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Wenn es anders kommt, als gewünscht

Von Juliane Brumberg

Verschenkt lautet der Titel eines kleinen Romans, der jüngst im Christel Göttert Verlag erschienen ist. Wer hat hier was verschenkt? Eine Mutter, die vielen Jahre, in denen sie ihre Kinder alleine groß gezogen hat? Der Nachbar seine Zeit, weil er immer wieder Anlaufstelle für Sohn und Tochter war, während die Mutter noch im Büro arbeiten musste? Die Kinder ihr Bemühen, der oft überforderten Mutter keinen Ärger zu machen? Oder hat die Mutter sich einfach ver-schenkt, als sie der Tochter zum 30. Geburtstag ein Geschenk macht, das diese nicht annehmen will? Und nochmal ver-schenkt, als sie dem Vater ihrer Kinder nebst neuer Partnerin die ihr heilige Geschichte von der Geburt der Tochter darbietet und dazu einen gänzlich unpassenden Rahmen wählt?

Die Mutter, Claudia, blickt zurück auf die schweren Jahre der Trennung. Auf die Zeit danach, als die Kinder noch klein waren und sie alles richtig machen wollte. Dafür hatte sie die gerade begonnene Karriere als Autorin abgebrochen, um in einem Bürojob ein regelmäßiges Einkommen zu erwirtschaften. Auch da also hat sie sich sozusagen verschenkt. Claudia ist unsicher. Hat sie alles richtig gemacht? Oder war ihr Leben geprägt von einer Kette von Fehlentscheidungen?

Die Kinder geben darauf keine Antwort. Sie sind erwachsen und auf einem guten, erfolgreichen Weg. Sie gehen liebevoll mit ihrer Mutter um, insbesondere, als eine Notsituation eintritt.

Dieses in-Frage-stellen des eigenen Wegs: Ist es eine typisch weibliche Eigenschaft? Insbesondere, wenn es nicht gelungen ist, die althergebrachte Vater-Mutter-Kind-Familienform zu praktizieren? Ist es Claudias Schuld, dass alles so schwierig war? Oder sind es vielmehr die gesellschaftlichen Strukturen, die alleinerziehenden Müttern das Gefühl und die Angst vermitteln, mit ihren Kindern ins Abseits zu geraten, auch wenn sie sich noch so anstrengen und alles geben, was sie zu verschenken haben?

Diesen Fragen spürt das Buch nach und – es ist ja schließlich ein Roman – im Laufe der Handlung eröffnen sich Möglichkeiten, alte Fehlentscheidungen zu revidieren.

Annette Reese, verschenkt, Ein Kurzroman, Christel Göttert Verlag Rüsselsheim 2021, 157 S., 17 €.

Autorin: Juliane Brumberg
Redakteurin: Juliane Brumberg
Eingestellt am: 03.09.2021
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Kommentare zu diesem Beitrag

  • Brigitte Leyh sagt:

    Die psychologische Problematik sollte uns Frauen nicht davon abhalten, in den m ü t t e r f e i n d l i c h e n gesellschaftlichen Strukturen die Ursache zu sehen! Bei Linda Scott in ihrem absolut lesenswerten Buch XX-Ökonomie ist sogar von “Mütterstrafe” die Rede. –

  • genau: wieder gesellschaftlich argumentieren, nicht immer nur alles auf die eigene Psyche nehmen; die Strukturen sind nicht menschenfreundlich und jetzt wäre/ist die Zeit, haben wir die Zeit? die Möglichkeiten? eine neue Gesellschaftsform endlich zu etablieren. Ach, das ist immer wieder meine Hoffnung…

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