Forum für Philosophie und Politik
Vierzehnter Beitrag aus der Serie „Küchengeschichte(n) – wie Haushaltsgeräte die Care-Arbeit veränderten und verändern“
Bubi kam in unser Familienleben etwa zu selben Zeit – und ich rede jetzt nur von meiner gefühlten Zeit – wie der Thermomix, Anfang der 2010er Jahre. Thermomix wie Bubi dürften mittlerweile also schon über 10 Jahre bei uns sein. Beide Geräte hätten wir nicht, wenn mein Mann sich nicht massiv dafür eingesetzt hätte. Alles würde besser und einfacher mit den Geräten, meinte er. Wir hatten in dieser Zeit der mitteljungen Familiengründungsphase die typischen, noch sehr explosiven Reibereien um Care-Arbeit und deren gerechter Aufteilung. Und ich glaube, mein Mann dachte damals tatsächlich, dass der Thermomix das Kochen und der Bubi das Saubermachen übernehmen würden, ganz autark und autonom. Sie wüssten beide schon, wann was zu tun sei. Problem solved.
Mich hat dieser Ansatz der Lösung von gerechter Aufteilung von Care-Arbeit damals extrem aufgeregt. Ich fand beide Geräte eine absolut sinnbefreite und extrem absurde und zudem teure Anschaffung, auch weil ich bereits wusste, was einfach jede verantwortungsvoll putzende und kochende Hausperson weiß, dass das eben kein Heilsversprechen zur Lösung aller Care-Arbeits-Aufteilungs-Probleme war. Ich fand das naiv und ich fand auch, dass er hier die Tiefe und Vielschichtigkeit und ganz einfach auch den Arbeitsaufwand – allein um das potentielle Einsetzen dieser Geräte herum – nicht wirklich sah. Das Konzept des mental load stand mir zu der Zeit noch nicht zur Verfügung.
Andererseits – so lernte ich auch langsam als Teil der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft – muss ich den andern auch mal machen lassen und nicht immer denken, ich wüsste alles viel besser. Mit dem Thermomix kam nämlich auch der Deal ins Haus, dass mein Mann von nun an viel öfter kochen würde. „Viel öfter“ ist natürlich eine sehr relative Auslegungssache, aber was wahr wurde, ist, dass er von da an bis heute tatsächlich an normalen Wochenenden mindestens ein Mittagessen übernahm/übernimmt, und zwar mit allem Drum und Dran: Rezepte heraussuchen, alles einkaufen und dann zubereiten. In der harten Zeit des Corona-Lockdowns wurde daraus sogar ein 50-50 durch die ganze Woche. Und auch ich gewöhnte mich zugegebenermaßen in meinen Küchenvorgängen sehr schnell an diese Hilfe.
Aber in diesem Text geht es nicht über den Thermomix (aber in diesem von Antje Schrupp), sondern um Bubi. Wer oder was ist das eigentlich? Bubi kam mit seinem Werksnamen iRobot Roomba zu uns. Aber da er uns so faszinierte und uns alle sofort und noch bis heute oft zum Lachen oder ins Meditieren bringt, war uns sofort klar, dass er einen Namen bekommen musste. Wir entschieden uns einstimmig für Bubi – wer von uns den Namen in den Ring warf und warum er sofort perfekt für uns alle auf unseren Staubroboter passte, das weiß ich nicht mehr. Vielleicht, weil er so putzig wie ein Wellensittich war, und die hießen ja oft Putzi oder Bubi. (Jetzt musste ich gerade laut auflachen: Putzi wäre ja dann noch viel passender gewesen.)
Und… nun ja… mit dem Bubi… bewahrheitete es sich nicht, dass es mit der Aufteilung des Putzteils der familiären Care-Arbeit besser klappte. Bubi und ich blieben allein, um diese Aufgabe zu bewältigen. Und Bubi konnte mir tatsächlich die Arbeit erleichtern, aber alles in allem war ich nicht weniger lange am Tun. Dieses Tun wurde für mich zu einem riesigen unbezwingbaren Berg, als wir in das Haus einzogen. Ein Berg, der direkt nach dem Bergabtragen, also nach dem Putzen, ja sofort wieder anwuchs, bis er nach zwei Wochen den Höhepunkt erreichte, an dem ich mich wirklich nicht mehr wohl fühlte und er mir wieder unbezwingbar erschien. (Höher ging es natürlich immer noch, das war dann halt jenseits meiner Schmerzgrenze.) Ich glaube, ich versuchte zwischen Beendigung der Dissertation, neuem Baby und neuem Job nur ein paar wenige Monate, das Putzen selber zu schaffen, aber ich kapitulierte sehr schnell. Ich merkte auch, dass mein Mann nicht mehr schaffen konnte neben anspruchsvoller Lohnarbeit in Nicht-Muttersprache und allen anderen Familien- und Care-Arbeiten; das Putzen war für uns beide einfach unschaffbar geworden, so wie wir unser Leben aufgebaut hatten. Das Putzen hatte einfach keinen Zeit-(und Energie- und Lust-)Platz.
