grunde auch in meiner heute startenden Reihe über Kunst. :)

    Artikel: LIEBE NEU GEDACHT - DIE ALTE MINNE DER MYSTIKERIN HADEWIJCH, Teil IV

  • Heike Schmitz sagt:

    Liebe Jutta! Liebe Anne! Als "Expertin" verstehe ich mich natürlich nicht, finde es spannend, dass ihr das Wort aufnehmt, zu lesen, wie ihr es lest! Ja, Anne, da ist die Faszination und Dringlichkeit seelischer Entwicklungsprozesse, die aus diesen Texten sprechen, sowie der oft auch heute noch gültig wirkende Rat, den Hadewijch z.B. in ihren Briefen ihren Adressatinnen gibt. (z.B. der 4. Brief, von den Herausgebern "Irrtümer der Vernunft" überschrieben) Und ja, Jutta, was du da schreibst, trifft genau die Richtung, in die mich das Denken um die und mit der Minne, wie sie sich bei Hadewijch finden lässt, immer weiter gebracht hat. Und lass mich noch den einen Aspekt hinzufügen - neben dem, was du so treffend beschreibst. Die technologischen Entwicklungen dieser Welt werden u.a. von Jahrhunderte alten Erlösungsvorstellungen angetrieben, mit denen sich die Akteure identifizieren - eine 'zweite Wirklichkeit' erschaffend, selbstverständlich unter Kontrolle ihrer Entwickler, die sich in ihrer Art atheistischem Heilsdenken auf eine 'höhere Ebene' katapultiert haben. Und es wirkt vielleicht "naiv", in der Forderung nach exponentiellem Wachstum, das uns alle erfasst hat, und dem sich diese "Erlöser" verschrieben haben, die Lieder Hadewijchs "zu singen". Aber es sind Gesänge der zyklischen Erneuerung, getragen von einem tiefen menschlichen Bewusstsein von Abhängigkeit - die voll und ganz angenommen wird, durch und durch erfahren. Das tut gerade not, wo es doch so schwer zu fallen scheint, uns einzugestehen, dass wir Abhängige sind im Hinblick auf die regenerativen Kräfte unseres Lebens, die so immenser Zerstörung ausgesetzt sind. Trotz all ihren visionären Erfahrungen fällt Hadewijch immer wieder zurück in ihr "elendes" Menschsein. In diesem Bewusstsein zu wachsen führt auch näher zu den Quellen von Freude und Erneuerung der Kräfte in einem ganz und gar nicht naiven Sinn. Lasst uns weiterspinnen mit dem Wort "Minne"! Es könnte sich neu entwickeln und wieder was zu sagen haben! Und aus euren Kommentaren meine ich herauszulesen, dass ihr das auch so seht.

    Artikel: LIEBE NEU GEDACHT - DIE ALTE MINNE DER MYSTIKERIN HADEWIJCH, Teil IV

  • Jutta Pivecka sagt:

    Liebe Anne, liebe Heike, liebe Fidi (die Du Dir weitere Kommentare gewünscht hast :-) ), mein Beitrag kann nur lose an Eure Gedanken in der vorangegangenen Kommentaren anknüpfen, weil ich meine eigenen Ausgangspunkte nehmen muss, um dieses Anknüpfen, diese Verwebung herzustellen. Für mich war ein Gedanke beim "Minnen" immer ganz wesentlich und (über)zeugend: dass das Denken dieser Art "durchunddurch" geht, also nicht körperlos vergeistigt sich "intertextuell" auf andere (Vorgänger-)Texte bezieht, sondern sich aus der körperlichen Erfahrung der Denkenden ergibt, dass sie von daher und nur von daher sich zu Texten von Vorgängerinnen "hingezogen" fühlt, die sie aufwühlen, eben nicht (bloß) im Geist, sondern in ihrem Körper, der in seinem ganz bestimmten gegenwärtigen Sein lebt und auch nur DA denken kann. Oder anders ausgedrückt: dass dieses Denken die ganze Leib-Seele-Dichotomie nicht bekämpft, sondern ganz einfach ignoriert, nicht aus Trotz, sondern weil es muss, weil anders gar nicht gedacht werden kann. (Und diese Dichotomie ist ja so ungeheuer wirksam JETZT, wie Heike schreibt, im Denken und Tun z.B. der Tech-Giganten.) So komme ich dann auch zur "Weisheit". Denn "Weisheit", wie ich die Vokabel kenne und verstehe, stammt ja genau aus diesem Denken, in dem Leib und Geist getrennt sind, in dem der Geist "Ich denke, also bin ich" sagt und weise wird, sich über diesen störrischen Leib erhebt, der nicht denkt, sondern...sagen wir mal ... pisst und schwitzt und sich hin und her wirft, schlaflos. So weise also kann, habe ich gemeint zu verstehen, die Minnende nicht werden, denn die, noch im Gedankenflug, erlebt sich denkend, zitternd, stinkend. Die lebt und denkt das aus, dass keine Erlösung ist und nicht sein wird, sondern immer nur SPANNUNG, auch Verspannung, die denkt und lebt - auch das politisch, wie ich meine - sich selbst nicht als Erleuchtete, auch wenn sie manches Mal leuchten mag, die fällt genauso tief, wie sie abhebt und denkt das mit, immerzu, immerzu, durchunddurch. Das Politische daran ist, dass sie nicht aus der Opposition heraus denkt, sondern aus dieser Spannung heraus, also nicht gegen etwas, sondern sich als Teil spürend und denkend immer gleichzeitig von dem was JETZT ist und DANN sein könnte, aber auch wenn DANN JETZT wird, ändert sich diese Denkfigur nicht, kann sich nicht ändern. Vom religiösen Erlösungsdenken habe ich selbst in einem schmerzhaften Prozess Abschied genommen. Vielleicht liege ich deshalb auch mit diesem Verständnis der Minne ganz falsch, sicherlich in jeder Hinsicht da, wo es um das eigentlich Spirituelle geht, dem ich nichts (mehr) abgewinnen kann. Die Minne, so schließe ich, kann mich nur da berühren, mitnehmen, wo die Minnende NICHT als Prophetin wirken will. (Und damit offenbare ich selbstverständlich auch einen Abwehrmechanismus in mir, in meinem Körper, der sich tief eingegraben hat.). Ach Heike, ich bin gespannt, wie Du diese (Miss-)Verständnisse aufklären wirst. :-)

    Artikel: LIEBE NEU GEDACHT - DIE ALTE MINNE DER MYSTIKERIN HADEWIJCH, Teil IV

  • Heike Schmitz sagt:

    Liebe Anne, es gäbe so viel zu sagen oder gemeinsam zu besprechen zu dem, was du schreibst, aber dazu reicht die Kommentarspalte wohl nicht aus - zumal es sich ja auch um nicht so leicht in Sprache zu Fassendes handelt. Kennst du die "Winterschwimmerin" von Marion Poschmann, soeben erschienen? Dieses Buch wäre wohl als ein aktuelles Beispiel zu lesen, wie innere Erkenntniswege - wie eine Suche nach dem "Seelengrund" - auch in der gegenwärtigen Literatur dichterisch zur Sprache kommen können. Der Satz, den du in der Ferrario-Ausstellung gefunden hast, von dem Zusammenhang von Weisheit und dem erfahrenen Dunkel, hat für mich einen etwas anderen Klang als Hadewijch-Sätze. Aber das mag an meiner Lesart liegen, die in dem Wort "Weisheit" auch etwas vermisst, was bei Hadewijch stark mitschwingt, nämlich das spannungsvolle Aushalten von Paradoxien, Sätze wie 'ihr (der Minne) tiefster Abgrund ist ihre schönste Form'. Ich frage mich gerade, ob das Wort "Weisheit" bei ihr vorkommt - muss dem nochmal nachgehen.... Und was das auch von Fidi angesprochene "Politische" angeht - auch dieser Denkweg bräuchte ein paar Stunden Gesprächsrunde am Küchentisch - aber etwas spontan hingeschrieben: Wie "politisch" ist es doch, wenn bestimmte (Selbst-)Erkenntnisprozesse eine ganz leise und beinahe unbemerkt z.B. von den "Tempeln" des Konsums entfernen, entfremden, sie von innen her fremd werden lassen.... Und wie "politisch" ist es doch, der Bewegung von zyklischer Erneuerung in der Natur im Geist eines Hadewijchschen Minne-Liedes zu folgen, in dem die das Lied Singenden/Lesenden nach der wiederkehrenden Erneuerung ihres Lebendigseins suchen - als eine Gabe, von der sie abhängig sind. So jedenfalls würde ich es lesen, dass es sich da um ein anderes Denken handelt als jenes, das - kurz gesagt - von Linearität und Kontrolle und ewigem Wachstum und den "Er-Lösungs"-Vorstellungen Tech-Giganten dominiert ist.

    Artikel: LIEBE NEU GEDACHT - DIE ALTE MINNE DER MYSTIKERIN HADEWIJCH, Teil IV

  • Fidi Bogdahn sagt:

    "Wie machen wir die Männer locker?“ fragst du, Anne. und gibst „dem Prozess viele Generationen oder gar Jahrtausende“. Ich glaube, dazu wird es vorher ´einen neuen Himmel und eine neue Erde` brauchen; und das wird dann nicht mehr unsere sein. Also beantworte ich Antjes Frage lieber zeitlos (d.h. auch ohne den Konjunktiv aus der Frage, wie es gehen könnte): ...im BewusstSein leben und nur da mitspielen...

    Artikel: Player und Nicht-Player

  • Elmerin sagt:

    Wir hatten in der Schweiz 1991 einen landesweiten Frauenstreik. Das war grandios. Heute wäre ein landesweiter Konsum- und Steuerstreik mit dem Ziel den Kapitalismus abzuschaffen wirkungsvoller. Um Männer mag ich mich nicht kümmern und solange Feministinnen einen Krieg der EU und die Nato unterstützen bleibe ich lieber NPC!

    Artikel: Player und Nicht-Player

  • Anne Newball Duke sagt:

    Liebe Antje, vielen dank für den spannenden Gedanken! Ich habe vor ein paar Wochen den Film "Ein Tag ohne Frauen" über den isländischen Frauenstreik 1975 gesehen. Der kommt mir bei deiner Frage spontan in den Sinn, denn hier haben die Frauen mega eindrucksvoll klargemacht, dass diese Welt nicht einen Tag ohne sie funktioniert, also von wegen NPCs!! Also ist mein Vorschlag ;): so eine Art Streik kommt am besten weltweit zustande, bevor die zur Gewaltausübung fähigen Institutionen wirklich befähigt werden, große Teile der Bevölkerung unter Androhung von Gewalt welcher Art auch immer zum vorläufigen Verstummen zu bringen. Ansonsten bin ich gerade mit "Lost"-Schauen fertig. Den ganzen toxischen Männlichkeiten in 6 Staffeln beim Schmelzen zuzuschauen, wie sich das Ego zugunsten von Loslassen und Liebe auflöst, ist schon cool. Oder in "Barbie": wie Ken schluchzend am Ende sagt, nachdem die Barbies wieder die Macht in Barbieland übernommen haben: es war schon anstrengend, all die Macht, das hat gar keinen Spaß gemacht, der Obermacker zu sein (meine Worte jetzt). Es hilft vielleicht nicht so viel, toxische Maskulinität nur auf der theoretischen Ebene abzutasten und bis ins kleinste Detail auszuforschen, zu theoretisieren und dann kluge Vorträge darüber zu halten. Das Wichtigste wäre, dass die Männer ins Gefühl kommen und loslassen lernen, und wie gut sich das anfühlt, und wie gut und schön das Leben dann sein kann. Wie machen wir die Männer locker?? Also ich schlage vor: Frauen*streik, verbunden mit dem Zwang für die Männer*, sich in verschiedenste Therapieformen zu begeben. Wo sie ihre Körper spüren lernen. Wo sie lernen, ihr Ego loszulassen. Mir egal, welche Therapieform. Kunst, Singen, Schamanismus, Embodiment-Geschichten jeglicher Art... und wichtig daran: das nicht als Hobby!!! Aus diesen Erfahrungen heraus MÜSSEN sie sodann Politik betreiben. Das ist nämlich das Problem dieser "selbsternannten" Feministen, von denen du oben schreibst: dass sie nur theoretisch dabei sind, aber es nicht verkörperlicht haben. Dass sie weiterhin das gute Leben im falschen Leben für das bestmögliche halten. Ihre Analyse geht nie tief genug. Nie tief genug in die Körper hinein. Das Ding daran wäre ja: sdie Männer* müssten sich gar nicht viel verändern (ich glaube, das ist immer die größte Angst der Männer: omg, wir müssen ganz Andere werden, ein ganz neuer Mensch werden! nein, eben nicht!): sie müssen nur tiefer gehen und sich befähigen, ernsthafte, also beständige/nachhaltige und liebevolle Beziehungsweisen aufzubauen. Verbunden mit dem Streik, den ich im Kopf habe ;), fordern Frauen* des Weiteren, dass Erziehung sich ändert, dass Schule anders funktioniert. Dass Gefühle und Emotionen nicht vom Verstand, von der Ratio, abgetrennt werden in einem langwierigen Erziehungsprozess usw. usf. Oh, da habe ich noch viele weitere Vorschläge, aber lassen wir das vorerst, hehe. Ich mochte an dem isländischen Frauenstreik vor allem das Lahmlegen, den Stillstand für einen Tag. Der ja bei genauerem Hinsehen kein Stillstand war, denn die Kinder heulten und spielten dann in den Büros der Männer, und die Männer schafften es nicht mal, ihren Kindern ein unverkohltes Wiener Würstchen als Mittagessen zu kredenzen. Ich denke, so aufgewühlt waren sie noch nie in ihrem Leben, so NPC haben sie sich noch nie gefühlt, wegen all ihrer Unfähigkeiten, mit denen sie sich plötzlich sicher sehr ohnmächtig und nicht überlebensfähig fühlten. Ich mag diese Vorstellung, dass ein Streik eine solche existenzielle Verunsicherung auslöst. In politischer Umsetzung bekam dann in Island die Gleichberechtigung Riesenschübe. Weil das das war, was die Frauen wollten. Was wollen wir heute? Wir brauchen ein Ziel. Das gute Leben innerhalb der planetaren Grenzen. Welche menschlichen Fähigkeiten und Begabungen in welchen Tätigkeiten brauchen wir dafür? Ich bin der Meinung, wir brauchen dafür den Mann*, der* sich und seine vielfältigen Emotionen und Begehren in Sprache bringen kann. Diesen Mann erstreiken wir uns. :) Nicht mehr und nicht weniger. :) Sry, liebe Antje, ich kann anscheinend immer nur mit großen utopischen Antworten dienen, bei denen der Prozess viele Generationen oder gar Jahrtausende andauern wird, hehehehe. ;) Aber ein weltweiter Generalstreik? Das wäre doch was, ganz bescheiden für den Anfang, oder? :)

