Forum für Philosophie und Politik
Von Antje Schrupp
Über Jochen König (dessen Bücher „Fritzi und ich“ und „Mama, Papa, Kind“ wir hier im Forum schon besprochen haben) bin ich auf den aktuellen „Väterreport 2023“ des Bundesfamilienministeriums aufmerksam geworden. Auf Instagram hat er eine Kurzrezension davon gepostet und mir erlaubt, sie zu einem eigenen Blogpost zu verarbeiten.
Jochen König stellt fest, dass die Zahlen des Reports ziemlich manipuliert und teilweise rundheraus falsch dargestellt sind:
Hab mir den Väterreport 2023 des Bundesfamilienministeriums mal etwas genauer angesehen. Darin werden Vätertypologien gebildet und vorgestellt. 21% aller Väter gehören demnach zu den “überzeugten Engagierten”. Wie schön. Vielleicht tut sich ja wirklich was, wenn mittlerweile ein Fünftel aller Väter so engagiert sind. Oder?
Die fünf Vätertypologien sind für sich schon interessant: Der überzeuge Engagierte (ist von einer gleichmäßigen Aufgabenteilung überzeugt), der urbane Mitgestalter (ist partnerschaftlich eingestellt), der zufriedene Pragmatiker (hat keine feste Einstellung dazu), der etablierte Konventionelle (eher konservativ), der überzeugte Rollenbewahrer (Fan des Ernährermodells).
Der Befund ist nicht besonders toll, von einer gleichstellungspolitischen Warte aus gesehen. Fast die Hälfte aller Väter ist nicht einmal theoretisch von einer geteilten Verantwortung für Kinder überzeugt, die Konventionellen und die Rollenbewahrer machen zusammen 48 Prozent aller Väter aus.
Was aber ist mit der anderen Hälfte der Väter? Den Pragmatikern, Mitgestaltern oder gar Engagierten? Tatsächlich sind diese Charakterisierungen eher, naja, etwas dubios. Jochen König schreibt, etwas sarkastisch:
Väterforscher 1: Wie wollen wir Väter charakterisieren, für die Elternzeit nicht in Frage kommt?
Väterforscher 2: Lass uns ein paar von ihnen den “überzeugten Engagierten” zuordnen, dann sieht die Statistik besser aus.
Bundesfamilienministerium: Geniale Idee!!1!
Tatsächlich ist es mit dem Engagement der Engagierten, genau betrachtet, nicht so weit her:
Fast die Hälfte der “überzeugten Engagierten” haben keine Elternzeit genommen, weitere 22% nur für 2 Monate. Nur 36% der “überzeugten Engagierten” sind also überhaupt nur engagiert.
Weitere Zahlen in dem Report sind laut Jochen König falsch:
Vor ein paar Monaten hab ich das Bundesfamilienministerium kritisiert, weil sie in einer Publikation behauptet haben, ein Viertel der Väter würden länger als 2 Monate Elternzeit nehmen (In Wahrheit sind es etwa 11%). Das Ministerin hatte die Publikation als Reaktion auf meine Kritik korrigiert. Ratet, wie es im Väterreport dargestellt wird…
Im Report heißt es “die Mehrheit der Väter der im Jahr 2020 geborenen Kinder” habe die Elterngeld-Mindestdauer von 2 Monaten in Anspruch genommen und der Anteil derer, mit einer Bezugsdauer von mehr als 2 Monaten, läge bei etwa einem Viertel.
Das ist falsch!
Nicht “die Mehrheit der Väter der im Jahr 2020 geborenen Kinder” hat die Elterngeld-Mindestdauer von 2 Monaten in Anspruch genommen. Die Mehrheit der Väter der im Jahr 2020 geborenen Kinder hat überhaupt kein Elterngeld in Anspruch genommen. Und der Anteil derer, mit einer Bezugsdauer von mehr 2 Monaten liegt weiterhin nur bei 11%.
Der Trick besteht also darin, dass man bei der statistischen Auswertung des Elterngeldes nicht, wie es korrekt wäre, alle Väter zugrunde legt, sondern als Ausgangsbasis nur diejenigen nimmt, die überhaupt Elterngeld in Anspruch nehmen. Das macht die Zahlen natürlich schöner, als sie in Wirklichkeit sind, genau genommen mehr als doppelt so schön, weil nämlich über die Hälfte aller Väter überhaupt kein Elterngeld nimmt.
Die folgende Abbildung zeigt – vermeintlich – das Ungleichgewicht beim Elterngeldbezug zwischen Männern und Frauen, und auch so schon sieht das ja ziemlich eindrücklich aus. Aber auch diese Statistik ist noch geschönt.
Jochen König schreibt:
Besonders absurd ist die suggerierte Vergleichbarkeit der Anteile der Bezugsdauer zwischen Müttern und Vätern. An keiner Stelle findet sich ein Hinweis darauf, dass die Bezugsgröße eben nicht der Anteil der “Väter, der im Jahr 2020 geborenen Kinder ist,” sondern aus dieser Menge der Väter diejenigen herausgerechnet sind, die überhaupt kein Elterngeld bezogen haben. Ganz links fehlt dann noch der Balken mit den 56,7% der Väter, die überhaupt kein Elterngeld bezogen haben.
Und sein Resumee:
Das Familienminiterium behauptet, ihre Politik sei ein Erfolg und alles gehe irgendwie in die richtige Richtung. Mein Fazit: Weiterhin ist nur ein winziger Bruchteil der Väter (etwa 3%) wirklich engagiert, ein weiterer sehr kleiner Anteil (etwa 8%) ist zumindest minimal engagiert. Veränderungen von statistischer Relevanz gibt es durch die Familienpolitik der letzten Jahrzehnte (insbesondere durch das Elterngeld) nicht.
Ja, so ist das wohl.
Gibt es auch eine Untersuchung vom Bundesfamilienministerium darüber wie groß oft noch der Druck von Arbeitgebern auf Mütter und Väter ist, die gerne die komplette Elternzeit wahrnehmen wollen? Falls es so eine Untersuchung gäbe, würde sie bestimmt nicht an die große Glocke gehängt werden.
Darum sagt man: “Ich vertraue nur der Statistik, die ich selber gefälscht habe.”
Vielleicht will das Familienministerium ja die von Pädagog!nnen empfohlene Methode des positiven Vorwegnehmens praktizieren? Nur müsste das dann auch in die Köpfe der potentiellen Väter transportiert werden ;-) und würde wohl ein geschlechtsspezifisches Infomanagement erfordern…