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Biografische Notizen von Gioconda Belli

Von Adelheid Ohlig

Gioconda Belli, 1948 in Nicaragua geboren, verwebt in ihren Werken das Politische mit dem Privaten. In ihren biographischen Notizen – als solche lese ich dieses neue Buch – geht sie wiederum von ihrem Leben als Frau aus. Streckt sich mit ihrem Schreiben ins Gesellschaftliche hinein.  Das macht sie nahbar, das führt zum eigenen Nacherleben.

Ihr Furor wird deutlich im «offenen Brief an jemand, der die Meinung vertritt, provokative weibliche Kleidung bringe Frauen in Gefahr. Leicht ironisch beginnt sie: «Geschätzter besorgter Herr». Sie bringt die Kleidung der Männer ins Spiel, weist auf griechische und Maya Statuen hin. Sie benennt die unterschiedlichen Erziehungsstile bei Jungen und Mädchen. Alles spricht sie leicht und ernst zugleich an: «Die Gesellschaft macht die Frau zum Objekt und reduziert sie auf eine Ansammlung anatomischer Attribute: Brüste, Beine, Hintern und negiert ihre ureigenste Menschlichkeit, die in keinster Weise davon abhängt, wie gut sie mit diesen Attributen ausgestattet ist.» (S. 34) «Es ist jetzt wirklich Zeit, dass Sie, die Männer lernen, sich zivilisiert zu benehmen….Es ist der Machismo, die fehlgeleitete Sexualität, die zu Vergewaltigungen führt, es sind nicht die Miniröcke oder die weibliche Schönheit und Sinnlichkeit.» (S. 35)

Bellis Mutter muss eine für ihre Zeit erstaunlich freie Frau im katholischen Nicaragua gewesen sein. Ihre Einführung in die Sexualität gab Gioconda wohl diese erfrischende Freiheit das Leben in all seiner Sinnlichkeit zu beschreiben. Die sexuelle Begegnung sei «der schönste und intensivste Akt der Kommunikation zwischen Mann und Frau:» (S. 19)

Für Belli ist die Sprache göttlich, denn Sprache kreiert, schöpft. Im Deutschen haben wir ja den schönen Begriff Wortschöpfung. Belli zitiert aus dem Popol Vuh, der Schöpfungsgeschichte der Maya, wo ähnlich wie in der Bibel mit dem Wort, dem Sprechen, der Mensch erscheint.

«Freiheit ist die einzige Umgebung, in der die Worte das schöpferische Instrument sein können, das andere, neue Wirklichkeiten und Träume hervorbringen kann, die uns Menschen in unserer ganzen Menschlichkeit bestätigen und verankern.» (S. 72)

Schreiben, so sagt sie, überführt die nicht verbale Erfahrung in die verbale Gestalt. Sie erlebe dies wie eine Geburt und das fertige Gedicht beispielsweise sei wie ein Kind.

Belli beschreibt Landschaften der Erotik, erläutert das poetische Schaffen, sieht sich im Angesicht des Jahrtausends als Optimistin. Optimismus sei die Waffe der Zukunft: «Unverbesserliche Eva, die ich bin, zögere ich nicht, vom dunklen Baum der Erkenntnis diesen neuen glänzenden, unvorhersehbaren Apfel zu pflücken.» (S.94)

«Als Frau, die von Berufs wegen Phantastin ist, rufe ich dazu auf, die Kraft des Wortes und die Macht der Zusammenarbeit zu nutzen, um politische Konzepte zu ersinnen und voranzutreiben, die die Welt, wie sie ist, in Frage stellen und eine Welt zu schaffen versuchen, wie sie sein sollte.» (S.128) In ihrem Manifest der Partei der erotischen Linken erklärt sie Glückseligkeit, Freiheit, schöpferisches Potential, Würde zum Programm und fordert alle zur Teilnahme auf.

Bellis phantastische Visionen voller Lebenskraft und Saft machen Lust und stärken die Zuversicht, dass wir alle zu einer lebens- und liebenswerten Gesellschaft beitragen können.

Wohlan denn!

Gioconda Belli, Ich bin wie ein weites Land, Peter Hammer Verlag Wuppertal, 2020, 141 Seiten, 20 Euro.

Autorin: Adelheid Ohlig
Redakteurin: Juliane Brumberg
Eingestellt am: 17.11.2024
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