    Artikel: Player und Nicht-Player

  • Anne Newball Duke sagt:

    Liebe Heike, huch, ist schon ein Monat vergangen? Jedenfalls, wenn auch ziemlich spät: vielen Dank für deine Antwort; gerade die zweite ist ja auch leicht mystisch, hehe ;). Naja, ich bin auf dem Weg, aber ich stolpere und stochere doch noch sehr herum. Es ist schwer loszulassen. Es ist gefühlt ein weiter Weg, obwohl es doch alles da und in uns angelegt ist. Ja, das In-Sprache-bringen ist das schwierigste an diesen Erfahrungen. Das kann wohl nur die Dichtkunst; oder überhaupt Kunst vermitteln. Oder eben die Mystikerinnen ;) Ich war am Wochenende in einer sehr schönen Ausstellung hier in Esslingen von Serena Ferrario. In einer Ecke eines ihrer großen Bilder stehen verschiedene Gedanken... einer ist: "Wahrlich keiner ist weise, der nicht das Dunkel kennt", Klingt wie ein Hadewijch-Satz, oder? Und gleich darauf kommt auch ein Zitat von ihr: "Wenn die Seele allein steht - in der uferlosen Ewigkeit, weit geworden, gerettet durch die Einheit, die sie aufnimmt, dann wird ihr etwas Einfaches enthüllt, das Unaussprechliche, das reine und nackte Nichts..." Ich glaube, es sind heutzutage mehr auf den Spuren der Mystikerinnen und dieser Form von Erleben. Das ist doch interessant. Ich bin dran, im Zusammentragen und Verbinden, ich achte auf all die Spuren, die sich mir ergeben. Den Vortrag höre ich mir zu gegebener Zeit einmal an, vielen Dank für die Erinnerung, liebe Jutta! Und Fidi, das denke ich auch, dass dieses Beschäftigen mit der Welt wichtige Politikpfade eröffnet und es eben keine Flucht vor der Realität ist, wie es oft heißt. Die Frage ist, was man mit diesen Erfahrungen macht, ob sie ernstgenommen werden und daraus dann Politik erwachsen kann.

    Artikel: LIEBE NEU GEDACHT - DIE ALTE MINNE DER MYSTIKERIN HADEWIJCH, Teil IV

  • Adelheid Ohlig sagt:

    Es geschieht nicht nur in den USA, sondern auch hierzulande: alle Universitäten, die Forschungsgelder aus den USA beziehen, bekommen ähnliche Post!

    Artikel: Trump und die verbotenen Wörter

  • Adelheid Ohlig sagt:

    Vielen herzlichen Dank für diese Erinnerung, auch ich kenne diese schmerzenden Erkenntnisse Wir lernen. Herzlich Adelheid

    Artikel: Meine schmerzliche Selbsterkenntnis

  • Fidi Bogdahn sagt:

    Ich warte hier immer sehnlichst auf die Kommentare... Danke euch allllllen! Diese Seite heißt „bzw“; und wenn ich das ausbuchstabiere, bedeutet es mir: In all meinen Beziehungen im Leben weise und das heißt für mich, nicht eng sondern weiter zu werden -auch im Denken, also letztlich im Sein. Auf diesem Weg befinde ich mich… und früher verschicken wir von unterwegs Ansichtskarten; da hätte ich dann darauf geschrieben "Mit Worten vermag ich es nicht genau er zu erfassen, was ich bei meiner Wanderung mit Freuden empfinde: es ist die Verbindung des Denkens „der Italienerinnen“ und der „Minne“. Ja, das und nichts weniger ist für mich heute Politik!

    Artikel: LIEBE NEU GEDACHT - DIE ALTE MINNE DER MYSTIKERIN HADEWIJCH, Teil IV

  • Heike Schmitz sagt:

    Liebe Anne, vielleicht hast du aus meinen letzten Zeilen herausgelesen, dass ich der - wenn ich dich recht verstehe - Frage nach persönlichen Erfahrungen eher ausweiche. Tut mir leid, wenn ich so deine Fragen nicht wirklich beantwortet habe, wie Jutta auch bemerkt hat. Auf dieser Ebene, die du andeutest, kann ich es nicht zur Sprache bringen und nicht für mich in Anspruch nehmen. Aber du bist vielleicht auf diesem Weg.

    Artikel: LIEBE NEU GEDACHT - DIE ALTE MINNE DER MYSTIKERIN HADEWIJCH, Teil IV

  • Jutta Pivecka sagt:

    Liebe Anne, ich weiß nicht, ob du Heikes Vortrag zu Minne und künstlicher Intelligenz: "Die zwei Augen der Liebeskraft. Minnen und Denken", den wir von bzw vor einigen Jahren auf YouTube eingestellt hatten, gehört hast, daher hier noch einmal der Link: https://bzw-weiterdenken.de/2019/12/minne-und-kuenstliche-intelligenz/ . Vielleicht erweitert dies noch mal die Perspektive, wenn es auch nicht alle deine Fragen beantwortet. :-)

    Artikel: LIEBE NEU GEDACHT - DIE ALTE MINNE DER MYSTIKERIN HADEWIJCH, Teil IV

  • Heike Schmitz sagt:

    Liebe Anne, es freut mich zu hören, dass die Minne zu dir übergesprungen ist! Sie ist's ja auch wert, über sie nachzudenken. Ja, selbst wenn, wie du sagst, es "so aus der Zeit gefallen" wirkt - aber vielleicht ist es das gar nicht, ist es ein Wort, mit dem sich Gedankenspiele entzünden lassen gegenüber jenen, die angeblich gar nicht aus der Zeit gefallen sind, die nämlich unsere Zukunft zu bestimmen gedenken bzw es schon längst tun. In den frühen Phantastereien des Silicon Valley heißt es: "Computer unterdrücken unsere animalische Präsenz. Wenn du mit Hilfe eines Computers kommunizierst, kommunizierst du wie ein Engel." (Stewart Brand) In diesem Sinne scheint mir "Minne" - so wie ich sie zu verstehen versucht habe - als ein sehr aktuelles Wort, das fehlt, um sich gegen diese Unterdrückung der "animalischen Präsenz" auszusprechen. Die Beginenmystik ist und bleibt vielleicht eine andere als die Mystik der Tech-Giganten. Die "neue Avantgarde" des Silicon Valley hat sich in ihren frühen "Hippie-Phasen" der Mystik und ihrer Metaphern bedient, hat sie mit Termini der Informationstheorie und Kybernetik verbunden. Also warum dann nicht auch ganz "avantgardistisch" einen anderen Mystikbegriff - mit der Minne der Beginen - entwickeln, mit dem die Leiblichkeit und Abhängigkeit unseres Daseins dem entgegen gehalten werden könnte? Mut haben zu den Intuitionen, die als Suchende im Suchen so auftauchen - ohne eine in Minne durch und durch Erfahrene zu sein wie Hadewijch. Dank dir, liebe Anne, für deine Leseeindrücke!

    Artikel: LIEBE NEU GEDACHT - DIE ALTE MINNE DER MYSTIKERIN HADEWIJCH, Teil IV

  • Dorothee Markert sagt:

    Danke für diesen Artikel, der einfach nur Freude macht, liebe Traudel und liebe Antje (von der die Anregung kam). Eine wirkliche Fest-Schrift! Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum!

    Artikel: Der Mailänder Frauenbuchladen wird fünfzig

  • Anne Newball Duke sagt:

    Achso, ich bin gleich voll eingestiegen und habe das Kompliment und das Dankesagen vergessen:) Ich liebe deine Ausführungen, dein tiefes Versunkensein in dieser Form der Wahrheitsfindung, oder wie könnte man das nennen. Es klirrt und knistert, oder?, und es enthält so viel davon, was wir jetzt bräuchten, oder? Es wirkt aus der Zeit gefallen, aber eigentlich ist es das, was sich einzig weltrettend (oder besser menschenrettend, weil die Menschen haben diesen Weltzugang verloren oder zumindest massiv eingeschränkt und verlieren dadurch die Welt) anfühlt, oder? Das ist auch dein Gefühl, habe ich das Gefühl, und es ist auch meins. Ich wüsste gern mehr von dir darüber. Vielen vielen Dank für die tollen Texte, made my days!

    Artikel: LIEBE NEU GEDACHT - DIE ALTE MINNE DER MYSTIKERIN HADEWIJCH, Teil IV

  • Anne Newball Duke sagt:

    Liebe Heike, "Brauchen wir es vielleicht, um auf diesem bedrohten Planeten unser Abhängigsein vom abgründigen Grund allen Lebens zur Sprache zu bringen, es in den Mund zu nehmen und zu empfinden und neu zu bedenken, wonach es schmeckt: das Wort MINNE?" Ich suche auch nach etwas ebenso Unfassbarem, was ich momentan erstmal "Welthaltigkeit" nenne, das über Gefühle und Intentionen und andere Einflüsse und Erfahrungen (eben auch mystische; oder viele - meist über derartige Erlebnisse zunächst geschockte - Wissenschaftler*innen sprechen lieber von "awakening") als rational-materielle Eingang in die Körper*in findet und uns stärker an die Welt bindet und dann auch die (teils ja oft ungewollte) Ausrichtung von der Zerstörung nimmt, einfach weil das Hasten und Eilen in weltlose Richtungen unmöglich werden würde. Ich wollte dich fragen, wenn das nicht zu persönlich ist, aber ich kann es nur durch deine Liebe zu Hadewijch indirekt erkennen und würde gern mehr von dir direkt ;) wissen: Was ist Minne für dich, was gibt sie dir, hast du sie entdeckt? Hast du das entdeckt, was das Wort einmal enthalten hat für jene, die leiblich-mystische Erfahrungen mit diesem Wort in Einklang bringen konnten?

    Artikel: LIEBE NEU GEDACHT - DIE ALTE MINNE DER MYSTIKERIN HADEWIJCH, Teil IV

  • Juliane sagt:

    Danke für diesen Rückblick, der die Entwicklung des feministischen Differenzdenkens der Italienerinnen so gut zusammenfasst.

    Artikel: Der Mailänder Frauenbuchladen wird fünfzig

  • Kinderreiche Hundefrau sagt:

    Tja Die Eine: viel mehr uniformiert und stramm als A.W., hätte gerne Kinder gehabt, fehlte zu oft im vom Volke beauftragten Umfeld (Parlament) - weil sie in der Schweiz lukrative Nebeneinkunfts-Vorträge hielt/hält? https://www.tagesanzeiger.ch/wagenknechts-nebeneinkuenfte-veroeffentlicht-viele-vortraege-in-der-schweiz-231822470360 Die Andere: läßt ihre Kinder verwalten, hat ihre Hetero-Ehe verwirkt und favorisiert ihre "feministische Aussenpolitik". Was wird sie nun - transformiert - und ein letztes Mal im Regierungsflieger mit sich anfangen? Die unendlichen Steuergelder für Klamotten, Schminke, Friseur, Fotoshooting (im Neusprech-Wording: Styling) - woher künftig nehmen? https://www.nachdenkseiten.de/?p=129107 (bin blond und habe grüne Augen)

    Artikel: Die Zukunft der Alice W. als Frau eines Kommandanten. Eine völlig inkorrekte Vermischung von Fiktion, Vision und Realität

  • Maria sagt:

    Liebe Anne, vielen Dank! Es macht die Realität nicht erträglicher, aber vielleicht ist Literatur ein Weg sie wenigstens besprechbar zu machen. Und Lachen ist eh gut. Ich habe auch gelacht.

    Artikel: Die Zukunft der Alice W. als Frau eines Kommandanten. Eine völlig inkorrekte Vermischung von Fiktion, Vision und Realität

  • Anne Newball Duke sagt:

    So toll!!! Ich freue mich schon auf den nächsten Teil!

    Artikel: LIEBE NEU GEDACHT - DIE ALTE MINNE DER MYSTIKERIN HADEWIJCH, Teil III

  • Anne Newball Duke sagt:

    Liebe Marita, vielen Dank für diese vielen feinen Differenzierungen, die ich so noch nicht bedacht hatte und dadurch dann im Denken auch nicht recht weiterkam. Sie sind sehr hilfreich für das Weiter-Nachdenken über Gewalt und Gewaltstrukturen; ich werde jetzt hier in dem Artikel öfter "nachschlagen".