Also wälzten wir unser Haushaltsbudget hin und her und entschieden uns nach langer Überlegung für eine Putzhilfe, die alle zwei Wochen für je sechs Stunden kommen sollte. Es stand ihr frei, die sechs Stunden auf zwei Tage zu verteilen. Die Putzhilfen wechselten ständig. Vielleicht, weil es mir anfangs irgendwie wichtig war, dass sie Student*innen waren und sich mit dem Job ihr BAföG oder was auch immer aufpeppen konnten. Ich war als Studentin auf kleine Jobs immer angewiesen gewesen, deswegen lag mir diese Auswahl am Herzen. In dieser ersten Zeit waren nicht alle Putzhilfen immer weiblich, aber immer mit migrantischer Geschichte. In den oft monatelangen Zwischenzeiten, bis ich wieder eine neue gefunden hatte – denn diese Recherche- und dann Anlern-Aufgabe lag in meinen Händen, auch eine sehr unsichtbare Tätigkeit irgendwie übrigens… –, war ich gezwungen, die Schiffsdeckschrubberei wieder zu übernehmen. Und jedes Mal erinnerte ich mich wieder an Bubi und holte ihn hervor. Aber sobald wir wieder eine Putzhilfe hatten, verschwand er in irgendeinem Abstellschrank und kam nur sehr selten zum Einsatz.
Später – etwa die letzten vier Jahre – fand ich keine Student*innen mehr. Dann kamen Frauen – Mütter und sogar schon Großmütter – mit migrantischer Geschichte und in prekären finanziellen Lebenssituationen zu uns.
Eine Putzhilfe ist eine Person. Ist eine Frau. Hat einen Namen. Ist eine Frau mit einem Leben, einer Geschichte, mit einer gewissen hierarchischen Position in der Gesellschaft. So wie ich auch. Unsere Positionen waren und sind nicht gleich.
Ich arbeitete damals und auch jetzt oft zu Hause. Das heißt, wenn sie unser Haus putzte, saß ich am Schreibtisch im gleichen Haus. Für mich war das eine extrem unangenehme Situation. Immer, egal wie gut ich mich mit der Frau verstand. Ich konnte nicht einfach am Computer sitzen. Oft redeten wir lange. Ich kochte Kaffee. Für uns. Dann räumte ich auf, sie putzte. Wir redeten von Zimmer zu Zimmer.
Es entstand eine Beziehung zwischen uns, deren Definition mir bis heute schwerfällt. Ich fühlte mich an diesen Hausputztagen als die, die ich ja auch irgendwie in der etwas gehobeneren Mittelklasse bin: als white rich bitch. Ich fühlte mich unendlich verwöhnt. Ich versuchte, mein schlechtes Gefühl zu tilgen, indem ich die Beziehung ausweitete. Ich begleitete sie zum Jobcenter, in Beratungsstellen, usw., in all diese furchtbar hierarchisierten Institutionen, in denen zudem der strukturelle Rassismus seine toxisch-fröhlichen Tänzchen durch die Gänge und Räume tanzte. Aber weiterhin fühlte ich mich nicht wohl, oder vielleicht gerade deswegen. Jedenfalls egal, was ich tat, es schien nie genug zu sein, auch als ich es als eine Art Ehrenamt begriff. Ich konzeptionalisierte viel, um damit klarzukommen. Aber mein schlechtes Gewissen wuchs sogar noch, je mehr ich die Person kennenlernte.
