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Die Eroberung des Ehrentitels „Frau“ durch die 1970er-Frauenbewegung

Von Dorothee Markert

Der Streit um den Begriff „Frau“, von dem wir gerade wieder eine Neuauflage erleben (siehe das Blitzlicht von Jutta Pivecka „Ich bin keine menstruierende Person“ und die Kommentare dazu) ist mir so unangenehm, dass ich ihm lieber aus dem Weg gehe, als mich kommentierend einzubringen. Während bei den Kontrahentinnen in dieser Auseinandersetzung viel Ärger und Wut zu spüren sind, empfinde ich eher Traurigkeit. Beim Nachdenken darüber, woher diese Gefühle kommen könnten, erinnere ich mich daran, wie bedeutsam die Worte „Frau“ und „Frauen“ zu Beginn der 1970er-Frauenbewegung waren. Als Mitgründerin jener Frauenbewegung, die unter diesem Namen große soziale Veränderungen bewirken konnte, schmerzt mich jedes Abrücken von der großzügig umfassenden Bezeichnung „Frauen“ und jede Relativierung durch Bindestrich-Zusätze. 

Denn für mich war die Selbstbezeichnung als „Frau“ und im sozialen und politischen Kontext als „Frauen“ die erste und tragendste Errungenschaft jener Frauenbewegung, vielleicht sogar das, wodurch sie zu etwas Großem werden konnte.  

Frauen gemeinsam sind stark war der Titel eines Buches mit Texten aus der amerikanischen Frauenbewegung, das uns wenigen politisch aktiven Frauen im Rahmen einer linken Gruppe an der Pädagogischen Hochschule in die Hände fiel. Während wir es lasen, nahmen wir wahrscheinlich zum ersten Mal wahr, dass an unserer Hochschule überwiegend Frauen studierten. Wir beschlossen dann, „etwas für Frauen zu machen“ und verteilten Flugblätter, um zu einem Treffen einzuladen. Wir dachten damals nicht im Traum daran, dass aus diesem Treffen die erste Frauengruppe in unserer Stadt hervorgehen würde.

In unserem Flugblatt sprachen wir 22- bis 25-jährigen Frauen von uns selbst und den anderen Studentinnen noch als „Mädchen“. Ich erinnere mich daran, wie schwer es mir in der ersten Frauenbewegungszeit fiel, von mir selbst als „Frau“ zu sprechen. Ich fühlte mich dabei ein bisschen wie eine Hochstaplerin. Als wir etwas später auch pubertierende Mädchen als „junge Frauen“ zu bezeichnen begannen, spürte ich beim Aussprechen wieder eine solche Hürde. 

Natürlich existierten die Worte „Frau“ und „Frauen“. Doch sie wurden nicht von uns benutzt, wenn wir von uns selbst sprachen, und sie hatten nicht die Bedeutung von etwas Großem, Kostbaren und Umfassenden, die sie dann bekamen. Frauen waren damals noch kein achtbares Gemeinsames, auch nicht für die Frauen selbst. „Frau“ wurde man durch Heirat und Annahme eines neuen Nachnamens – dem des Mannes –, alle unverheirateten Frauen wurden „Fräulein“ genannt, egal, wie alt sie waren. Briefe wurden an „Frau“, „Fräulein“ oder eben „Herr“ adressiert. (Dass das Letztere bis heute noch gilt, ist eine Ungeheuerlichkeit). Ein umfassenderes Wort, wenn mehrere Frauen angesprochen werden sollten, war „meine (sehr verehrten) Damen“. Meine Mutter trichterte mir noch ein, dass ich einen Mann nicht fragen durfte: „Ist Ihre Frau zuhause?“, denn nur er selbst durfte „meine Frau“ sagen. Ich sollte also fragen, ob „Frau Soundso“ zuhause sei, wobei ich mir ziemlich blöd vorkam. Die offizielle Bezeichnung „Ihre Gattin“ brachte ich schon gar nicht über die Lippen. (Was für ein Wort, wenn man daran denkt, dass es von „begatten“ kommt!). Das Wort „Frau“ allein war damals noch kein Ehrentitel, es hatte eher eine abwertende Färbung. In der Sprache unserer Schulkameraden waren wir „die Weiber“, was noch abwertender war. 