    Artikel: Geschlechtsbezogene Gewalt

  • Eleonora Krohn sagt:

    Ich möchte gerne Ihren Newsletter abonnieren. Herzlichen Dank und freundliche Grüße Eleonora Krohn

    Artikel: LIEBE NEU GEDACHT - DIE ALTE MINNE DER MYSTIKERIN HADEWIJCH, Teil II

  • Baba Lon sagt:

    Es ist sehr interessant, wie Myrthe Hilkens in ihrem Buch "McSex" versucht, die "Pornofizierung" der Gesellschaft zu analysieren, aber ich muss sagen, dass ihre Argumentation für mich dennoch wie eine moderne Form der Prüderie wirkt. Anstatt die vielfältigen Aspekte der sexuellen Darstellungen in den Medien differenziert zu betrachten, wird einseitig auf die negativen Effekte hingewiesen, ohne die positiven Entwicklungen und Möglichkeiten anzuerkennen, die gerade durch den Zugang zu pornografischen Inhalten im digitalen Zeitalter entstehen. Der Fokus auf die kommerzielle Nutzung von Sexualität und die pauschale Kritik an der Medienlandschaft übergeht die Tatsache, dass es längst ethische und respektvolle Formen der Darstellung gibt, die nicht nur auf Konsum und Ausbeutung setzen. Die Pornografie ist längst nicht mehr die "verwerfliche" Industrie, die sie darstellt – sie hat sich weiterentwickelt, und viele Akteure setzen sich heute für die Schaffung eines respektvollen Rahmens in der Branche ein. Was mir auch fehlt, ist eine echte Auseinandersetzung mit der Realität, wie die Gesellschaft, insbesondere die junge Generation, mit Sexualität umgeht. Statt auf eine Pauschalkritik zurückzugreifen, sollte Hilkens mehr Raum für die positiven Seiten von Sexualerziehung und einen offenen, respektvollen Umgang mit Sexualität schaffen, der nicht nur die negativen Aspekte in den Vordergrund stellt. Hilkens’ Aufruf zur "Wertschätzung" von Sexualität bleibt leider sehr vage und unkonkret. Es wird zwar von einer besseren Darstellung von Sexualität gesprochen, doch wie diese in der Praxis aussehen soll, bleibt unklar. Stattdessen wirkt der ganze Ansatz mehr wie eine moralische Agenda, die die Realität der Medienindustrie einfach übergeht. In meinen Augen wäre eine differenziertere Perspektive auf das Thema viel wertvoller, um die positiven Aspekte von sexuellen Darstellungen und Aufklärung zu betonen, anstatt die ganze Thematik zu kriminalisieren. Denn es ist nicht der Sex an sich, der problematisch ist, sondern die Art und Weise, wie er oft dargestellt wird – und da gibt es durchaus Spielraum für Verbesserung. Diese Chance hat sie allerdings mit ihrem Buch vertan und lieber geifernd das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.

    Artikel: Die Pornofizierung der Gesellschaft

  • Anne Newball Duke sagt:

    Lieben Dank für eure Kommentare. Liebe Elfriede, ja absolut, jedes Wort trägt eine sehr sehr lange Geschichte von Transformation in sich, in Bedeutung, Aussprache und Schreibweise... wahnsinnig faszinierend ist das. Über re-ligion habe ich in einem der vorherigen Texte schon was geschrieben... ich sehe das auch im Sinne von Rückbindung. Die Maskulinisierung von "Verstand" im Deutschen ist interessant. Und ja klar... Sprache stiftet Identität, aber verhindert oft eben auch erstmal Zugehörigkeit. Ich wünschte, es wären nicht so viele "Studien" notwendig, um manche eventuellen früheren Bedeutungen wiederentdecken zu können. Vieles ist sehr versteckt, wirklich, und man muss dafür einen Faible haben. Ich wünschte, vieles wäre eingängiger und einfacher zugänglich, damit Sprache im Sinne der Welthaltigkeit (so nenne ich es jetzt mal weiter) einfacher und intuitiver genutzt werden könnte. Ich habe Zeit und Leidenschaft dafür und wackle und wanke dennoch so rum und habe gefühlt noch einen so langen Weg vor mir... wie geht es dann anderen? Liebe Dorothee, ach das erleichtert mich, von dir zu hören, vielen Dank! Ich hoffe einfach sehr, dass dieser Abschnitt zu den Beatles nicht mit so moralischem Impetus rüberkommt. Ich finde es sprachlich teils schwer auszudrücken... wenn ich eine Meinung habe, die ich interessant finde zu teilen... es interessiert mich einfach, wie das ganze Gebiet rund ums Canceln in bestimmten Momenten mit mehr Flexibilität und weniger Versteifung und Verkrampfung und Härte weitergedacht werden kann. Und dazu lud dein Text ein, auch weil du gar keine Vorlage gemacht hast, wie du denkst, dass es richtig wäre, jetzt damit umzugehen. Diese Offenheit hat mich inspiriert.

    Artikel: Die Gabe der Dankbarkeit

  • Dorothee Markert sagt:

    Liebe Anne, danke für diesen schönen Text, über den ich mich sehr gefreut habe. Darüber, dass du etwas weiterdenkst, was ich vor vielen Jahren geschrieben habe, und es erweiterst in eine Richtung, die mich ebenfalls freut. Das Buch „Geflochtenes Süßgras“ ist mir auch sehr kostbar. Dein Kommentar zu „little girl“: Da es vor der Frauenbewegung geschrieben wurde, fällt es in eine Zeit, in der ich auch gerade erst aufhörte, das „Polenmädchen“ mitzusingen, wenn meine Klassenkameraden es bei unseren Unternehmungen anstimmten. Die Beatles waren damals einfach mainstream. Und: Für die Lieder, die du nennst, bin ich ihnen trotzdem weiterhin dankbar und werde bestimmt nicht aufhören, sie zu hören!

    Artikel: Die Gabe der Dankbarkeit

  • Fidi Bogdahn sagt:

    …jetzt weiß ich wieder, warum ich Haikus so schätze… Genug der Worte!

    Artikel: Die Gabe der Dankbarkeit

  • Elfriede Harth sagt:

    Liebe Anne, warum wohl Re-ligion Beziehung bzw Rückbindung bedeutet? Wie kamen wohl unsere Vorfahr:innen darauf? Warum sind "Re-ligio", "Beziehung", "Bindung" alles weibliche Worte? Warum sprichst Du von "die Körperin" aber von "der Verstand" (und warum ist dieser Begriff in romanischen Sprachen weiblich: "die ratio", "la razón"? Warum heißt es "die Seele" und "die Spiritualität" - und "die Transzendenz" (und was ist das?) Welchen Zusammenhang gibt es zwischen "danken" und "Gedanken" - ("think" and "thank")? Ist Sprache nicht eine wunderbare Allemende, die niemandem gehört, wir alle gemeinsam geerbt haben, vererben werden, weiterentwickeln und die uns miteinander verbindet? Ist es nicht eine faszinierende Form der Transzendenz und der Re-ligio, die uns Zugehörigkeit ermöglicht und Identität stiftet? Frohe Weihnachten!