Ich kam zu der Erkenntnis: hierarchische Beziehungen dieser Art sitzen einfach grundsätzlich wie ein Stachel in mir. Ich wende mich hin, ich wende mich her, ich verändere dies oder das, aber egal, was ich tat und tue, es bleibt dies: ein hierarchisches System, in dem ich mich falsch anfühle, einfach grundsätzlich. Ich ertrage niemanden über mir, ich ertrage niemanden unter mir. In beiden Fällen komme ich nicht gut dabei weg, kommt nicht das Beste aus mir hervor, mag ich mich nicht. Wir geben ihr Geld, damit sie unser Haus putzt. Win win. Oder?? Natürlich nicht!! Oder?? Warum verdient sie so wenig, obwohl wir ihr viel mehr zahlen als gang und gebe ist?? Weil es einfach scheiße ist, okay. Okay, sie ist versichert, das beruhigte mich immer. Und okay, anderen meiner circa 60 Sklav*innen weltweit ging‘s sicher schlechter. Super Argument by the way. Ich kotze innerlich. Wenn ich sie alle persönlich kennen würde, wenn sie sichtbar würden… ja was dann. Revolution oder was?
Wenn die Wohnung sauber war und die Putzhilfe gegangen, hatte ich das Gefühl, wieder atmen zu können. Ich feierte die saubere Wohnung und das Alleinsein völlig übermäßig, und jedes Mal überlegte ich neu, wie ich die Situation so gestalten konnte, dass ich mich in ihrer Anwesenheit wohler fühlte. Ich fand keine.
Als uns vor etwa sechs Monaten die Putzhilfe verließ, die fast drei Jahre bei uns geputzt hatte, fühlte ich mich dann auch erstmal nur eins: frei. Ich fand das Freiheitsgefühl unangemessen; immerhin hatte sie mir doch Freiheiten verschafft, oder?: einen Tag alle zwei Wochen, den ich nicht ganz und gar dem Putzen widmen musste, sondern nur etwa drei bis vier Stunden aufräumen musste, damit sie putzen konnte. Und fast die ganze körperliche Arbeit übernahm sie. Keine Rückenschmerzen abends, keine komplette Ermüdung und Erschöpfung in meiner Körperin. Sondern in ihrer. Ach ja, ihr merkt schon, mich macht einfach alles an diesem Konzept fertig. Und schon steigt in mir hoch, was dann immer hoch steigt: uhh jetzt weint sie wieder, es macht sie fertig, eine andere Frau putzt an ihrer Stelle ihr großes white rich bitch house, und sie fühlt sich unwohl, ach herrjeh, ja dir geht es eeeeecht schlecht. Woman, are you for real??? (Falls eine Leser*in den letzten Satz als Zitat identifiziert: ja, das stimmt, es ist aus dem Film Dolemite Is My Name, der auf Netflix zu sehen ist, und der mich auf verschiedensten Ebenen – die grob gesehen nix mit diesem Thema hier zu tun haben – momentan sehr inspiriert.)
Nun gut, jaja, ich weiß, Selbsthass resultierend aus Privilegiertenscham bringt mich nicht weiter. Allerdings muss ich damit umgehen, denn das Gefühl ist einfach da, und keiner meiner Versuche, dem frau zu werden, hat für mich funktioniert.
Und weil es nicht funktioniert hat, ist Bubi wieder sehr wichtig geworden in den Zeitabschnitten meines Lebens, die ich nun wieder wohl oder übel dem Hausputz widme. Das Dilemma ist ja, dass ich eigentlich weiterhin diesem nicht wirklich die sechs Stunden innerhalb von zwei Wochen widmen möchte. Ein Dilemma. Di-lem-ma. Ich liebe es, wenn ich meinen alten Kluge Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache hervorholen muss. Ich schlage nach: Ein Dilemma ist eine „‘Zwangslage, […] „‘Doppelsatz‘ […] Zunächst ein Wort aus der Logik. Es bezeichnet eine Schlussart, bei der eine Situation der notgedrungenen Wahl zwischen zwei Möglichkeiten herbeigeführt wird, die beide nicht wünschenswert sind (Fangschluss). […]“ Für mich ist es zudem eine Situation, die ich nicht auflösen kann, für die es keine mich komplett zufriedenstellende Lösung hin zu einer dritten Option gibt. Zumindest nicht innerhalb des gesellschaftlichen Rahmens, in dem ich mich momentan so und nicht anders bewege.
