Forum für Philosophie und Politik
Von Jutta Pivecka
Der Antisemitismus findet in feministischen Kreisen weltweit und auch in Deutschland (wie in andere “linken” Bewegungen) Verbündete; das zeigt sich nicht erst seit dem Massaker vom 7. Oktober und dem Verteidigungskrieg Israels gegen die Hamas. Die „#MeToo“-Bewegung wurde ebenso rasch von antisemitischen Akteurinnen unterwandert, wie wenige Jahre später „BlackLivesMatter“. Jüdische Aktivistinnen wurden bei Demonstrationen ausgegrenzt und angegriffen. Slogans wie „From the river to the sea, Palestine will be free“, die zur Auslöschung Israels aufrufen, wurden auch auf feministischen Demonstrationen geduldet.
Ikonen des „intersektionalen“ Feminismus wie Angela Davis in den USA oder Emilia Roig in Deutschland fallen immer wieder durch antisemitische Äußerungen auf. Emilia Roig zum Beispiel gibt im „Neuen Deutschland“ hanebüchenen, antisemitischen Unsinn darüber von sich, dass Jüdinnen und Juden nach dem Holocaust zu „Weißen“ gemacht worden seien (Neues Deutschland, 26.12.2023). Die feministischen Israel-Hasserinnen berufen sich stets darauf, lediglich „Israel-Kritik“ zu üben. (Selbst dies ist schon ein zutiefst antisemitischer Begriff, denn die Kritik an der Unterdrückung der Kurdinnen und Kurden durch den türkischen Staat führt eben bei denselben Akteurinnen nie zur „Türkei-Kritik“, nämlich zur Infragestellung des Existenzrechtes des heutigen türkischen Staates). In Wahrheit stehen Davis und Roig, wie viele andere, in einer linken, antisemitischen Tradition, die Merle Stöver in dem Sammelband „Judenhass Underground“ (hrsg. von Nicholas Potter und Stefan Lauer, erschienen 2023, aber noch vor dem Massaker vom 7. Oktober) nachgezeichnet hat. Sie zeigt auf, wie die vereinfachende Wahrnehmung des Antisemitismus als einer „Unterform von Rassismus“ die Analyse in Teilen der Linken fehlgeleitet hat. Die Diskriminierung jüdischer Frauen werde in feministischen Bündnissen häufig unterschlagen. Als Jüdinnen seien sie nicht willkommen; sie sollten sich bestenfalls „mitgemeint“ fühlen. Das donnernde Schweigen vieler feministischer Akteurinnen, nachdem die grauenvollen Akte sexualisierter Gewalt an jüdischen Frauen und Mädchen durch Hamas-Terroristen am 7. Oktober bekannt wurden, ist ein weiterer Beleg für diese Haltung in feministischen Bündnissen, oft solchen, die großen Wert auf ihre Allianzen mit muslimischen Akteurinnen legen und diese offenbar nicht gefährden wollen, indem sie sich offen und klar gegen (auch auf Israel bezogenen) Antisemitismus positionieren.
Merle Stöver schließt ihren Beitrag hoffnungsvoll: „Die Tatsache, dass mittlerweile vielerorts kritische Stimmen zu hören sind, macht Mut. Denn es braucht einen Feminismus, der seinem Anspruch, ein gutes Leben für alle Frauen erkämpfen zu wollen, gerecht wird. Einen, der Antisemitismus mit der gleichen Entschlossenheit entgegentritt, wie er es in den vergangenen Jahren auch gegenüber Rassismus gelernt hat. Einen Feminismus, der bereit ist, zu lernen, und der bereit ist, eine Vereinnahmung feministischer Anliegen zu erkennen und sich ihr entgegenzustellen.“ Es fällt schwer, nach dem 7. Oktober 2023 und der Reaktion vieler feministischer und linker Bündnisse an diesem Optimismus festzuhalten. Und doch bleibt einer nichts anderes übrig. Denn ein antisemitischer, Israel hassender Feminismus, der die frauenverachtende Hamas als „Befreiungsbewegung“ einstuft, ist keiner, für den es sich einzutreten lohnt. Es ist vielmehr einer, der bekämpft werden muss.