    Artikel: Die Gabe der Dankbarkeit

  • Antje Schrupp sagt:

    Danke, Bettina, für die Hintergründe. Das ist ja sehr interessant!

    Artikel: Von der Degradierung der Göttin zur Gewalt an Frauen

  • Marani Margarete Monheim sagt:

    Danke Dorothee für diese kluge und erschreckende Analyse. Auch ich habe nie realisiert, was für einen furchtbaren Text das das Lied hat. Die lieben, soften Beatles. Krass!!! Auch ich habe in unserem 100 Seelen Dorf in der Eifel erlebt, wie ein Mann seine Frau und den Säugling erschlagen hat, weil sie weg wollte. Und dann eingemauert im Keller und als vermißt gemeldet. Total krude. Das hat mich jahrelang verstört. Was ist das nur für ein weiter, weiter Weg raus aus diesen Gewaltstrukturen!

    Artikel: Das Ende von "Little Girl"

  • Starosczyk sagt:

    Und ich hocke immer noch hier.. ks

    Artikel: 13 Machtworte von weisen Frauen

  • Jutta Pivecka sagt:

    Nur ganz kurz zur Erklärung, die Vereinfachung und falsche Pauschalisierung bezieht sich hier konkret auf die „konstruktivistische“ Pädagogik und die Didaktik, die seit ca. 3 Dekaden in der Lehrkräfteausbildung dominiert und von sich selbst als „links“ verstehenden Professoren und Professorinnen durchgesetzt wurde.

    Artikel: Weniger ist mehr – eine gute Idee für die Schulen?!

  • Anne Newball Duke sagt:

    Da hast du total recht, Antje. Ich denke, ich springe einfach auf, wenn pauschal von "linker" Ideologie gesprochen wird, das mag ich einfach nicht. Alles was ich unter "links" verstehe, gibt es m.E. an vielen Grundschulen und Gymnasien (letztere bürgerlich-kleinstädtisch, richtig ;) viel zu wenig. Ach ja, aber Schule ist insgesamt viel zu wenig darauf ausgerichtet, wie ein gutes Leben für alle mit allen gemeinsam funktionieren könnte. Das ist für mich links. Die "Schuld"-Frage finde ich komplex. Für mich ist klar, dass wenn eine junge Person mit multiplem, viel schwierigerem Start ins Leben (geflüchtet, lieblose Erziehung, missbraucht, gemobbt usw.), auch sehr viel mehr Probleme haben wird, sich auf das rein "Schulische" zu konzentrieren. All diese Symptome kommen ja von irgendwoher. In der Klasse meiner Tochter im Grundschulalter geht es teils derart abgefahren ab... diese Zustände und Umgänge zwischen den Kindern kenne ich in dieser Dimension einfach gar nicht aus meiner Kindheit. Ich weiß wirklich nicht, wer da Schuld hat... oder ob das überhaupt die richtige Frage ist. Ich habe einfach das Gefühl, dass das Leben, der Alltag, das ganze Mental Load usw., für viele Menschen zuviel und zu komplexe Strukturen angenommen hat. Würde man das alles auf sich nehmen - die "Schuld" sozusagen, dann bräche man zusammen. (Selbst wenn man sich aus den Strukturen etwas befreien und entwickeln wollte, bräuchte es wieder multiple Coaching-Angebote... Worauf kann ich verzichten? Was ist notwendig? Es ist schwer für eine Person, das zu entscheiden.) Gesellschaft im Spätkapitalismus ist einfach belastend, hehe. Vielleicht ist es wie mit dem ökologischen Fußabdruck. Diese ganze Individualisierung tut so, als hätte es die einzelne Person in der Hand. Und ist dann auch Schuld am Klimakollaps. Ich weiß nicht... "Wer hat Schuld?" ist insgesamt keine sehr produktive Frage. Oder? Die Stimmung im Land kommt ja nicht aus dem Nirgendwo. Und die Leute sind auch nicht alle blöd oder unfähig geworden oder können nicht mehr mit Verantwortung umgehen. Nur... Verantwortung für was? Wie weit? Das ist alles entweder sehr klein zu verstehen oder sehr sehr weit. Und das wird dir freigestellt, wo du dich da verorten willst. Schon wieder eine Entscheidung zu fällen. Ich glaube, wir würden alle gern unser Bestes geben. Ich habe gerade den Faden verloren, aber ich versuche ja auch immer noch, diese Serie in mir zu verhaken. Ich weiß, ich darf es auch lassen, hihi. ;) Ich verstehe auch deinen letzten Punkt total, Antje, und bin da auch komplett bei euch. Wirklich. Ich halte das 5-Fächer-Modell nur für keine Lösung. Das Kennen-und Liebenlernen von Kunst oder Musik kann lebenserhaltend sein. Und ich fände es wirklich ein Armutszeugnis, wenn mann sagen würde, "ja wir müssen uns jetzt hier einfach beschränken, weil sonst können sie es gar nicht schaffen in dieser Gesellschaft". Was wissen wir denn, was jungen Leuten fehlt, die schwer lesen und schreiben und rechnen lernen können? Vielleicht fehlt ihnen genau das: Kunst und Musik. Andere Zugänge als das rein rationale Herangehen. Ich könnte ewig weiterschreiben und zu keinem Punkt mehr kommen, hehe. Daher Punkt jetzt erstmal.

    Artikel: Weniger ist mehr – eine gute Idee für die Schulen?!

  • Elfriede Harth sagt:

    Liebe Juliane, liebe Ulrike, das ist hier ein sehr spannedes Thema. Es geht um Selbstbestimmung vs Fremdbestimmung/Kontrollbedürfnis, um Verantwortung, um Vertrauen, um einen Haufen Dinge. - Mikromanagment ist sehr oft etwas Schreckliches, wenn jemand Aufgaben erledigen muss/soll/will, die eine bestimmte Komplexität überschreiten. Wo jemand eben ein Wissen und eine Erfahrung hat, die es ermöglichen in bestimmten Situationen einfach die bessere Entscheidung zu treffen. Warum Teamarbeit? Weil jedes Mitglied eben etwas Bestimmtes besser/effizienter kann, als die anderen und es daher Verschwendung ist, das nicht sie das erledigt. Weil dann die Summe der einzelnen Beiträge für das Ziel des Teams eben nicht eine einfache Summe ergibt, sondern eine Multiplikation. In solchen Kontexten sind Hierarchien oft ein schlimmes Übel. Es ist weiterhin ein spannendes Thema, weil auch im Alltag - nicht nur in einer Firma - sich manches rationalisieren läßt. Ein großes Thema ist da die liebe Ordnung, Wenn ich einen Hausschlüssel systematisch an einem bestimmten Ort ablege, verschwende ich dann keine kostbare Zeiet (und Nerven), ihn überall suchen zu müssen. (Ordentliche Leute sind nur zu faul zum suchen, heißt es!) - Aber es ist auch so, dass Prävention (z.B. was Gesundheit angeht) - ebenfalls Arbeit reduzieren kann. Wenn wir den Klimaschutz ernst nehmen würden, dann könnten allerlei Krankheiten verhindert werden (die z.B durch Hitze verursacht werden). Wenn Erwerbsarbeitszeit verkürzt werden würde, würden sich viele Menschen weniger durch (unbezahlt) zu erledigende, einfach notwendige Sorgearbeit nicht überfordert fühlen und dann ggf einen Burnout bekommen, was allerlei gesellschaftliche wie menschliche Kosten nach sich zieht. Ja, Zeit wird ein immer wichtigeres Thema in unserer Gesellschaft. Es geht schließlich um unsere Lebenszeit. Und der Kapitalismus ist gierig danach, weil er nur durch die Ausbeutung dieser Lebenszeit weiter wachsen kann. Wir haben im Netzwerk Care Revolution eine "Arbeitsgruppe Zeitsouveränität" gegründet und eine kleine Broschüre dazu verfasst, die kostenlos heruntergeladen werden kann: https://care-revolution.org/wp-content/uploads/2024/10/AG-Zeitsouveraenitaet-Zeitsouveraenitaet-fuer-alle.pdf.

