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Rubrik erinnern

Kapitel 17: Noch einmal: Politik und Wirtschaft

Von Antje Schrupp, Dorothee Markert, Andrea Günter

Zum 20. Jubiläum der Flugschrift „Liebe zur Freiheit, Hunger nach Sinn. Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik“ wurde das Büchlein im Christel Göttert Verlag neu aufgelegt und wird hier im Forum auch erstmals online veröffentlicht (hier der Link zum Anfang). Dies ist das letzte Kapitel: Noch einmal: Politik und Wirtschaft.

Flugschrift
Flugschrift “Liebe zur Freiheit, Hunger nach Sinn”

Politik, so wie wir sie verstehen, findet derzeit in Deutschland nicht statt. Management und Effizienzsteigerung in bürokratischen Strukturen oder die bloße Moderation unterschiedlicher Interessen sind keine Politik. Denn ein solches Verständnis der Rolle als Politiker oder Politikerin hat sich von jedem Anspruch auf Gestaltungsmacht verabschiedet. Es ermöglicht der „Wirtschaft“, ständig vom Staat und der Gesellschaft Entgegenkommen zu fordern (und auch zu bekommen), ohne dafür angemessene Gegenleistungen zu bringen oder auch nur ausgehandelte Minimalverpflichtungen einzuhalten.

Wer Politik nur als Moderation versteht, statt mit eigener Stimme aufzutreten, macht Verhandlungen im Sinne des Allgemeinwohls unmöglich. Aber die Rede vom Allgemeinwohl ist selbst längst unter Ideologieverdacht geraten, sie begegnet großem Misstrauen, weil sie zur Verschleierung von Interessen missbraucht worden ist und wird.

Die Bereitschaft, in der Politik die Ebene der Interessensvertretung zu verlassen und als authentische Menschen anzutreten, die gelingende Beziehungen anstreben, scheint immer weniger möglich. Politik beschränkt sich somit darauf, die größten Katastrophen abzuwenden, und entwickelt keine positive Perspektive. Dies ist der Grund für die allgemeine Politikverdrossenheit.

Eine Politik, die ihre Aufgabe ernst nimmt, ist auf der Suche nach einer neuen Qualität, will falsche Alternativen aufbrechen und überwinden, sie sucht nicht die Einigung auf schale und ohnehin äußerst instabile Kompromisse. Politik, die auf der Schaffung und Erhaltung gelingender Beziehungen zwischen den Menschen in ihrer Verschiedenheit beruht, bedeutet, dass die Beteiligten im Prozess von Verhandlungen ihre vorherigen Standpunkte aufgeben können kraft einer einleuchtenden neuen Sichtweise.

Die lauter werdende Klage über die um sich greifende Politikverdrossenheit zeigt das verbreitete Bedürfnis nach einer neuen, lustvollen Politik. Die Frauenbewegung hat aufgezeigt, wo der Anfang einer solchen Politik liegt: Im Horizont von Freiheit, Würde, Sinn und gelingenden Beziehungen kann das Zusammenleben erneuert werden. Dieser Horizont ist die Quelle für das Gelingen von Politik.

Aus: Ulrike Wagener, Dorothee Markert, Antje Schrupp, Andrea Günter: Liebe zur Freiheit, Hunger nach Sinn. Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik. Christel Göttert Verlag, Rüsselsheim 1999, Neuauflage 2019

Autorin: Antje Schrupp, Dorothee Markert, Andrea Günter
Eingestellt am: 15.05.2022

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