Zum Weiterlesen:
Judenhass Underground, hrsg. von Stefan Lauer und Nicholas Potter, Hentrich & Hentrich Verlag, 2023,
David Baddiel: Jews don´t count, 2021
Jean Améry: Der neue Antisemitismus, Neuauflage bei Klett-Cotta ab 13. Januar 2024
Was für ein enttäuschender Kommentar, der ohne viel (Nach-)Denken geschrieben sein muss, denn er macht genau das, was die Juden und Jüdinnen in dem verlinkten Gespräch von Neues Deutschland kritisieren! Und dabei werden sogar noch Emilia Roig, einer schwarzen Jüdin, die Worte im Munde verdreht. Sie sagt ganz klar: “Sind jüdische Menschen weiß? Natürlich sind sie nicht durchweg weiß.” Hingegen der Behauptung oben, analysiert – und kritisiert! – sie, dass weiße nicht-jüdische Deutsche, Juden und Jüdinnen “schrittweise und selektiv an das Weißsein assimiliert” haben, weil sie nur so Mitgefühl haben könnten. Solch eine Assimilation hat übrigens schon lange Tradition: Auch Italiener*innen und Ir*innen in den USA wurden nicht immer als “weiß” gelesen. Was Roig jedoch immer wieder betont – im Gegensatz zu den falschen Behauptungen oben: Juden und Jüdinnen sind genauso diverse wie alle anderen Menschen auch.
Ich hatte mehr von bzw-weiterdenken erwartet, besonders in der Rubrik “Denken”!
@Antje: Ich verbitte mir solche Unetrstellungen, ich hätte mich mit den Ideilogien nicht auseinander gesetzt! Ich widerhole mich: Ihr Deutschen leidet an einem Schuldkomplex, was eich blind macht für die Unrecht, welches vom Staate Isral begangen wird! Es ist ein Allgemeinplatz, dass sexualisierte Gewalt in allen bewaffneten Konflikten eingesetzt wird, um die Gegenseite zu demütigen. Soviel zu toxischer Männcihkeit.
Du drehst mir meien WOrte im MUnde um, wenn du meine Frage “wie kommt du auf so was?” auf das Existenzrecht Israel beziehtst. Es bezog sich auf die Kritik am Gebarer des Staates Israels; auf nichts anderes.
@Antje: Deine Kommentare sollen ‘sachlich’ sein? Sorry! Und du meinst, mich zu kennen? Und was ist an meinem Ton denn nun falsch? Ich habe nur auf diene Unerstellungen reagiert und dein ^mir die Worte im Munde rumdehen’!
Apropos sexualisierter Gewalt in Kriegen: Diese ist militärishcen Auseinandersetzungen inhäent; weshalb dies also abstreiten?
Liebe Antje
“dein erneuter Kommentar bestätigt nur meine Einschätzung. Eigentlich diskutieren wir in diesem Forum nicht in solchem Ton.”
Was ist denn falsch an meinem Ton? Ich habe mich nur gg. Unterstellungen deinerseits gewehrt. Wahrscheinlich ist es einfach der Inhalt, der dir missfällt.
Und was bestätigt denn deine Einschätzung? Und worin besteht diese? Ich betone nochmals, dass ich nie und nimmer das Existenzrehcht Israels bestritten habe. Tatsache ist jedoch auch, dass Israel, bzw. dessen Regierung durch deren völkerrechtswidrige Politik der Siedlungen die Option einer Zweistaatenlösung während Jahren torpediert hat. Und die Hamas haben sie auch aufgerüstet, um einen Vorwand zu haben, eine solche zu verhindern.
Ich verwahre mich auch gegen deiner Unterstellung, ich verharmlose Vergewaltigungen von Frauen in kriegerischen Kontexten. Das tue ich bei der Göttin nicht und sie sind verwerflich und auf Schärfste zu ahnden! SIen sind jeoch leider ein triste Realität. Macht es das Ganze besser, wenn es Soldatinnen unter den Kombattant:innen gibt? Ich bezweilfe es! Nach wie vor werden in Gaza Zivilist:innen erschossen, welche sich eine weisse Flagge zeigend auf der Suche nach Wasser und Nahrung auf die Strasse begeben. Ob da ein Mann oder ein Frau das Gewehr bediente ist einerlei.
Es grüsst dich freundlch
Esther.
Meine Bitte an uns bei bzw-weiterdenken :
Artikel samt Kommentaren nach Möglichkeit kürzer verfassen.