Nun ist es also so: zwei ein halb Bäder, zwei Kinderzimmer, ein Schlafzimmer, ein Arbeitszimmer, ein Wohnzimmer, zwei Flure und eine Küche und eine laaange Treppe müssen geputzt werden. Wohnzimmer und Küche und Flur sind offene Bereiche, hier kann Bubi nichts für mich tun; der Raum ist zu groß. Vielleicht würde er es schaffen, aber ich schaffe es nicht, den Boden in diesem Raum so freizuräumen, ihm also alle Hindernisse so wegzuräumen, dass er nicht alle paar Minuten verzweifelt „Roomba… irgendwas“ ruft. Er wirkt dann auf mich wie eine Robbe, die sich aus einem Fischernetz nicht mehr selbst befreien kann. Aber in den anderen Zimmern inklusive Bädern läuft er super. Alles hoch, ein paar potentielle tricky Stellen verstellt, dann kann Bubi sein magisches Werk vollbringen. (Und wer jetzt hofft, dass ich erkläre, wie genau das technisch funktioniert, die muss ich leider enttäuschen, denn mich „unbeseelt“ mit seinem reinen roboterhaften Funktionieren auseinanderzusetzen, das langweilt mich einfach zu sehr.) Leider kann er kein Staub vorher wischen (so wie der Thermomix keine Kartoffeln schälen kann), also das muss ich tun. Und ihm zuvor den Staub vom Fensterbrett und Regalen und Schränken und aus den Ritzen in den Raum pusten oder wischen oder fegen, es ihm zum Fraß vorwerfen.
Wenn Bubi losläuft, bleibe ich fast immer ein paar Minuten fasziniert stehen. Wie er läuft. Wege, die ich selten vorhersagen kann, nimmt er, kreuz und quer geht’s, mal hier, mal da lang, wieso läuft er denn gleich zweimal da lang, komisch, aber er wird schon wissen, was er tut, denn am Ende ist es wirklich wirklich sauber. Ich vertraue ihm voll und ganz. Und habe Verständnis, denn was am Ende noch rumliegt, ist einfach zu groß oder sperrig für ihn. Ich lerne ihn über die Dinge, die er nicht zu sich nimmt, besser kennen: Taschentücher, kleine widerspenstige Perlen, die nicht im Müll, sondern doch noch auf irgendeine Kette von meiner Tochter gefädelt werden wollen, Schuhbänder usw. Und wenn ich dann unter ihn schaue, ihn also auf den Bauch drehe, ist die lange Bürstenleiste voller Haare und Wollschnipsel (meine Jüngere bastelt gerade viel mit Wolle…) und Zahnseide usw. usf. Dann nehme ich ihn mir behutsam vor, säubere ihn, atme dabei viel Staub ein, niese. Auch die drei dünnen Bürstenarme, die sich immerfort drehen, und ihm den Staub in den Schlund wirbeln, sind voller Haare, und fast nach jedem Einsatz muss ich diese Bürsteneinheit mit einem Schraubendreher abdrehen, um sie von den Haaren befreien zu können. Drei weibliche Geschöpfe mit langen Haaren … what can I say.
Die Säuberung dauert oft auch einige Minuten. Vor allem, wenn ich den Schraubendreher wieder mal minutenlang nicht finde und auf der Suche nach ihm durchs ganze Haus irre, überlege ich mir – ein bisschen wütend auf mich über meine Schraubendreherunordnung – , ob ich mit Staubsauger nicht schneller oder mindestens genauso schnell gewesen wäre. Aber das Gefühl, das ich Bubi gegenüber fühle, ist dennoch immer Dankbarkeit, ich kann es nicht anders benennen. Und ich gestehe freimütig, dass ich dann oft mir ihm rede. Wenn er sich zum Beispiel irgendwo unter der Heizung verfängt und mich dann um Hilfe anfleht (ich verstehe leider nie, was er eigentlich sagt, er spricht englisch, und das Wort „Roomba“ fällt dann oft, er redet von sich anscheinend in 3. Person… wie ein Kleinkind, ach wie süüüüß), dann komme ich gelaufen und rufe ihm schon von weitem zu: „Ich komme ja, was ist denn los, reg dich nicht auf, ich befreie dich!“
Wenn ich es jetzt so recht überlege, danke ich ihm vielleicht auch und ganz besonders für die Hierarchielosigkeit unserer Beziehung. Er heißt Bubi, ich rede mit ihm, er bringt mich immer noch zum Lachen mit seinen putzigen Bewegungen, aber er ist ein Ding. Das befreit mich. Ein von mir beseeltes Ding putzt für mich, putzt mit mir. Eine Hand wäscht die andere. Ein fließender Übergang. Eine ineinandergreifende Handlungskette: Ich bereite ein Zimmer vor, ich drücke den Bubi-Knopf, schließe die Tür hinter ihm (wichtig, sonst haut er ab), ich bereite das nächste Zimmer vor, dann setze ich ihn hier rein, und ich kann dann das erste Zimmer wischen. Während ich den einen Raum wische, höre ich ihn nebenan rumoren. Ich grinse ob unserer perfektionierten Handlungsabläufe. Dann grinse ich, weil ich darüber grinse, und das macht mir alles in allem gute Laune, weird but true. Ich finde, zwischen uns herrscht eine harmonische Beziehung des Gebens und Nehmens.
