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Rubrik Blitzlicht

Player und Nicht-Player

Von Antje Schrupp

Foto von William Warby auf Unsplash

Kennt Ihr die Abkürzung „NPC“? Die Buchstaben stehen für „nonplayer character“ und meinen in Computerspielen solche Figuren, hinter denen keine Mitspieler*innen stehen, die also nicht denken und handeln, sondern einfach vorgegebenen Pfaden folgen. Sie stellen gewissermaßen nur die Umgebung oder die Dekoration dar für das Spiel der eigentlichen „Player“. An und für sich ist das eine ganz harmlose Sache, aber seit einiger Zeit wird der Begriff „NPC“ auch in der politischen Welt benutzt. Zum Beispiel von Elon Musk, der alle so nennt, die er nicht ernst nimmt, oder von Rechtsextremen in den USA, die so Menschen verächtlich machen, die sich Donald Trumps Agenda widersetzen.

Politische Beobachterinnen weisen mit Besorgnis auf diesen Trend hin, zu Recht natürlich, weil er die Entmenschlichung befördert: Leute, die gar nicht wirklich „mitspielen“, kann man nicht wirklich verletzen oder töten. Man muss auf sie keine Rücksicht nehmen.

Mir kam aber in dem Zusammenhang noch ein anderer Gedanke, nämlich dass der Begriff „NPC“ vielleicht verstehen hilft, warum Männer sich so wenig für das Denken und Handeln von Frauen interessieren. Das war auch hier im Forum schon Thema, zum Beispiel hat Ina Praetorius gefragt, warum sie kaum feministische Bücher lesen. Ich habe kürzlich an anderer Stelle darüber geschrieben, warum der Frauenfriedenskongress von 1915 so wenig Wirkung hatte, obwohl die erarbeiteten Vorschläge so wichtig gewesen wären (und bis heute aktuell).

Die Merkwürdige ist ja, dass nicht nur patriarchale oder antifeministische Männer, sondern gerade auch solche, die sich selbst für Feministen halten, am Handeln von Frauen so desinteressiert sind. Und vielleicht ist die Erklärung, dass sie uns auf einer nicht bewussten Ebene für NPCs halten. Immerhin hat die männliche symbolische Ordnung ja so funktioniert, dass Frauen als Leute galten, die zwar von allem Möglichen „betroffen“ sind, aber nicht selbst mitspielen. Bei denen es nicht auf ihre eigenen Wünsche, ihre eigenen Entscheidungen, ihre eigenen Projekte ankommt, sondern nur auf die Strukturen, in denen sie leben.

Wenn das stimmt, dann würde es für eine Politik der Frauen nicht genügen, etwas zu tun, sondern wir müssten erst einmal ins Bewusstsein rufen/klar machen, dass wir keine NPCs sind. Sondern wirklich mitspielen. Was meint Ihr? Wie könnte das gehen?

(Kommentieren möglich unter diesem Link)

Autorin: Antje Schrupp
Eingestellt am: 23.03.2025
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Kommentare zu diesem Beitrag

  • Anne Newball Duke sagt:

    Liebe Antje,
    vielen dank für den spannenden Gedanken! Ich habe vor ein paar Wochen den Film “Ein Tag ohne Frauen” über den isländischen Frauenstreik 1975 gesehen. Der kommt mir bei deiner Frage spontan in den Sinn, denn hier haben die Frauen mega eindrucksvoll klargemacht, dass diese Welt nicht einen Tag ohne sie funktioniert, also von wegen NPCs!!
    Also ist mein Vorschlag ;): so eine Art Streik kommt am besten weltweit zustande, bevor die zur Gewaltausübung fähigen Institutionen wirklich befähigt werden, große Teile der Bevölkerung unter Androhung von Gewalt welcher Art auch immer zum vorläufigen Verstummen zu bringen.