Ich jedenfalls tue mir dann leichter, was Kraft und Bereitschaft betrifft
hier „am Mehr anderer Frauen zu wachsen (Dorothee Markert),
-was ja weiterhin mein dankbares Bedürfnis ist…
Wie gesagt, es ist eine Bitte – nicht mehr.
Fidi Bogdahn
Liebe Jutta, Esther, Rachel und Antje!
Selten haben mich ein Text und die darauffolgenden Kommentare auf bzw. weiterdenken so berührt und aufgewühlt wie diese zum Text von Jutta “Judenhass, feministisch”. Mir ist es ergangen wie Jutta, die bei der Lektüre von Esthers Kommentar vom 15. Januar weinen hat müssen: “Ja, ich habe geweint, vor Angst, vor Schmerz, vor Wut”, schreibt Jutta. Allerdings haben mich nicht Esthers Aussagen zum Weinen gebracht – ich fand diese Aussagen auf den ersten Blick nur etwas wirr, empfand sie aber als authentisch, müsste sie mir genauer durchlesen, um die Kritiken von Rachel, Antje und Jutta nachvollziehen zu können. Was bei mir die Tränen in die Augen hat schießen lassen, war der letzte, lange, ausführliche Kommentar von Jutta, in dem du, Jutta, deine Emotionen und deine politische Stellungnahmen in so klare und berührende Worte gekleidet hast, dass ich das Gefühl habe: hier haben wir ein ganz neues Diskussionsniveau erreicht!
Wirklich noch einmal danke, Jutta, für deinen Text, der offensichtlich bei mehr als einer Frau einen offenen Nerv getroffen hat, aber auch danke an Esther, Rachel und Antje (an dich doppeltes Danke, Antje, dass du Esthers Kommentar doch freigeschaltet hast!), und auch nochmals danke an Jutta, die du die Kommentare wiederum so ausführlich beantwortet hast.
Ein bisschen muss ich Fidi Recht geben, wenn sie sagt, die Kommentare seien zu lang, denn ich werde, wenn ich die Zeit dazu finde, wahrscheinlich jetzt mehrere Tage damit verbringen, mir alles genauer durchzulesen, um vielleicht auch selber etwas zum Thema zu sagen. Aber es ist ein Thema, bei dem so viele Fäden zusammenlaufen und das uns Frauen so nahe geht, dass es in diesem Fall wahrscheinlich unvermeidlich war, so lange Kommentartexte zu schreiben. Liebe Grüße an die gesamte Redaktion von bzw. weiterdenken, Sandra
Jetzt habe ich mir alles noch einmal genauer durchgelesen. Leider kommt mir vor, dass von allen Seiten (außer von Fidis Seite), die Argumentationen nicht immer nachvollziehbar sind, aber wichtige Punkte berühren, über die es nicht sinnvoll ist, einfach hinwegzusehen. Deshalb möchte ich an die Leserinnen von bzw. weiterdenken einige Fragen stellen:
Ist es nicht klar, dass schon seit der Gründung Israels 1948 zwischen Palästinensern und Israelis ein Konflikt besteht, der von beiden Seiten nicht immer auf lautere Weise geführt wird?
Ist es nicht klar, dass es auf beiden Seiten aber auch Menschen gibt, die sich auf glaubhafte und mutige Weise für einen Frieden einsetzen? Und vor allem: Ist es nicht klar, dass es auf beiden Seiten v.a. Männer sind, die sich gewaltsamer Übergriffe, einer unverantwortlichen Kriegsführung und immer wieder auch für Terroranschläge verantwortlich machen, während es vor allem Frauen und Kinder sind, die dafür zu zahlen haben? Ich möchte auf eine Dokumentation verweisen, auf die mich eine Historikerin verwiesen hat, die sich sehr um die Aufarbeitung der Schoah in Südtirol verdient gemacht hat. https://tvthek.orf.at/profile/Weltjournal/1328/WELTjournal-Spezial-Netanjahu-die-USA-und-der-Weg-in-den-Gaza-Krieg/14212651 . Ich hoffe, dass diese Dokumentation auch für andere so hilfreich sein kann, wie sie es für mich gewesen ist.