Das klingt jetzt nach Happy End, eines, das Sozial-Techno-Kitsch zwischen Mensch und Roboter mit integrierter Dilemma-Auflösung erschafft, aber nein, so enden meine Geschichten nicht. Eine Geschichte fehlt noch; sie hat sich erst vor knapp zwei Wochen zugetragen.
Bubi war verschwunden. Über mehr als zehn Tage saßen wir jeden Abend beim Abendessen, und immer dasselbe Gespräch entwickelte sich: Ich sagte ernst: „Leute, der Bubi ist immer noch weg. Bitte habt doch ein offenes Auge, weil so lange er nicht wieder da ist, putze ich nicht.“ Der Streik der Hausfrau hatte begonnen. Daraufhin mein Mann: „Wo mag er nur sein? Ist er auf Weltreise gegangen?“ Diese Vorstellung versetzte uns vier jeden Abend in wilde, alberne Lachattacken. Wir stellten uns vor, wo Bubi gerade sein würde, mit wem er gerade Freundschaft schließt, und wer ihn wohl gerade aus einer misslichen Situation befreit. Und jeden Abend kamen neue Fragen hinzu, zum Beispiel: „Er hat eine weibliche Stimme, aber wir haben ihm einen männlichen Namen gegeben und sprechen ihn mit männlichem Pronomen an. Haben wir ihn damit unwissend gender trouble ausgesetzt, und ihn dann on top of it eventuell nicht genügend auf die grausame Welt da draußen vorbereitet?“ In das irgendwann abflachende Gelächter sagte ich dann jedes Mal, wieder den ernsten Ton aufnehmend: „Tja, ihr seht die Staubflusen überall, der Boden scheint mittlerweile ein wilder Fluss zu sein, sobald man durch ihn schreitet. Also. Wenn ihr nicht untergehen wollt… seht zu.“ Meine Jüngste war dann regemäßig etwa fünf Minuten eifrig Bubi-rufend unterwegs, aber ohne Erfolg, und dann vergaß sie kurze Zeit später, was sie eigentlich suchte.
Irgendwann fand ich ihn. Ohne ihn zu suchen. Unter einem kleinen Schrank im Bad, unter den er es noch nie geschafft hatte. Er hatte sich in diese missliche Lage manövriert, aber er konnte sich allein nicht rausmanövrieren. Und wahrscheinlich habe ich damals seine Rufe nicht gehört und da alles sauber war, hatte ich ihn einfach vergessen. Ich barg ihn vorsichtig, redete auf ihn ein, dass alles gut sei, ich würde ihn jetzt an seine Ladestation setzen, und dann käme er schon wieder zu Kräften. Kurz darauf leuchtete der Reifen auf seinem Rücken wieder grün, Batterie aufgeladen, er war startklar. Es war Wochenende. Ich rief durchs Haus: „Bubi ist wieder da, jetzt wird geputzt!“ Einzig mein Mann war da, die Kinder bei Freundinnen. Stille. Ich fand ihn schockgefroren mitten im Wohnzimmer stehend. Er schaute mich verdattert an. „Eigentlich wollte ich jetzt ins Fitnessstudio… Batterien aufladen…“ Wir schauten uns tief in die Augen. Er schaute seine Sporttasche sehnsüchtig an… das Glück so nah und doch so fern… der Blick wanderte von Tasche zu dreckigem Boden… dann ging ein tiefer Seufzer durch seinen Körper… vier Stunden später glänzte das Haus, wir lachten, unsere karibischen Lieblingslieder schallten durchs ganze Haus, wir hatten einen Putzflow erlebt. Wir waren müde, aber glücklich.
Keine Ahnung, ob das ein haltbares Konzept ist. Alle zwei Wochen einen Wochenendstag für das gemeinsame Putzen zu opfern. Papperlapapp „keine Ahnung“, ich weiß es ganz sicher: Es ist alles weiterhin ein Dilemma. Es lässt sich nicht so einfach auflösen. So á la „ja, versetzt euch doch einfach immer in einen Putzflow!“, tzzz, wenn‘s so einfach wär, ganz ehrlich.