    Artikel: Arbeit, die nicht unbedingt nötig ist, ist ein Stressfaktor

  • Antje Schrupp sagt:

    @Anne und @Jutta - ich glaube, ihr habt beide recht, schreibt aber aus unterschiedlichen Milieus. Bei deiner Replik, Anne, habe ich ein bürgerlich-kleinstädtisches Gymnasium vor Augen, in dem es keine Frage ist, ob die "Grundkenntnisse" in Lesen, Schreiben und Rechnen vorhanden sind. Weil die Reichen schon dafür sorgen, dass "ihre" Kinder hier auf ein Mindestniveau kommen. Oder wie viele Schüler:innen sind in der Klasse deiner Tochter, die wirklich nicht lesen und schreiben können? Würdest du es das tatsächlich hinnehmen? Das ist ja etwas ganz anderes, als im Mathe-Abitur Null Punkte zu haben. Im Mathe-Abitur geht es um höhere Mathematik, ohne die man im Alltag tatsächlich gut durchkommt. Man braucht keine Sinuskurven oder Vektorgrafen im Leben, aber Multiplizieren und Dividieren eben schon. Ob es allerdings gerade die "Linken" sind, die das zu verantworten haben, weiß ich auch nicht, ich glaube ja, dass es eine ungute Mischung aus "links" und "rechts" ist, die hier verantwortlich ist. Beziehungsweise sich aus der Verantwortung stiehlt. Neulich habe ich irgendwo gelesen (Quelle vergessen), dass Psychotherapeuten über einen Trend klagen, dass immer mehr Leute ihre Eltern für ihre Probleme verantwortlich machen. Ich würde über das alles sozusagen ein Haupt-Problem identifizieren, und das bedeutet, dass immer irgendjemand anderes verantwortlich ist für das, was schief läuft, nur nicht ich. Die Schule ist schuld, wenn ich nichts lerne, die Eltern sind schuld, wenn ich depressiv bin oder ADHS habe, die Ampel ist schuld, wenn mir irgend was nicht gefällt, die Grünen sind sowieso immer schuld, die Bürokratie ist schuld, wenn meine Firma nicht läuft usw. Das ist so eine generelle Stimmung im Land, aber tatsächlich bezahlen den hauptsächlich Preis dafür die unterprivilegierten Jugendlichen, die Jutta an der Berufsschule hat. Die werden nämlich irgendwann merken, dass niemand für sie sorgt, wenn sie es selbst nicht tun. Und dafür brauchen sie Kompetenzen und Kenntnisse.

    Artikel: Weniger ist mehr – eine gute Idee für die Schulen?!

  • Sabine Harder sagt:

    Frau Sonja Plonus verstarb leider am 21.09.2024 mit 99 Jahren. Die Beisetzung war am 24.10.2024 auf dem Friedhof Pankow III am Bürgerpark. Am 05. Mai 2025 hätte sie ihren 100. Geburtstag gefeiert.

    Artikel: Die zerbrechliche Härte des Alters

  • Anne Newball Duke sagt:

    Liebe Maria, vielen Dank für den Aufrüttler, das ist bisher noch an mir vorbeigegangen. Ich habe das ungute Gefühl - dass das Buschmann'sche Argument von der gesellschaftlichen Entwicklung usw. usf. nur kaschierend vorgeschoben ist, also er das selber auch nicht glaubt oder so. Ohne Näheres zu wissen, klingt das wieder nach dieser gut vernetzten Väter-Lobby... irgendwann hatten wir mal das Thema, dass der Feminismus gerade an diesen wichtigen juristischen Stellschrauben der Gesellschaft momentan nicht präsent ist. Weiß da eine* mehr?

    Artikel: Symbolpolitik

  • Anne Newball Duke sagt:

    ... und wie kommt eigentlich das alte patriarchale Narrativ wieder in die Gänge, dass Frauen "persönlich" und "privat" schreiben und deren Ergüsse deswegen natürlich irrelevant für das Verstehen von Welt sind? Ist dieses ganze dem Wirbel ganz natürlich zugrundelgelegte literaturwissenschaftliche Ge-Othere, und das Ge-Othere von Schriftsteller*innenseite und von Journalist*innenseite (Frauen am Herd schreiben halt nur über den Herd, seufz, und wer nicht über den Herd hinausschaut/hinausschauen kann, kann auch keine gute Literatur schreiben; bedeutet ähm also also Literatur vom Herd aus - wo Frauen* sich halt nun einfach immer immer befinden, und zwar ähm auch wenn sie nicht am Herd stehen und also äh sozusagen also auch nicht vom Herd aus schreiben!! - ist trotzdem und sowieso NIENIENIE gute relevante Literatur. Also Kurzfassung: Frauen können in keinem Falle jemals ever weltrelevante Literatur schreiben, und Punkt!! Was aber wiederum lediglich bedeutet, dass wenn Männer vom Herd aus schreiben, dann ist das relevant!! Und auch wenn sie 1000de Seiten nur über den Herd schreiben und gar nicht drüber hinwegschauen, dann auch! Pure Relevanz!!! Natürlich!! Weil irgendwer muss es ja tun! Oder? Ja klar! Und wer kann das besser und weltrelevanter tun als ein Mann? The Gaze of the man, getunkt in Whiteness all over his Personal Private Body! Genau! Eben! Whiteness all over the place! Es reicht für alle "Demütigung"- und "Wuttutgut"-Schreier*innen! Es reicht immer noch so so weit, es ist zum Schreien...) ... Übergang von Klammer in die Nicht-Klammer und wir sind inhaltlich angekommen vor der Klammer... ist also dieses alte Deutungshoheits-Narrativ vom "weiblichen Schreiben" als inferior wirklich so einfach aus den Gräbern herauszubuddeln oder war es nie weg?