    Ansonsten bin ich gerade mit “Lost”-Schauen fertig. Den ganzen toxischen Männlichkeiten in 6 Staffeln beim Schmelzen zuzuschauen, wie sich das Ego zugunsten von Loslassen und Liebe auflöst, ist schon cool. Oder in “Barbie”: wie Ken schluchzend am Ende sagt, nachdem die Barbies wieder die Macht in Barbieland übernommen haben: es war schon anstrengend, all die Macht, das hat gar keinen Spaß gemacht, der Obermacker zu sein (meine Worte jetzt). Es hilft vielleicht nicht so viel, toxische Maskulinität nur auf der theoretischen Ebene abzutasten und bis ins kleinste Detail auszuforschen, zu theoretisieren und dann kluge Vorträge darüber zu halten. Das Wichtigste wäre, dass die Männer ins Gefühl kommen und loslassen lernen, und wie gut sich das anfühlt, und wie gut und schön das Leben dann sein kann. Wie machen wir die Männer locker??
    Also ich schlage vor: Frauen*streik, verbunden mit dem Zwang für die Männer*, sich in verschiedenste Therapieformen zu begeben. Wo sie ihre Körper spüren lernen. Wo sie lernen, ihr Ego loszulassen. Mir egal, welche Therapieform. Kunst, Singen, Schamanismus, Embodiment-Geschichten jeglicher Art… und wichtig daran: das nicht als Hobby!!! Aus diesen Erfahrungen heraus MÜSSEN sie sodann Politik betreiben. Das ist nämlich das Problem dieser “selbsternannten” Feministen, von denen du oben schreibst: dass sie nur theoretisch dabei sind, aber es nicht verkörperlicht haben. Dass sie weiterhin das gute Leben im falschen Leben für das bestmögliche halten. Ihre Analyse geht nie tief genug. Nie tief genug in die Körper hinein.

    Das Ding daran wäre ja: sdie Männer* müssten sich gar nicht viel verändern (ich glaube, das ist immer die größte Angst der Männer: omg, wir müssen ganz Andere werden, ein ganz neuer Mensch werden! nein, eben nicht!): sie müssen nur tiefer gehen und sich befähigen, ernsthafte, also beständige/nachhaltige und liebevolle Beziehungsweisen aufzubauen.

    Verbunden mit dem Streik, den ich im Kopf habe ;), fordern Frauen* des Weiteren, dass Erziehung sich ändert, dass Schule anders funktioniert. Dass Gefühle und Emotionen nicht vom Verstand, von der Ratio, abgetrennt werden in einem langwierigen Erziehungsprozess usw. usf. Oh, da habe ich noch viele weitere Vorschläge, aber lassen wir das vorerst, hehe.

    Ich mochte an dem isländischen Frauenstreik vor allem das Lahmlegen, den Stillstand für einen Tag. Der ja bei genauerem Hinsehen kein Stillstand war, denn die Kinder heulten und spielten dann in den Büros der Männer, und die Männer schafften es nicht mal, ihren Kindern ein unverkohltes Wiener Würstchen als Mittagessen zu kredenzen. Ich denke, so aufgewühlt waren sie noch nie in ihrem Leben, so NPC haben sie sich noch nie gefühlt, wegen all ihrer Unfähigkeiten, mit denen sie sich plötzlich sicher sehr ohnmächtig und nicht überlebensfähig fühlten. Ich mag diese Vorstellung, dass ein Streik eine solche existenzielle Verunsicherung auslöst.
    In politischer Umsetzung bekam dann in Island die Gleichberechtigung Riesenschübe. Weil das das war, was die Frauen wollten. Was wollen wir heute? Wir brauchen ein Ziel. Das gute Leben innerhalb der planetaren Grenzen. Welche menschlichen Fähigkeiten und Begabungen in welchen Tätigkeiten brauchen wir dafür? Ich bin der Meinung, wir brauchen dafür den Mann*, der* sich und seine vielfältigen Emotionen und Begehren in Sprache bringen kann. Diesen Mann erstreiken wir uns. :)
    Nicht mehr und nicht weniger. :) Sry, liebe Antje, ich kann anscheinend immer nur mit großen utopischen Antworten dienen, bei denen der Prozess viele Generationen oder gar Jahrtausende andauern wird, hehehehe. ;)

    Aber ein weltweiter Generalstreik? Das wäre doch was, ganz bescheiden für den Anfang, oder? :)

  • Elmerin sagt:

    Wir hatten in der Schweiz 1991 einen landesweiten Frauenstreik. Das war grandios. Heute wäre ein landesweiter Konsum- und Steuerstreik mit dem Ziel den Kapitalismus abzuschaffen wirkungsvoller. Um Männer mag ich mich nicht kümmern und solange Feministinnen einen Krieg der EU und die Nato unterstützen bleibe ich lieber NPC!