LG, Sandra
Zur Vervollständigung des vorangehenden Beitrages möchte ich ergänzen, dass es meiner Meinung wichtig ist, uns ganz bewusst vor Augen zu halten, dass es die Frauen und die Kinder auf beiden Seiten sind, die für diesen Konflikt, der alles andere als auf konstruktive Weise geführt wird, einen viel zu hohen Preis zu zahlen haben. Und dass es leider die Männer sind, die in diesem Konflikt das Sagen haben.
Ich lese hier mit und habe mir lange überlegt etwas zu schreiben. Der letzte Beitrag von Sandra Laupper ermutigt mich dazu. Wir alle, wir Feministinnen, unsere Regierungen und Europa müssen uns für einen glaubhaften und dauerhaften Frieden für die Völker im Nahen Osten stark machen. Ich möchte hier auf die Reden der Kundgebung für einen gerechten Frieden in Israel/Palästina von Anfang Dezember 2023 in Bern hinweisen. Insbesondere auf jene von Ruth Dreifuss (unbedingt auch franz. Text lesen) und Shirine Dajani verweisen https://gsoa.ch/redebeitraege-der-kundgebung-fuer-einen-gerechten-frieden-in-israel-palaestina-vom-09-dezember-2023-in-bern/
Der Verlauf der Kommentare hier hat mich auch ziemlich aufgeschreckt. Die Diskussionskultur hat für mich allerdings etwas sehr Unerbittliches. So wurde Esther aus meiner Sicht immer wieder implizit als Verbündete des Antisemitismus bezichtigt, obwohl sie es nicht ist. (Ich kenne sie auch persönlich). Ein Quantum Vorschussvertrauen in Feministinnen, die hier diskutieren, muss schon sein, finde ich. Den Ausdruck „Israel-Kritik“ habe ich bis anhin verwendet um die jetzige israelische Regierung zu kritisieren und um mich gerade gegen Antisemitismus zu verwahren. Ich denke davon kann man bei den meisten, die den Ausdruck verwenden ausgehen. Die Begründung, weshalb der Begriff zutiefst antisemitisch sei, leuchtet mir nicht ein. Wir müssen wachsam sein, das ist klar. Die hier geäusserten Angriffe gegen feministische Bündnisse und Intersektionalismus sind sehr ernst zu nehmen und zu diskutieren. Ich werde das in meinem Umfeld tun und mich auseinandersetzen, wie es sich verhält mit einer „linken antisemitischen Tradition“. Was ein feministisches Friedensengagement wäre, scheint mir ein wichtiger Ansatz.
Liebe Antje, Was tun? Die strukturelle Logik des sog. freien Westens produziert solche Narrative, eine Politik von „Dogwhistle“, „Plausible deniability“ etc. Welche „Narrative“ können wir Feministinnen dem Medien-Mainstream, den Abfolgen von Krisen und einhergehenden Verwirrung und Ohnmachten angesichts von (Be)drohungen, der Militarisierung, der Mentalität von Sieg , Niederlage, Auslöschung, Vereinfachungen von „gut und böse“ und was es sonst noch gibt an Schrecknissen entgegensetzen? Da würde ich gerne weiterdenken.
Liebe Julia
Danke für deine Überlegungen, denen zu widersprechen ich jedoch leider nicht umhin komme: Erstens ist Kritik am Staate Israel und seinem völkerrechtswidrigem Gebaren alles andere als gegen seine Existenz gerichtet; wie kommt du auf so was?
Zweitens konnte die sexualisierte Gewalt, welche die Hamas bei ihren grässlichen und in aller Schärfe zu verurteilenden Angriffen auf israelische Zivilsti:innen lange nur vermutet werden. Klar ist sie in aller Schärfe zu verurteilen!
Drittens vernebelt wohl der kollektive Schuldkomplex vielen Deutschen die Sicht, wenn der Genozid an den Hereros und Namas, der sich vor ein paar Tagen zum 120 Mal jährte dort fast kein Thema ist und der Genozid, der eben in Gaza stattfindet, nicht anerkannt wird. Denn das, was dort passiert ist längst kein “Verteidigungskrieg” mehr!
Gerne empfehle ich dir und allen Leser:innen diesen Artikel von Franziska Schutzbach:
https://www.republik.ch/2023/12/16/was-heisst-in-diesen-zeiten-feministische-solidaritaet
Freundlich grüsst dich
Esther.