beziehungsweise – weiterdenken

Forum für Philosophie und Politik

Rubrik Blitzlicht

Warum wählen so viele Frauen die AfD?

Von Antje Schrupp

Foto von Bianca Ackermann auf Unsplash

Diese Frage stellte mir eine Interviewerin am Morgen nach den Landtagswahlen in Sachsen und in Thüringen (Link) – und ja, das lässt sich fragen, denn schließlich haben in Thüringen 28 und in Sachsen 26 Prozent der Wählerinnen ihr Kreuzchen bei der AfD gemacht. Allerdings: Das sind 11 bzw 9 Prozentpunkte weniger als bei den Männern. Diese Diskrepanz ist aus politikwissenschaftlicher Perspektive enorm, denn normalerweise gibt es keine großen Geschlechter-Unterschiede im Wahlverhalten. Eine Zeitlang wurde vermutet, die Frauen wären nur zögerlicher bei der Wahl extremer Parteien und würden mit ihrer Zustimmung zur AfD nachziehen, sobald die Partei etablierter wäre. In Thüringen und Sachsen ist die AfD aber inzwischen etabliert, und trotzdem ist der Gender-Gap groß geblieben.

Besonders interessant zu wissen wäre jedoch, wie es bei den jungen Wähler*innen war. Denn die unter 25-Jährigen haben in beiden Bundesländern noch einmal deutlich stärker für die AfD gestimmt als die Gesamtbevölkerung. Leider sind bisher keine Zahlen zum Gender-Gap in dieser Altersgruppe auffindbar (wenn Ihr was findet, lasst es mich bitte wissen). Das wäre aber auch deshalb wichtig, weil in letzter Zeit über einen Trend gesprochen wurde, wonach das Wahlverhalten von Frauen und Männern in der jungen Generation überall auf der Welt auseinanderdriftet – junge Frauen wählen mehr links, junge Männer mehr rechts, von USA bis Südkorea. Die AfD hat diesen Trend aufgegriffen und ihren Wahlkampf auf TikTok speziell an junge Männer gerichtet. Die anderen Parteien sind auf TikTok praktisch nicht existent. Aber rechtsextreme Angriffe auf die Demokratie gehen immer mit patriarchalen, frauenfeindlichen Ideologen einher – ob AfD oder Islamismus oder Putin oder sonstwer. Wer immer sich um die Demokratie sorgt, muss sich deshalb auch mit der Gefahr einer falsch verstandenen Männlichkeit beschäftigen.

Entsprechende Zahlen zu erfassen und zu veröffentlichen wäre dafür ein wichtiger Anfang.

Autorin: Antje Schrupp
Eingestellt am: 02.09.2024

Kommentare zu diesem Beitrag

  • Anne Newball Duke sagt:

    Liebe Antje, vielen Dank für diesen wichtigen Input. Ich würde gern mehr über diese Diskrepanz zwischen jungen Frauen und Männern nachdenken. Weil es auch das Thema berührt, warum es anscheinend in der Erziehung so viel schwerer ist, jungen Männern feministische Werte zu vermitteln, also Werte, die tiefer reichen als nur damit d’accord zu seien, was so der Gleichheitsfeminismus sagt.
    Also ich meine das eher als Frage: Ist es schwerer, einen Jungen zu einem Feministen zu erziehen als ein Mädchen? Braucht es in der Erziehung mehr Anstrengung, einen Jungen zu einem Feministen und zu einer weltoffenen und weltzugewandten Person zu erziehen als ein Mädchen zu einer Feministin und weltzugewandten Person? Ich würde diese Frage jetzt mal provokativ und intuitiv mit “ja” beantworten wollen, ohne das wirklich zu wissen. Denn Mädchen müssen die europatriarchalen Strukturen durchschauen, um in der Hierarchie oben mitspielen zu können. Es ist mehr Kampf und Wissen für sie vonnöten, und dadurch eher ein kämpferischer Wille vorhanden; sie müssen sich gegen den gesellschaftlichen Flow durchsetzen.
    Während Jungs in diesem Gesellschaftsgewebe immer noch eher mitgezogen werden, oder wenn sie schon wenig wissen von diesen Strukturen, davon profitieren, wenn die Strukturen so bleiben, wie sie sind, oder eben auch vielleicht noch nach rechts rücken. Weil dann der (patriarchale) Strom mit ihnen ist. Ob das mehr Freiheit für sie bedeutet, sei mal dahingestellt. (Bzw. nein, natürlich nicht, aber das ist ja eine andere Frage dann wieder.) Ich glaube, es ist für Jungen gesellschaftsbedingt schwerer, ein weltoffener Feminist zu werden(, eben weil es leichter und im Flow für sie ist, keiner zu sein, und gleichzeitig auch nicht so notwendig für sie ist, einer zu sein; der Flow ist im Europatriarchat im Zweifel immer mit ihnen).
    Und deswegen, so meine steile und riskante These – müsste die erzieherische Unterstützung von Jungen für Feminismus und Weltoffenheit größer (oder zumindest intensiver und auch anders) sein als bei Mädchen. Ich würde das sehr gerne weiter diskutieren.