In meinem Tagebuch machte ich mir Gedanken, ob ich eine „richtige Frau“ sei, weil ich wieder einmal von meiner „alten Krankheit“ befallen worden war: Ich hatte mich in eine Frau verliebt. Frausein war also auch hier etwas, das mit der „richtigen“ Beziehung zu einem Mann zu tun hatte.

Hausangestellte wurden „Mädchen“ genannt und geduzt, ebenfalls unabhängig von ihrem Alter. Ihre Arbeitgeberin sprachen sie aber selbstverständlich mit „Frau Soundso“ an. Auch weibliche Angestellte in medizinischen Berufen wurden geduzt und mit Vornamen angeredet, während sie umgekehrt natürlich „Herr oder Frau Doktor“ sagten.

All das geriet nach dem Erfolg der Frauenbewegung sehr schnell in Vergessenheit, so dass bei einer späteren Ausstellung der ersten Frauengruppen-Flugblätter nicht mehr verstanden wurde, warum dort von „Mädchen“ die Rede ist. Interessant an unserem ersten Flugblatt ist übrigens auch, dass wir den Rand mit lauter abwertenden Ausdrücken „verzierten“, die Männer damals für Frauen benutzten. Und im Gegensatz dazu stand dann unten der Slogan: „Frauen gemeinsam sind stark“. Ohne dass uns das so genau bewusst war, war hier also schon Fremd- und Selbstbezeichnung, Ab- und Aufwertung ein Thema.

Die Slogans auf unseren Flugblättern und für Demonstrationen sowie die ersten Frauenbewegungslieder unterstützten uns darin, uns in die Selbstbezeichnung „Frauen“ einzuüben, uns diesen Namen zu erobern und ihn mit Stärke, Größe und Würde aufzuladen, beispielsweise: „Wir sind Frauen. Wir sind viele. Wir haben die Schnauze voll“. Oder: „Frauen, kommt her, wir tun uns zusammen. Gemeinsam sind wir stark“. Oder: „Frauen erobern sich die Nacht zurück“. Oder: „Frauen, Frauen, zerreißt eure Ketten, Schluss mit Objektsein in Betten“ und „Drum, Frauen, lasst uns zusammenstehn, …“ Wie bei früheren revolutionären Aufbrüchen vielleicht das Wort „Menschen“ oder andere „große“ Begriffe mit all dem aufgeladen wurden, wonach man sich sehnte und was man für die Welt und das gute Leben aller erreichen wollte, so geschah es nun mit dem Wort „Frauen“. Auch als wir dieses Forum (beziehungsweise-weiterdenken) gründeten, schrieben wir ja nicht „Von Feministinnen für alle“ oder „Von Frauen für Frauen“, sondern „Von Frauen für die Welt“, denn auch wir wollten etwas Großes schaffen.

Während die Worte „Frau“ und „Frauen“ lange Zeit unangetastet blieben, gab es um den Begriff „Feminismus“ von Anfang an Auseinandersetzungen, Spaltungen und gegenseitige Abwertungen. Unterschieden wurde zwischen sozialistischen und bürgerlichen Feministinnen, zwischen Gleichheits- und Differenzfeministinnen, in den USA zwischen (weißen) feminists und (schwarzen) womanists. In ihrem 2010 erschienenen Buch Auf dem Markt des Glücks schreibt Luisa Muraro, in der geschichtlichen Realität sei der Feminismus „ein Schlachtfeld“. (In meiner Zusammenfassung wählte ich einen weniger blutigen Begriff: „ein umkämpftes Feld, ein Kampfplatz“).

Wahrscheinlich begann die Erosion des starken und umfassenden Wortes „Frauen“ bereits in den 80er-Jahren, als nach Erscheinen des Mütter-Manifests plötzlich von „Frauen und Müttern“ gesprochen wurde, was ja vom Wortsinn her genauso blödsinnig ist wie das später sich einbürgernde „Frauen und Lesben“, als ob Mütter und Lesben keine Frauen wären. Als dann sogar das Frauenzentrum umbenannt wurde in ein Frauen- und Lesbenzentrum, war für mich klar, dass dies kein Ort mehr für mich war.

