Forum für Philosophie und Politik
Von Dorothee Markert
Im Jahr 2020 sollte in Sursee in der Nähe von Luzern die siebte Schweizerische Frauensynode stattfinden. Zusammen mit den „Stadtführungen Sursee“ entwickelte die Vorbereitungsgruppe, an der auch der Verein „Wirtschaft ist Care“ maßgeblich beteiligt war, einen Stationenweg durch die kleine Stadt. Wegen der Pandemie musste die Frauensynode abgesagt werden, aber die Vorbereitungsarbeit war nicht umsonst. Eine wunderschöne kleine Broschüre ist entstanden, an der das Besondere ist, dass sie explizit zur Nachahmung auffordert und anleitet: Stadtspaziergänge wie hier können mit Hilfe dieser Broschüre überall, in jeder Stadt und jedem Dorf, mit recht geringem Aufwand etabliert werden, so die Vision. „Wir laden Sie ein, auch an Ihrem Wohnort herauszufinden, wo Wirtschaft schon überall Care ist und wo sie es an anderer Stelle wieder werden kann! Realisieren Sie ihren eigenen Stationenweg dort, wo Sie wohnen“, so steht es gleich in der Einleitung.
Für jede der 15 Stationen genügt eine Doppelseite, auf der ganz unterschiedliche Elemente untergebracht sind: Auf der einen Seite wird der Ort genannt, beispielsweise der Bahnhofsvorplatz, die ehemalige Landwirtschaftliche Schule oder der Friedhof. Nach der Überschrift, z.B. „Arbeiten“, „Lernen“, „“Schützen“, „Ressourcen Teilen“, kommt eine Impulsfrage wie „Wie würden wir wohl unser Zusammenleben regeln, wenn plötzlich das Geld außer Kraft gesetzt wäre?“. Darunter eine witzige Illustration, die demonstrierende Menschen zeigt mit jeweils zur Station passenden Slogans auf großen Schildern. Auf der anderen Seite steht der eigentliche Stadtführungstext über die Geschichte des jeweiligen Ortes, der meistens kürzer ist als der zu „Wirtschaft ist Care“, in dem gut verständlich der gedankliche und reale Zusammenhang zwischen allen Elementen der Doppelseite hergestellt wird, manchmal gibt es auch noch Worterklärungen am Rand.
Wollen wir einen eigenen Stationenweg erstellen, genügt also die Suche nach einem jeweils entsprechenden Ort und dessen kurzer Beschreibung, alles andere kann aus der Broschüre übernommen werden.
Mich hat die Broschüre angeregt, den Spaziergang gleich für das kleine Dorf auszuprobieren, in dem ich wohne. Obwohl es hier keine mittelalterlichen Gebäude gibt, keine Stadttore und noch nicht mal einen Laden, fand ich trotzdem für die meisten Stationen eine Entsprechung: Fürs „Ankommen“ meine Bushaltestelle, für „Landwirtschaft und Bodensorge“ einen der wenigen noch bestehenden Landwirtschaftlichen Betriebe, für „Sterben“ den Friedhof, für „Schützen“ das Feuerwehrhaus, für „Ressourcen Teilen“ die Bücherschubladen am Rathaus oder das Wasserreservoir, für „Auswandern und Einwandern“ das Haus, das für junge Flüchtlinge gebaut wurde, für „Lernen“ den Kindergarten, für „Arbeiten“ die einzige noch verbliebene Gaststätte, für „Tauschen und Handeln“ den Markt einmal in der Woche. Für die anderen Themen müsste ich vielleicht das ein Kilometer entfernte nächste Dorf noch dazu nehmen.
Auf jeden Fall ermöglicht die Broschüre ganz niederschwelliges, aber wirkungsvolles politisches Handeln, das sicher sogar Spaß macht.
Wirtschaft ist Care – (K)ein Spaziergang
Herausgeberin: Schweizerische Frauen*synode 2021
Die Broschüre kann unter kostenlos bezogen oder als pdf heruntergeladen werden unter http://www.frauensynode.ch/de/material
Liebe Dorothee, wie schön, dass du über den Spaziergang schreibst, das wollte ich auch schon tun und kam nicht dazu. Am liebsten würde ich auch für meine Stadt, mein Stadtviertel einen Spaziergang überlegen, und du hast Recht: es ist wirklich sehr niedrigschwellig und leicht umzusetzen.
Das wäre toll, wenn wir uns hier gegenseitig von Spaziergängen in anderen Städten schreiben – und sie gar dann teilweise besuchen. :-)