Forum für Philosophie und Politik
Von Jutta Pivecka
Das Frankfurter Museum für Moderne Kunst zeigt noch bis Mitte Juni in seiner Dependance im Tower eine Werkschau der amerikanisch-mexikanischen Künstlerin Elizabeth Catlett.
Catletts Werk würdigt das Leben, die Arbeit, die Errungenschaften und das Leid afroamerikanischer Frauen. Es umfasst Porträts berühmter schwarzer Heldinnen wie zum Beispiel Sojourner Truth, Harriet Tubman oder Phillis Wheatley , doch auch die Darstellung unbekannter schwarzer Frauen in Alltagssituationen. Das lithographische Projekt „The Black Woman“, das in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstand, mit seinen 15 kleinformatigen Linolschnitten bildet mithin auch das Zentrum der umfassenden Werkschau. Es gelingt Catlett in diesen Arbeiten eineerstaunliche Dreidimensionalität zu erzeugen, die den dargestellten Gesichtern Individualität und Tiefe verleiht. Gleichzeitig sorgt die Technik des Linolschnitts, sorgen die gröberen Schraffuren, die den Hintergrund bilden, dafür, dass ein Zusammenhang hergestellt, eine Gemeinschaft der Empathie gestiftet wird. Das Leid der schwarzen „Community“, der ehemaligen Sklaven und Sklavinnen in den USA, in späteren Arbeiten auch der indigenen Bevölkerung und der mexikanischen Arbeiterklasse wird in Catlett Arbeiten sichtbar, ohne die Dargestellten zu „Opfern“ zu machen. Ihre Arbeiten bezeugen vielmehr deren Würde und ihr ungebrochenes Vermögen, das eigene Leben zu gestalten.
Elizabeth Catlett wurde 1915 in Washington, D.C. geboren. Ihr Vater starb noch vor ihrer Geburt. In ihren Ferien besuchte sie häufig die Großeltern mütterlicherseits in North Carolina, die noch in die Sklaverei hineingeboren waren. Sie erlebte die extreme Armut der ehemaligen Sklavinnen und Sklaven in den Südstaaten und machte es sich später als Künstlerin zur Aufgabe, diese Menschen darzustellen. Catletts Eltern dagegen gehörten zu einer gerade erst entstehenden schwarzen Bildungsmittelschicht. Ihr Vater war Mathematikprofessor gewesen, ihre Mutter war ausgebildete Lehrerin und arbeitete in der Bildungsadministration. Catlett studierte an der Howard University, der ersten schwarzen Universität in den USA, die Kunststudien anbot. An der Hochschule, die ihre erste Wahl gewesen wäre, wurde sie wegen ihrer Hautfarbe abgelehnt. Nach dem Studium unterrichtete sie einige Jahre in North Carolina und setzte später ihre Studien an der Universität von Iowa fort, wo sie Skulpturen zu ihrem Schwerpunkt machte. Mit ihrem ersten Ehemann Charles White zog sie 1942 nach New York City. Sie wurde inspiriert durch schwarze Künstlerinnen und Künstler der „Harlem Renaissance“, aber setzte sich anders als diese auch dafür ein, die Situation der Schwarzen politisch zu thematisieren und sich im Kampf um ihre Rechte zu engagieren. 1946 erhielt Catlett ein Stipendium für Mexico City. Von da an lebte sie mit wenigen Unterbrechungen in Mexico. Sie verliebte sich in den mexikanischen Künstler Francisco Mora, den sie in zweiter Ehe heiratete und mit dem sie drei Söhne hatte.
Während Catletts Linolschnitte die Individualität der Porträtierten und der Alltagssituationen herausarbeiten und gleichzeitig mit der allgemeinen Lage der Schwarzen oder der Indigenen verbinden, zeigen ihre Skulpturen Archetypen. Dabei fallen besonders die Arbeiten ins Auge, die die Figur der schwarzen Mutter thematisieren. Schon in ihrer Abschlussarbeit an der Universität von Iowa, einer Schnitzarbeit mit dem Titel „Negro Mother and Child“ hatte Catlett diese Themenwahl begründet: „Eine Komposition aus zwei Figuren zu schaffen, eine kleiner als die andere, so ineinander verschlungen, als wären sie ein Inbild von Mutterschaft, so kompakt, dass sie in Stein gemeißelt werden können, schien mir eine durchaus spannende Problemstellung zu sein. Die Auswirkungen von Mutterschaft, insbesondere Mutterschaft einer Schwarzen Frau, sind für mich von erheblichen Belang, da ich sowohl Schwarz als auch eine Frau bin.“
Die Ausstellung in Frankfurt am Main zeigt das ganze Schaffen Catletts von den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts bis in 00er Jahre des neuen Jahrtausends: ihre Auseinandersetzung mit Pop Art in den 70ern, ihre Sympathie für die Black Power-Bewegung, die Zusammenarbeit mit mexikanischen Künstlerinnen und Künstlern. Es wird erkennbar, dass Elizabeth Catlett schon sehr früh ihre eigene Stimme und Form gefunden hatte und mit dieser Bezug auf die Welt nahm. Ihr Anliegen war und blieb es, durch ihre Kunst „ihren Leuten“ („my people“) immer wieder Sichtbarkeit zu verschaffen.
Elizabeth Catlett starb 2012.
MMK Frankfurt am Main, Tower noch bis zum 16. Juni