Forum für Philosophie und Politik
Von Juliane Brumberg
Nachdenken über Freundinnenschaft ist zur Zeit en vogue. Auch wir haben das in diesem Forum schon hier und hier gemacht. Nun also ein Buch, dessen Titel auf den ersten Blick nicht vermuten lässt, dass es um Freundinnen geht.
‚Bella Ciao‘ ist eigentlich ein Partisanenlied der Resistenza, der italienischen Widerstandsbewegung gegen den Faschismus. Ursprünglich, in einer früheren Version zu Beginn des 20. Jahrhunderts, war es ein Lied, das die Arbeitsbedingungen der Frauen auf den Reisfeldern beklagte und die Sehnsucht der Frauen ausdrückte nach einer Zeit, in der sie endlich in Freiheit arbeiten können.
Über das harte Leben der Frauen auf dem Land und über die mutigen und zugleich tragischen Untergrundkämpfe der Partisanen schreibt auch Raffaella Romagnolo in ihrem Roman, der in der deutschen Übersetzung den Titel ‚Bella Ciao‘ trägt. Spannungsgeladen erzählt sie darin italienische Geschichte, von Armut und Ausbeutung, von Auswanderung und Neuanfang, von den grausamen Härten des Krieges, von Faschismus und Widerstand. Und von dem Zusammenhalt der Familien über Generationen hinweg. Auch wenn mehrere Liebesgeschichten wunderbar zart beschrieben werden, geht es im Plot nicht etwa darum, ob sich die Liebenden – Männlein und Weiblein – am Schluss ‚kriegen‘, nein, es geht darum, ob und wie sich die zwei Herzensfreundinnen nach mehr als 45 Jahren wiederfinden: Mrs. Giulia Masca, die gegangen ist und in Amerika ein neues Leben aufgebaut hat, und Anita Leone die geblieben ist und Freud‘ und viel Leid mit ihrer weit verzweigten Familie geteilt hat. Die kunstvolle Konstruktion der Handlung, bei der wir italienische Geschichte, die unter die Haut geht, erfahren, halte ich für bewundernswert geglückt. Überwiegend sind es Frauen, die die Handlung vorantreiben, starke, feinfühlige, rücksichtsvolle und solidarische Frauen; solche, von denen die Leserin sich wünscht, dass es im echten Leben ganz viele geben würde. Und wahrscheinlich gibt es sie auch, nur wird von ihnen viel zu selten erzählt. Aber auch die Männer werden überwiegend als warmherzig und liebevoll beschrieben – wenn es nicht gerade um den perfiden Gutsverwalter oder die faschistischen Schwarzhemden geht. Sehr klar hat die Autorin herausgearbeitet, dass es überwiegend die Männer sind, die Krieg und Gewalt zum Opfer fallen und die Frauen diejenigen, die sie betrauern und ohne sie den harten Alltag meistern müssen.
Auch wenn das Leben der Protagonistinnen und Protagonisten von Härte und Armut geprägt war, ist es ist ein Buch, in dem ich mich über die ganzen 500 Seiten wohl gefühlt habe. Erst mit der Zeit bemerkte ich, was für tolle Frauen die Autorin neben den beiden Hauptfiguren erschaffen hat und war verblüfft, für welche Überraschungen sie immer wieder gut waren. Giulia Masca und Anita Leone, die beiden Freundinnen, die von kleinauf miteinander verbunden waren und für einander einstanden, gingen nach einer ziemlich unguten Episode im Alter von 20 Jahren getrennte Wege. Außer einem bei beiden tief vergrabenen Schmerz hatten sie nichts, aber auch gar nichts mehr, miteinander zu tun. Doch die Erinnerung an einander (oder an die Freudinnenschaft?) hatten sie, ohne dass ihnen das bewusst war, in einem Winkel ihres Herzens bewahrt. Eine Geschichte, die das Leben so wohl kaum schreiben würde, die aber die Leserin fasziniert!
Raffaella Romagnolo, Bella Ciao, Diogenes Verlag Zürich 2019, 517 S., 24 €.