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Rubrik Blitzlicht, denken

Symbolpolitik

Von Maria Coors

Der Justizminister möchte das Unterhaltsrecht reformieren. Knapp gesagt geht es darum, von ihren Kindern getrenntlebende Eltern (meist Väter) finanziell zu entlasten, wenn sie sich auch ein bisschen um Kinder kümmern. Die Entlastung entsteht, indem Kinder weniger Unterhalt bekommen. Die Kritik daran liegt für jede*n, der*die schon einmal im Kontakt mit den Lebensrealitäten von alleinerziehenden Eltern (meist Frauen) war, auf der Hand und ist oft formuliert worden: Das Armutsrisiko von ohnehin durch unsere gesellschaftlichen Verhältnisse vulnerable Menschen – Frauen – (#genderpaygap #genderpensiongap #maternitypenalty #carekrise #partnerschaftsgewalt #mentalload etc.) und Kinder steigt, damit andere – Männer – mehr Geld in ihren statistisch ohnehin größeren Taschen haben.

Was mich daran außerdem beschäftigt ist der Zusammenhang zwischen Regression oder sogar Reaktion und (scheinbarer) Progression, also gesellschaftlichem Rückschritt im Fortschritt. Der Minister argumentiert, dass die Gesellschaft sich weiterentwickelt habe und das Bild des Vaters, der in der Erziehung der Kinder keine Rolle spielt, sondern v.a. für den Unterhalt aufkommt, nicht mehr aktuell sei. Ergo müsse auch das Modell nach Ende einer Paarbeziehung angepasst werden. Statistisch lässt sich tatsächlich eine Verschiebung der Rollenvorstellung und -ausübung über die letzten Jahrzehnten wahrnehmen. Gleichzeitig sind wir (s.o.) noch sehr weit von einer ausgeglichenen Geschlechterbilanz entfernt. Die Reform nimmt also einen gesellschaftlichen Fortschrittsstand an, den es (noch) nicht gibt. Über die Legitimität solcher politischen Mittel ließe sich streiten. An anderer Stelle kann ich dem etwas abgewinnen. Wenn man z.B. Innenstädte so umbaut, als würden sie vor allem von Fußgänger*innen und Radfahrer*innen benützt statt von Autos. Selbst wenn das nicht zutrifft, kann so eine Strukturveränderung dazu führen, dass es so wird.

Im Bezug auf die Unterhaltsreform ist es aber falsch und zwar, weil es hier nur um einen scheinbaren Fortschritt geht. Fortschritt ist nur möglich, wenn die Veränderung auf die symbolische Ordnung zielt – z.B. auf die Ordnung, welches das wichtigste Verkehrsmittel ist. Die Unterhaltsreform lässt die symbolische Ordnung des Patriarchats unangetastet, ja stärkt sie noch. Und gleiches gilt für den scheinbaren Fortschritt der Rollen- und Arbeitsverteilung. Das Zentrum des Interesses und das politische Subjekt bleibt der Mann. Gleichstellungspolitik der letzten Jahre, wie etwa die „Vätermonate“ des Elterngelds, zielten oft darauf ab, Männern die Sorge um ihre Kinder attraktiv zu machen (Komm schon, Mann, du bekommst auch Geld dafür.), nicht der Sorge um die Kinder bessere Bedingungen zu verschaffen. Die Unterhaltsreform zieht diese Linie weiter. Eine Alternative? Ebenfalls lange formuliert. Komm schon, Herr Buschmann, probiers mal mit Mütterlichkeit.

Autorin: Maria Coors
Eingestellt am: 18.10.2024
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