  • Fidi Bogdahn sagt:

    “Wie machen wir die Männer locker?“ fragst du, Anne.
    und gibst „dem Prozess viele Generationen oder gar Jahrtausende“.
    Ich glaube, dazu wird es vorher ´einen neuen Himmel und eine neue Erde` brauchen;
    und das wird dann nicht mehr unsere sein.
    Also beantworte ich Antjes Frage lieber zeitlos
    (d.h. auch ohne den Konjunktiv aus der Frage, wie es gehen könnte):
    …im BewusstSein leben und nur da mitspielen…

  • Barbara Lansen sagt:

    Liebe Frauen,
    einen Streik fände ich wunderbar – evtl. sogar so, dass wir unsere Kinder und Enkel den Männern in die Hände drücken (so wie schon Anne oben erwähnt), vor allem den Kriegswütigen und -unterstützern.
    Desweiteren müssen wir uns mit unseren Müttern, Großmüttern etc. beschäftigen (inwieweit waren sie NPC`s in Vorkriegs, Kriegs und Nachkriegszeiten!) und den daraus resultierenden Prägungen. Erst wenn wir diese verstanden und durchgefühlt haben (ja, auch wir haben hierin schwierig zu bewältigende Gefühle) , können wir neue Verhaltensmuster einüben und an nachfolgende Mädchen und Frauen weitergeben.
    Ich finde dieses Blitzlicht spannend und sehr wichtig.

  • Juliane sagt:

    Wie könnte das gehen, dem Patriarchat ins Bewusstsein zu rufen, dass wir keine NPCs, fragst Du, Antje. Dein Blitzlicht beschäftigt mich sehr. Ich vermute, ein Teil des Problems ist, dass viele Frauen, die eine Führungsposition errungen haben, vehement abstreiten würden, ein NPC zu sein. Um so wichtiger, diese Problematik auf verschiedenste Weise aufzuzeigen, wie es Dir mit dem Beispiel der NPCs wirklich gut gelungen ist.

  • Dorothee Markert sagt:

    Dein Blitzlicht, liebe Antje, hat mich voll erwischt in einer Situation, in der ich voll ohnmächtiger Wut war, weil das, was eine Gruppe engagierter Angehöriger von Bewohner:innen einer PflegeWG sich für ihre Verwandten wünschte und in vielen Sitzungen erarbeitet hatte, von denen, die letztlich das Sagen hatten – eine Bürgermeisterin und der Gemeinderat – einfach komplett ignoriert wurde. Dieses Gefühl, als potentielle Mitspielerin einfach nicht zu zählen, ist so scheußlich, dass ich gut verstehen kann, wenn Frauen, mich eingeschlossen, ein Leben lang alles tun, um diese Wahrheit nicht an sich heranlassen zu müssen. Bevor ich also über deine Frage nachdenken kann, was wir tun könnten, um zu vermitteln, “dass wir doch mitspielen” (???), möchte ich deinen Verdacht, dass wir Frauen aus Sicht der meisten Männer (und vielleicht auch aus der Sicht von Frauen, die in Positionen sind, in denen sie meinen, doch zu zählen), NPCs seien, erst mal ankommen lassen. Dazu fällt mir beispielsweise ein, wie überrascht ich war, als bei meiner Untersuchung 1995, an welche Personen aus Büchern sich Schülerinnen bzw. Schüler erinnerten, herauskam, dass Jungen sich fast nicht an weibliche Personen erinnerten, Mädchen jedoch an weibliche und männliche gleichermaßen. Oder ich denke an Erfahrungen und Beobachtungen mit mansplaining, das man auch als Folge dessen sehen kann, dass Männer oft keine Ahnung haben, was ihr weibliches Gegenüber so drauf hat, weil sie sich null dafür interessieren. Und ich denke, dass der auf Jungen früh ausgeübte Zwang, um “Männer” zu werden, alles weiträumig umgehen zu müssen, was mit Weiblichkeit in Verbindung gebracht werden könnte, bei erwachsenen Männern einfach so tief sitzt, dass sie vielleicht gar keinen Zugriff darauf haben. Und schmerzlich fällt mir der leere Blick meines Gegenübers ein, wenn ich von etwas erzählen will, das in der Welt, in der die Players leben, nicht relevant ist, irgendwas aus meinem Care-Arbeits-Leben beispielsweise. Irgendwo in einem frühen Text italienischer Differenzphilosophinnen meine ich gelesen zu haben, dass wir in tiefste Depression fallen würden, wenn wir wirklich an uns heranlassen würden, wie wenig wir wirklich zählen. (Leider finde ich die Stelle gerade nicht). 2002 kam dann ein Buch von “Diotima” heraus mit dem Titel “Approfittare dell’assenza” (Frei übersetzt: Profitieren vom Nichtvorhandensein). Das werde ich jetzt erst nochmal lesen …