Eine Lösung, die mich zufriedenstellt, gibt es nicht in dieser momentanen Gesellschaftsordnung. Wir müssten das Haus verkaufen. Wir müssten in eine Kommune ziehen. Oder in den Wald, einen Wald, der niemandem gehört. Gibt es nicht… okay… Und dann würde uns diese hierarchische Gesellschaft ja auch immer noch umgeben, und könnten wir je beziehungslos zu ihr sein? Und falls ja: wäre das gesund? Also mir würde Gesellschaft dann auch fehlen… Abhängigkeiten, Beziehungsweisen und so… Verdammt. Nichts ist perfekt. Aber Bubi: Bubi ist perfekt. Uhh, was für ein Träumchen wäre es, wenn mein Mann regelmäßig und völlig entspannt und voller Energie sagen würde: „Come on Baby, I have time, you have time, lets rock the Hausputz together with Bubi and the girls!“
Tja… what’s time got to do with it…
Mein Happy End und die Dilemma-Auflösung liegt also in einem utopischen Wonderland, das durchaus erreichbar ist, wenn… nun ja, einer von vielen Millionen von möglichen Anfängen wäre, dass niemand mehr Bock auf hierarchisierte Putzverhältnisse hätte. Für’s Erste. Und der Achtstundenlohnarbeitstag für alle auf einen Vierstundenlohnarbeitstag verkürzt würde. Für’s Zweite. Feministisch verstandenes BGE für alle. Für’s Dritte.
Was müsste sich dafür alles ändern?
Bis dahin heißt es…
Dilemma End
Bisher sind in dieser Serie erschienen:
Der Herd
Der Kühlschrank
Das Bügeleisen
Die Waschmaschine
Der Mixer
Die Getreidemühle
Die Geschirrspülmaschine
Das Handrührgerät
Die Kaffeemaschine
Der Thermomix
Der Wasserkocher
Der Staubsauger
Die Mikrowelle
Köstlich. Allerdings auch ein bisschen schade. Das Staubsaugen ist so ziemlich das einzige, was mir am Saubermachen gefällt, das lasse ich mir doch nicht von einem Roboter wegnehmen. Ich bin ein großer Fan von Roboterisierung, Aber das Problem ist halt das Aufräumen.
Spannend auch, was du über die Beziehungen und dein Verhältnis zu den verschiedenen Putzhilfen sagst. Zu uns kommt eine schon seit Ewigkeiten, mindestens seit 20 Jahren (ich müsste das mal versuchen, rauszufinden wie lange genau). Mich hat damals eine Arbeitskollegin gefragt, ob ich nicht einen Putzjob zu vergeben hätte, weil die Schwester ihrer Putzhilfe nach Deutschland kommen wollte und Arbeit suchte. Ich sagte ja, und seither kommt sie. Sie ist genauso alt wie ich, kommt aus Serbien, und wir sind sozusagen gemeinsam alt geworden. Ich habe ihr auch nie Anweisungen gegeben oder gesagt, was sie machen soll, da ich ja selber keine Ahnung habe, wie man putzt. Unser Deal ist, dass sie halt macht, was sie nötig findet, und besser als vorher ist es dann allemal. Ich gehe auch meistens weg, wenn sie da ist, weil ich mal irgendwo gelesen habe, dass das den meisten Putzhilfen besser gefällt, weil sie dann nur putzen und nicht auch noch kommunizieren müssen und die Wohnung für sich haben (Kenne das von mir selber auch, möglichst wenig Kommunikation mit Auftraggebern). Aber über die Zeit hat man dann doch unterm Strich viel miteinander geredet und kennt eigentlich die ganze Lebens- und Familiengeschichte der anderen (ich ihre und sie meine). Ich habe wahrscheinlich viel Glück, dass ich mir die Frage nicht stellen muss, ob ich eine Putzhilfe anstellen aka ausbeuten soll, denn ich müsste ihr ja kündigen, um keine zu haben. Wenn sie wegginge, würde ich aber vermutlich keine andere suchen, sondern es auch selbst machen.
PS: Habs Datum rausgefunden – anhand der Unfallversicherung, haha. 2001 hat sie angefangen, wir haben das Zwanzigjährige verpasst, shame on us.