    Artikel: Keine Literaturkritik

  • Anne Newball Duke sagt:

    Ja ich glaube, nun können wir hier hin- und herschreiben ohne Ende, hehe. Vielleicht ist es immer eine Frage, worauf man sein Augenmerk richtet, oder? "Linke" Ideologien? Ich glaube das ganz und gar nicht. Schule wird immer noch oft als ein vorrangig "apolitischer" Ort (ohne es natürlich zu sein) konstituiert. Im Geografieunterricht meiner Tochter wird noch immer ganz ohne Scham und irgendein Verständnis von "Less developed Countries" gesprochen, mit all den daraus folgenden "Must-Learnings": um eine gute Note zu bekommen, muss sie diesen schmerzhaften Blödsinn reproduzieren. (und hat draus resultierend keinen Bock mehr auf das Fach) In Fächern wie Ethik und Sozialkunde langweilt sie sich tot, weil die Fächer uninspirierend und fantasielos aufgebaut sind und keine Anreize zu weiterem Nachdenken geben. Hier werden nur gewohnte Gleise betreten; und rein gar nichts, was man braucht für eine Welt im fundamentalen Wandel. Hier werden immer noch die falschen, tödlichen Narrative zementiert und tradiert. Wir hatten jetzt gerade erst eine Diskussion am Wochenende: eine Freundin erzählte, dass sie null Punkte im Mathe-Abi hatte, und zwar zuvor ausgerechnet und wissentlich. Daraufhin gab es einige geschockte Gesichter in der Runde und die Versuche, sie zu überzeugen, dass sie wirklich ein einfacheres Leben hätte mit Mathekenntnissen. Sie wiederholte nur immer, sie sei jetzt weit über 40 und sie sei sehr gut durch das Leben gekommen ohne Mathe. Ich fand das von der anderen Seite ziemlich übergriffig und von oben herab, ihr klarmachen zu wollen, dass ihr Leben mit Mathekenntnissen besser wäre. Ich mache hier kein Plädoyer für das Akzeptieren von Dyskalkulie usw. usf. Aber sie teilt etwas Persönliches, und man könnte hier von IHR lernen und ihr zuhören, denn hier hat garantiert SIE mehr zu erzählen. Stattdessen gibt es keine einzige kleine hermeneutische Sekunde (siehe Text von Caroline vor kurzem), und das eigene "ich-weiß-es-aber-besser" wird ihr übergestülpt. Wir haben den Bogen noch gekriegt, keine Angst, wir haben uns immer noch alle lieb, hehe, aber mit einem echten Mehr ist dann gefühlt niemand rausgegangen. Jetzt springe ich nochmal in Gedanken - die Welt braucht momentan meines Erachtens sehr viel mehr Kunst als Mathe, um zurück in die planetaren Grenzen zu kommen. Ich sage das so ganz provokativ, und bald folgt zum Kunst-Teil ein Artikel. Ich denke nicht, dass Schule überfordert ist, weil Kunst und Musik darin existiert. Wenn es diese Fächer nicht mehr gibt, werden wir als Gesellschaft noch ärmer und dümmer und orientierungsloser und weltloser. Wir werden noch weniger wissen, wie ein gutes Leben funktioniert. Die Fächer, die du wichtig findest, fördern übrigens lediglich den Status Quo, und bereitet die Kinder gut vor für ein Leben im fantasielosen Kapitalismus. Es müsste neue Fächer und neue Lehr-Methoden geben, die dem Individualismus entgegenwirken, die den Kindern nicht ihre angeborenen Neigungen abtrainiert, sich als Teil dieser Welt und ihres Verbundes zu verstehen. Die ihnen nicht sagt, du allein musst stark und klug für ich ganz allein sein, dann schaffst du es in dieser Welt. Wir wollen soziale Wesen, und Wesen, die um ihre Verwobenheit in Ökologien wissen, aber was in der Schule immer noch beigebracht wird, ist: jede/r kämpft für sich allein. Oder was machen wir dann gemeinsam? Was steht momentan an den Türen des Gymnasiums meiner Tochter: "Wir sammeln Geld für arme Kinder in Ecuador." Ich weiß nicht... ist das Stand Oktober 2024? Bringen wir so den Kindern und Jugendlichen bei, sich in Beziehung zu anderen Menschen auf der Welt zu setzen: über weiterhin koloniale Hierarchien, Strukturen etcpp.? Ich möchte kotzen, wirklich. Oder sanfter ausgedrückt: Ich würde mir wünschen, wir wären weiter. Ich finde es auch gut, wenn Kinder sich darauf konzentrieren können, was sie gut können, ohne das andere deswegen ganz zu lassen. Sonst ist Leistung/ dem Folgen des Begehrens in einzelnen Bereichen, für die sie brennen, nicht möglich. Das einzige - glaube ich, wo ich mit dir übereinstimme, ist, dass Kinder heute nicht mehr ordentlich lesen und schreiben lernen; das ist aber eine Frage der Grundschule und wie die Zeit davor gestaltet wird, in der KiTa usw. Ich glaube, es ist eine Frage der Methode. Und wie zum Beispiel Kinder mit Migrationsgeschichte gut Deutsch lernen, darüber muss viel mehr geforscht werden und innovative Ideen viel mehr in den Unterricht integriert werden, es bräuchte mehr Lehrkräfte in einer Klasse usw. usf. Liebe Jutta, nichts für ungut, wir sind hier einfach auf sehr unterschiedlichen Wellen unterwegs. Ich danke dir von Herzen für den Austausch. :)

    Artikel: Weniger ist mehr – eine gute Idee für die Schulen?!

  • Claudia sagt:

    Ich übernehme hier einfach mal den Part und schwärme von Martina Hefter Roman "Hey guten Morgen, wie geht es dir?". Er ist in jeder Hinsicht großartig. Sprachlich faszinierend, der strukturelle Aufbau ist sehr dynamisch und die Themen sind wunderbar miteinander verwebt. Übrigens bewegt er sich nicht nur im persönlichen Raum, im Gegenteil, es fließen auch sehr globale Themen ein. Der Roman schaut über die persönliche Perspektive in die Welt und das gelingt ihm gut. Absolut lesenswert. Ich habe mich sehr darüber gefreut, als ich hörte, dass sie den Preis gewinnt, weil ich mich so in dieses Buch verliebt habe.

    Artikel: Keine Literaturkritik

  • Juliane Brumberg sagt:

    So einen Artikel würde ich mir mal in einem der "großen deutschen Feuilletons" wünschen! Toll, Maria!

    Artikel: Keine Literaturkritik

  • Uta sagt:

    Ein differenzierter, richtig guter Text zu einer inspirierenden Kunstaktion, die hoffentlich viele Nachahmer*innen findet. Herzlichen Dank Uta

    Artikel: „Bett_überFluss“ für Zeit im Überfluss

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