  • Anne Newball Duke sagt:

    Oh, das möchte ich auch lesen! Oh, nur in italienisch, oder? :(
    Danke für die vielen Gedankensplitter, liebe Dorothee!

  • Jutta Pivecka sagt:

    Liebe Antje, es fiel uns nicht schwer, als wir bei letzten Redaktionstreffen darüber sprachen, ganz viele Beispiele für diese Beobachtung zu finden. Viel schwerer war es, auf deine Schlussfrage eine Antwort zu finden. Ich dachte spontan an “Leichtes Gepäck” von Chiara Zamboni (in “Macht und Politik sind nicht dasselbe; Ulrike Helmer Verlag) und ihre Kritik an Michel Foucault. Die Konzentration auf das Macht-Spiel führt eben zum Ausschluss weiblichen Begehrens, dazu, dass Frauen “Non Player” sind. Wir können aber nicht so tun, als finde dieses Spiel nicht statt bzw. habe keinen Einfluss auf unser Leben. “Es ist so”, schreibt Zamboni, “als würde auf einem Schachbrett gleichzeitig Schach und Dame gespielt.” So ist es. Während wir also das Schachspiel nicht ignorieren können, um im Bild zu bleiben, müssen wir dafür sorgen, dass “die anderen” das “Dame-Spiel” auch nicht länger komplett ignorieren können. D.h. wir müssen Irritationen erzeugen, das fällt uns schwer, weil wir geschult sind, nicht zu irritieren, uns immer zu erklären. Wir müssen den “Non Player” – Status dieser Leute (vulgo: Männer mit Macht) im “Dame-Spiel” gelegentlich unangenehm fühlbar machen, indem wir uns nicht erklären und nicht rechtfertigen, sondern was machen, einfach so, weil wir es wollen. Oder auch, oft viel schwerer, was lassen, was gerade NICHT machen. Einfach so. Zum Beispiel Sachen, die Voraussetzung dafür sind, dass das “Schachspiel” läuft. “Streik” kann eine Antwort sein. Aber auch unterhalb der organisierten Verweigerung gibt es viele Möglichkeiten, Irritationen zu produzieren. Unabhängig davon wollen und müssen wir natürlich unser “Spiel” weiterspielen, vorantreiben, in dem es auch “Non Player” gibt, vollkommen zu Recht, nämlich all die Macht-Player, die im anderen Spiel so dominant sind. Wir hören sie nicht, weil sie nichts für uns Interessantes zu sagen haben. Um es in ein Beispiel zu übersetzen: Wir müssen z.B. vollkommen damit aufhören, einem Player wie Donald Trump zuzuhören oder auf seine Aussagen zu reagieren. Uns geht nur an, ob etwas, was er TUT, unseren Widerstand hervorruft. Dann müssen wir ins HANDELN kommen, aber nicht in einen Diskurs. Wir dürfen uns auch nicht dauernd sinnlos für die “Diskurshoheit” verkämpfen. Für mich ist das eine der wichtigsten Erkenntnisse: Wir müssen uns von diesem romantischen Sprachmagie-Glauben lösen, der uns weis machen will, dass man die Welt vor allem durch Text verändert.

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