Was für ein schöner Text, vielen Dank! Ich habe mit sehr viel Vergnügen gelesen!
putzen ist eine arbeit wie jede andere. das war bei uns nie hierarchisch. meine putzfrauen waren angestellt, wir redeten miteinander. interessanterweise war nie eine mit migrantischem hintergrund. falls ich da war, habe ich irgendwas gemacht. nichts wo ich konzentration brauchte.
einige zeit hatten wir frauen über die volkshilfe. die wechselten automatisch alle 9 monate. irgendwann beschlossen wir als familie das lieber selber miteinander zu übernehmen. samstag vormittag ist putztag. nach mittag wird nichts mehr gemacht. jedes familienmitglied hatte eine eigene aufgabe (z. b. mein sohn wischte den windfang und das klo). das geld, das wir uns damit sparten wurde für gemeinsames verwendet, das wir uns sonst nie geleistet hätten wie beispielsweise einen richtigen wuzler. das funktionierte wirklich gut. es löste sich erst auf als die erste studieren ging.
jetzt sind wir nur mehr zu zweit, da entsteht deutlich weniger staub, … der putztag wurde aber beibehalten. wenn samstags was geplant ist fällt es halt aus.
Welch ein großartiger Text. Danke!
So ´n bisschen fragende Kritik sollte doch noch sein:
wie weit geht es bzgl. der Schmerzen
nur um “eine richtige Haltung beim Staubsaugen”
oder auch um die Haltung zum Staubsaugen??
Hallo Anne!
Was heißt “mental load”? Was bedeutet es für deine Konflikte um die Hausarbeit mit deinem Mann, dass dir vor zehn Jahren dieser Begriff noch fehlte?
Auch BGE (im vorletzten Satz) verstehe ich nicht…
Es gibt in meinen Augen keinen Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben, weil du jemanden, der das berufsmäßig tut, in deiner Wohnung putzen lässt. Vor allem nicht, wenn die Person versichert ist und gut gezahlt wird. So funktioniert Arbeitsteilung in unserer Gesellschaft. Sicher, wir sind mit dieser Gesellschaftsordnung nicht einverstanden und arbeiten an einer Veränderung. Aber inzwischen ist die Situation der Care-Arbeit die, die sie ist. Ich halte es nicht für sinnvoll, die Probleme, die gesellschaftspolitischen Ursprungs sind, auf die Schultern des einzelnen Individuums abzuwälzen. Das ist unpolitisch gedacht. Und außerdem eine unzumutbare Überforderung für den Einzelnen. Du beutest niemanden aus, wenn du eine versicherte und gut bezahlte Putzkraft einstellst. Die arbeitet für dich, für deine Familie, damit ihr in einem sauberen Haus leben könnt, was ein menschliches Grundbedürfnis ist. Es geht also um eine Arbeit, die der Befriedigung von Bedürfnissen dient und nicht dem Profitgewinn, wie es z. B. in einer Fabrik der Fall ist. Dort kann, im Fall, von Ausbeutung die Rede sein.
Die Frauen, die dieser Art von Arbeit nachgehen, sind auf das Einkommen angewiesen, das sie dadurch erwerben. Ich finde, es gehört sich sowohl die Person, die diese Arbeit tut, respektiert, als auch die Beziehung, die sich dadurch zwischen euch einstellt. Sicher eine Beziehung gegenseitiger Abhängigkeit, weshalb gegenseitiger Respekt und gegenseitige Wertschätzung unverzichtbar sind. Das lässt sich dann von Situation zu Situation aushandeln…
Sicher besteht zwischen dir und einer Putzkraft, die für dich arbeitet, auch ein hierarchisches Verhältnis. Was wichtig ist, ist, dass du es schaffst, die Hierarchie dieser Beziehung als offenen Widerspruch stehen zu lassen, während du gleichzeitig die Verbindlichkeit dieser Beziehung pflegst wie die Verbindlichkeit einer jeden anderen, nicht-hierarchischen Beziehung zu einer Frau. Das macht den Widerspruch erst richtig sichtbar! Und ein offener Widerspruch eröffnet neue Handlungsspielräume, für sie und für dich!
Ich wünsche dir viel Erfolg und bedanke mich bei dir, dass du dieses wichtige Thema in deinem Artikel angesprochen hast! Vielleicht kannst du uns ja über weitere Entwicklungen berichten…
Übrigens: Vielleicht könnte auch eine berufsmäßige Putzkraft bei dir zu Hause die Mitarbeit von Bubi schätzen!!
Hallo liebe Anne!