  • Antje Schrupp sagt:

    Liebe Anne, ich denke, der entscheidende Punkt ist, dass “Erziehung” nichts Individuelles nur ist, sondern man erzieht ja immer in gesellschaftliche Strukturen hinein, so wie du auch schreibst. Von daher ist wahrscheinlich der beste Weg, genau diese Strukturen zu verändern, ansonsten ist es kaum möglich, oder nur in Einzelfällen. Entscheidend ist dabei eben, was in einer Kultur als “Männlichkeit” dargestellt wird. Als “Zwischending” hilft wahrscheinlich auch, selbst in linke/profeministische Strukturen eingebunden zu sein, also Jungs, die in linken Netzwerken oder Kommunen etc. aufwachsen, in denen sie profeministische Vorbilder von Männlichkeit haben, werden meistens auch selbst irgendwie feministisch. Was konkret das Auseinanderdriften bei den jungen Männern /Frauen betrifft, so spielt natürlich eine Rolle, dass die AfD und generell die Incels/Faschos massiv das Internet und insbesondere Tiktok bespielen. Sie stellen ihre Posts genau auf diese Zielgruppe ab und das ergibt durch die Algorithmen dann regelrecht einen Sog der Radikalisierung. Derselbe Mechanismus, der junge muslimische Männer in islamistische Kreise reinzieht. Andere Weltanschauungen sind in diesen Medien einfach sehr unterrepräsentiert.

  • Anne Newball Duke sagt:

    Ja… Das Neo Magazin Royale hat letztens diesbezüglich in einer Sendung das Gaming besprochen… wie dort rechte Inhalte ganz “unpolitisch” verpackt werden und sich vehement dagegen gewehrt wird, dass hier massiv rechte Politik betrieben wird. Und in der Sendung davor – aber das lesen junge Leser wahrscheinlich eh nicht – war das Thema das Wegbrechen der Lokalzeitungsseiten gerade in dörflichen Gegenden, wo dann die kostenlosen Werbeblättchen übernehmen, die immer öfter von AFD-nahen Leuten geführt werden. Da reiht sich dann eine AFD-Werbung und rechte Inhalte aneinander. Wenn es da eben auch kein Gegengewicht mehr gibt… Das alles ist aber einfach schon so lange bekannt, gerade in dörflichen Gegenden im Osten, wie da die Rechten seit Jahren und teils Jahrzehnten Strukturen aufbauen. Und wo sparen die Kommunen am meisten? In den ganz kleinen Posten wie Jugendclub oder Schwimmbad oder Kunst und Kultur, da fällt es leicht zu kürzen. Es ist also ganz aktive “demokratische Politik”, die wichtige linke und kreative Strukturen wegbrechen lässt und damit den Rechten den Raum überlässt (und damit die Jungen ja irgendwie auch in andere Räume wie ins Gaming und zu TikTok treibt). Als Jugendlicher nicht rechts zu sein ist dann einfach kein Selbstläufer mehr, wenn jede andere Orientierung im öffentlichen Raum außerhalb es Elternhauses rar ist, und das dann noch in einer Zeit, in der sich Junge ja eh bisschen von der Elternsicht entfernen will, eigene Sichtweisen entwickeln will. Ich finde diese Entwicklung eigentlich gar nicht verwunderlich; im Grunde ist es mal wieder so, dass man sich wundern muss, dass alle sich wundern.

  • Antje Schrupp sagt:

    Ja, die Sendungen hab ich auch gesehen – Tipp zum Nachschauen, die gibts ja noch in der Mediathek.

    Ich habe neulich in einer Talkrunde noch jemanden gehört, der das Wahlverhalten der Jüngeren erforscht hat, und da war das Ergebnis, dass zwar mehr junge Männer als Frauen die AfD gut (und “ganz normal”) finden, aber dass die jungen Frauen, die sich zur AfD bekennen, inhaltlich radikaler und extremer rechts sind.

  • Anne Newball Duke sagt:

    Ach herrje, auch das noch. Das wusste ich noch nicht. Uns gehen die Denkanlässe nicht aus, aijaijai.

Weiterdenken

Menü