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Bernardine Evaristo: MÄDCHEN, FRAU ETC.

Von Heike Brunner

In dem Georg-Floyd-Mord-Jahr erhielt die britische Journalistin und Schriftstellerin Bernardine Evaristo für dieses Werk den Booker Price 2019 im Bereich Fiction. Nicht nur, dass erstmals eine weibliche PoC (Abkürzung für: People of Color) mit diesem Preis ausgezeichnet wurde, sondern auch die PoC-Autorin Reni Eddo-Lodge erhielt mit ihrem Erstlingswerk den Booker-Preis im Bereich Non-Fiction. Evaristo, die damals sagte, das hätte sie nach 40 Jahren Erfahrungen im Autorinnen-Business-Spiel noch nicht erlebt und es sei auf jeden Fall der Öffentlichkeit der Black-Lives-Matter-Bewegung zuzuordnen, dass 2019 schwarze Autorinnen von einem breiteren Publikum wahrgenommen würden. Vor noch nicht mal zehn Jahren sah dies ganz anders aus.

Dieses Jahr ist es dann so weit, und ihr Werk wurde ins Deutsche übersetzt.

Der Roman spielt hauptsächlich in England und handelt von zwölf verschiedenen schwarzen Personen, die meisten davon definieren sich als weiblich. Die Protagonist*innen leben vom Ende des 19. Jahrhunderts bis ins Jetzt, so dass der historische Background und Bogen geschaffen wird. Der Background dazu, wie es sich als schwarze – Frau, Mädchen und ja, ETC. – lebte und lebt.

Dass im deutschen das “ETC.” als Titelübersetzung gewählt wurde, ist übrigens mein einziger Kritikpunkt. Im Englischen lautet der Titel: Girl, Woman, Other. Other, das klingt doch gar nicht so beliebig und geschlechtslos wie ETC.? Das klingt doch viel mehr schon nach: Andere, Divers? Genau darum geht es. Es sind Lebensrealitäten aus dem breiten Spektrum von Hetero-, Lesbisch- und Queeren schwarzen-Frauen* und gelegentlich ihren hetero oder queeren Partner*innen, die Frau Evaristo in einzelnen Kapiteln auferstehen und uns (mit-)erleben lässt. Dazu verwendet sie literarische Stilmittel – die Texte muten teils wie Gedichte an. Dies besonders dann, wenn es dramatisch wird und die wenigen gewählten Worte und Sätze den Raum oder die Abgründe öffnen. Faszinierend und erschreckend zugleich ist die Leichtigkeit, mit der sie in schwierige und heftige Themen und Situationen hinein zu schweben scheint und wieder heraus. Die Akteur*innen hinterlässt sie am Ende niemals als Opfer. Mit einem vielleicht britischen “schwarzen Humor” verleiht sie dem ganzen etwas Groteskes im grausamsten Ernst. Die Verflechtungen, die Generationsunterschiede und Blickwinkel geben einen tiefen Einblick in den immer noch allgegenwärtigen Rassismus und Sexismus. Die Perspektivenwechsel ermöglichen ein Verstehen, etwas, woran es in der Gesellschaft oft mangelt.

Hervorzuheben ist ihre Beobachtungsgabe, die an Spannung zunimmt, je mehr das Buch voranschreitet. Übrigens ist das Buch ein bisschen wie eine Folge von Kurzgeschichten lesbar. Natürlich mit einem Überbau, in diesem Falle einer Theaterinszenierung über schwarze Amazonenkämpfer*innen und einer finalen, sehr bewegenden Auflösung. Das Buch ist eine zeitgemäße Reflexion und ein Muss für alle, die mehr hineintauchen möchten in die Kämpfe der weiblichen Black Community. Natürlich ist es auch ein Spiegel für uns mit all den rassistischen, patriarchalen, sexistischen Auswirkungen des Kolonialismus auf und in unsere Gesellschaft bis heute. Das Besondere: humorvoll und ohne Zeigefinger vorgetragen.

Sehenswert auch die digitiale Live Veranstaltung im Rahmen des “Black History Month” mit der Autorin.

Evaristo, Bernardine: Mädchen, Frau ETC. . Verlag Tropen 2021, deutsche Ausgabe, 512 Seiten, 25 €, ISBN-13 : 978-3608504842

Autorin: Heike Brunner
Redakteurin: Heike Brunner
Eingestellt am: 28.02.2021
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Kommentare zu diesem Beitrag

  • Kristin Flach-Köhler sagt:

    Vielen Dank an die Rezensentin!
    Sie hat mich neuegierig gemacht – das Buch ist bestellt.
    Liebe Grüße!

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