Danke für deine Antwort! Erst beim wiederholten Lesen deiner Antwort ist mir aufgegangen, wie wichtig mir das Thema ist. Ich habe festgestellt, dass ich mich nicht leicht tue, deine Vorgehensweise zu verstehen, wenn du versuchst, ein Problem argumentativ anzugehen. Aber es lohnt sich, genau hinzuschauen und nach einer Auflösung des Rätsels “Anne Newball Duke” Ausschau zu halten! Kurz möchte ich zusammenfassen, welche Überlegungen mir zu deiner Antwort eingefallen sind:
Du beschreibst im Artikel das Dilemma, das für dich besteht zwischen den beiden Alternativen “Selber putzen und dafür noch mehr Zeit und Kraft für die Hausarbeit in Anspruch nehmen als sowieso nötig” oder “eine professionelle Putzkraft in Anspruch nehmen und dafür in Kauf nehmen müssen, dass sie in deine Privatsphäre eindringt und bei dir zu Hause die Putzarbeit erledigt, während du dich der Arbeit am Computer widmest, was du als eine privilegierte Arbeitsform empfindest und dich selber für dieses Privileg hasst oder auf jeden Fall nicht wirklich mit dem hierarchischen Aspekt der Beziehung zurechtkommst”. Aber du möchtest dieses Dilemma so stehen lassen, wie es ist! Entschuldige, aber ich hatte deinen Text als eine Art Hilferuf aufgefasst, auf den du dir als Antwort den einen oder anderen – möglichst sinnvollen – Ratschlag erwartetest.
Der Unterschied zwischen deiner und meiner Herangehensweise an ein Problem, das wir versuchen, argumentativ zu lösen, besteht meines Erachtens darin, dass wir einen anderen Umgang mit Dilemmata haben. Ich würde ein Dilemma nie so stehen lassen! Einen Widerspruch hingegen schon, aber ein Widerspruch ist nicht das Gleiche wie ein Dilemma. Das Dilemma, das du beschreibst, ist in meinen Augen das Resultat eines gesellschaftlichen Widerspruchs und nicht einfach nur ein persönliches Problem von Anne Newball Duke. Den gesellschaftlichen Widerspruch, der bewirkt, dass Hausarbeit in unserer Gesellschaft missachtet, unterbewertet und vor allem in ihrer Bedeutung (und in ihrem Gewicht!) verkannt wird, kennen wir. Dieser Widerspruch kommt mir wichtig vor. Hingegen kommt es mir auch für unseren Austausch hier nicht hilfreich vor, wenn du solche gesellschaftlichen Widersprüche ausschließlich unter dem Gesichtspunkt “persönliches Dilemma” betrachten willst. Das erweitert in meinen Augen nicht den Erkenntnishorizont! Hingegen könnte eine ausdrücklichere Fokussierung deiner Aufmerksamkeit auf die gesellschaftliche Bedingtheit deines Dilemmas dir meiner Meinung nach helfen, dich von einer unnötigen Last zu befreien und das persönliche Dilemma zu lösen. Der Widerspruch bleibt und wird dadurch vielleicht sogar noch offensichtlicher. Aber gut so! Um es mit Rosa Luxemburg zu sagen: “Der erste revolutionäre Akt besteht darin, die Dinge beim Namen zu nennen.”
Liebe Grüße, Sandra
Liebe WeiterdenkenFrauen, heute hatte ich seit langem endlich mal wieder Zeit euren Text, der nichts mit meiner Arbeit zu tun hat, zu lesen. Natürlich dachte ich, dass das sehr wenig mit mir zu tun haben würde-aber siehe da, ich konn te mich fast nicht davon lösen, so befreiend fand ich dieses Saubermachthema, gerade weil es nie oder meistens abfällig behandelt und beschrieben wird! Also ich danke der Autorin sehr dafür und bitte alle Frauen mehr darüber zu schreiben und zu reden!!! Liebe Grüße eure Ulrike Loos
Köstlich, diese Geschichte mit “Bubi” !
Voll wiedererkennen kann ich mich bei dem geschilderten Unwohlsein während der Arbeit der Putzhilfe. Mein Ex-Mann schaffte es, in aller Ruhe einen Fernsehfilm anzusehen, während um ihn herumgeputzt wurde. Für mich wäre das undenkbar.
Aber ich habe es geschafft mich ins Arbeitszimmer zu verdrücken und sogar die Tür hinter mir zu schließen. Oder – ich umgehe das Unwohlsein, indem ich auf Einkaufstour gehe.
Und wenn dann alles sauber ist und glänzt – so wie jetzt, nachdem sie weg ist, dann genieße ich das doch.