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Rubrik Blitzlicht

Immer wieder aktuell: Nachdenken über das Böse

Von Juliane Brumberg

Schon vor mehr als zehn Jahren haben wir in diesem Forum über das Negative nachgedacht. Da gab es noch keine AfD in Deutschland, weniger autokratische Staatenführer in Europa und keinen Trump in den USA. Zunehmend fällt mir unangenehm auf, mit welcher Leidenschaft sich nicht nur in den Medien, sondern in den verschiedensten Zusammenhängen, bei fast jedem Small-Talk, über diese ‚bösen’ Entwicklungen und diese ‚bösen‘ Leute aufgeregt wird. Es wird geradezu darauf gelungert, was sie nun als Nächstes wieder für unmögliche Dinge tun, um sich dann in epischer Breite darüber auszulassen. Mir kommt es manchmal vor, als ob das wie ein spannendes Unterhaltungsprogramm wahrgenommen wird, vor dem wir uns sogar ‚in echt‘ fürchten müssen.

Foto: Bernd Sterzl/Pixelio.de

Damit ich nicht falsch verstanden werde, ich finde diese politischen Entwicklungen weltweit auch besorgniserregend und kann sie in keinem Fall gutheißen. Mir missfällt jedoch die Art, wie darüber gesprochen wird und wie das Negative zum Bösen und dadurch immer größer gemacht wird. Doch welche Konsequenzen werden daraus gezogen? Leider oft gar keine, es bleibt beim Lamentieren.

Ich bezweifle, ob uns als Gesellschaft dieses Lamentieren über das Böse gut tut. Deshalb möchte ich an dieser Stelle noch einmal an die Artikel erinnern, die auf bzw-weiterdenken über das Böse geschrieben wurden, allen voran an die Zusammenstellung Über das Böse von Antje Schrupp. Dass das Negative nicht nur negativ ist, sondern notwendig sein kann, um den Weg zum guten Leben frei zu machen, hat Dorothee Markert im ABC des guten Lebens ausgeführt.

Außerdem hat sie in dem Artikel Die magische Kraft des Negativen Aufsätze der italienischen Diotima-Denkerinnen auf Deutsch zusammengefasst. Darin geht es um verschiedene Aspekte des Negativen: Luisa Muraro zum Beispiel regt an, über die Arbeit nachzudenken, die das Negative leistet, etwa ungute Bindungen zu lösen. Oder Diana Sartori, die insbesondere Mütter in der Versuchung sieht, immer ‚gut‘ zu sein und dadurch problematische Zustände oder Entwicklungen zuzudecken. Delfina Lusiardi schreibt darüber, was es bedeutet, eine Krebserkrankung sprachlich als ‚das Böse‘ im eigenen Körper zu identifizieren. Es geht also um das Negative in ganz verschiedenen Lebensbereichen.

Der politische Aspekt ist, inwiefern Menschen, wenn ihnen Negatives, Böses oder auch nicht selbst verschuldetes Unglück widerfährt, handlungsfähig bleiben. Das hat Antje Schrupp in dem Artikel Das Unglück als Folge des Bösen herausgearbeitet. Sie schrieb: „Die politische Frage wäre also nicht: Wie können wir das ‚Böse‘ erkennen, vom natürlichen Leid unterscheiden und dagegen vorgehen, sondern: Wie werden Menschen im Angesicht des Unglücks frei, also in die Lage versetzt, sich nicht nur als Spielball der Gewalten zu sehen, sondern aufgrund ihres eigenen Denkens zu handeln und zu urteilen?“ Diesen Gedanken führt sie dann weiter aus.

Es lohnt sich, angesichts des Gejammers über das Böse in der Welt diese Artikel wieder zu lesen. Das führt weg vom Lamentieren und hin zu der entscheidenden Frage: Schlimmes geschieht. Was lerne ich daraus? Wie reagiere ich ganz persönlich darauf? Wo sind meine Handlungsmöglichkeiten? – Nebenbei gesagt: Das lässt sich auch auf die ewige Lamentiererei über die Corona-Politik beziehen.

Autorin: Juliane Brumberg
Redakteurin: Juliane Brumberg
Eingestellt am: 29.01.2021
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