Ich denke, dass das Bedürfnis zur besonderen Hervorhebung der jeweils eigenen Besonderheit in beiden Fällen eine Folge von Kränkungen war, die dann später, als man sich stärker fühlte, solche Wortschöpfungen hervorbrachten. Zu Beginn hatten es Mütter in der Frauenbewegung sicher schwer, mit ihren Anliegen Gehör zu finden. Zwischen lesbischen und heterosexuellen Frauen gab es immer wieder Missverständnisse, Kränkungen und Misstrauen statt gegenseitiger Dankbarkeit. Anstatt dankbar zu sein, dass unsere Frauenbeziehungen an den von der Frauenbewegung geschaffenen Orten viel freier gelebt werden konnten als sonstwo und dass wir aufhören konnten mit den vorher in der Subkultur üblichen Mann-Frau-Rollenspielen und einfach Frauen unter Frauen sein durften, wurde den heterosexuellen Frauen übelgenommen, dass sie zu wenig wertschätzten, wie sehr all die neuen Frauenorte von dem lebten, was lesbische Frauen an Engagement und Care-Arbeit einbrachten. Unterschieden wurde später auch noch in „Matriarchatsfrauen“ und „patriarchale Frauen“. Als ich nach einem Vortrag bei den ersteren von einer Zuhörerin eine „patriarchale Frau“ genannt wurde, war ich beschämt und sehr wütend, es empörte mich ebenfalls, wenn diese Zuschreibung andere Frauen traf, beispielsweise Alice Schwarzer.

Die jetzigen Auseinandersetzungen und Forderungen in Bezug auf den Umgang mit dem Wort „Frau“ könnten ebenfalls eine späte Folge von Kränkungen durch Ausschlüsse sein. Eine schmerzliche Erinnerung ist für mich das Schlussplenum beim bundesweiten Lesbentreffen 1993 in Freiburg, als über den Ausschluss von Trans-Frauen gestritten wurde und eine dieser Frauen schließlich weinend den Saal verließ. Ich hab mich nicht getraut, bei einem so großen Plenum das Wort zu ergreifen, um den damals dominierenden, mit allen Mitteln ums Prinzip kämpfenden Frauen Einhalt zu bieten. Anstatt mit der Ausgeschlossenen mitzuweinen, hätte ich wenigstens versuchen sollen, mir Gehör zu verschaffen, auch wenn ich wahrscheinlich keine Chance gehabt hätte. So ist meine Trauer über das Gezänk um das mir so kostbare Wort “Frau” auch eine Folge davon, dass ich damals nicht mutiger war.

Autorin: Dorothee Markert
Redakteurin: Dorothee Markert
Eingestellt am: 14.06.2020
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Kommentare zu diesem Beitrag

  • monika opalensky sagt:

    vielen dank für diese informativen und vor allem sehr berührenden gedanken! bin jahrgang 1954 und dankbar für diese stück “zeitgeistreflexion”.

  • Elanne sagt:

    Gerade jetzt kommt diese mail. Meine spontane Frage: Wie miserabel geht es den Frauen eigentlich?
    Ich höre gerade einen Roman über Hysterische in ndr kultur, der auf Tatsachen beruht. Ich suche nach “Hysterie”, ja den Ausdruck gibt es nicht mehr,er ist sexistisch, klar, er heißt jetzt histronische, oder dissoziative Störung oder Konversionsstörung, alles sehr nebulöse Diagnosen.
    Gegen Hysterie wurde früher auch Beschneidung vorgenommen, heute noch in England.Also ist die Diagnose: Frauenhass beim Arzt.Wie wertet ein Arzt, sagen wir, Nachrichten lesen oder Analysieren bei einer Frau, wie bei einem Mann?

  • Hanne Pfeiffer sagt:

    Danke, liebe Dorothee, für den Artikel. Auch mich machte der Beitrag zur “menstruierenden Person” sehr nachdenklich und ich bemerkte ein großes Unbehagen in mir. Durch Deine so guten und berührenden Gedanken kam für mich nun ein großes Aha. Viele eigene ähnliche Erlebnisse tauchten auf. Und die Überlegung zu den gegenseitigen Verletzungen will ich noch weiter in mir tragen und bewegen.

  • Antje Schrupp sagt:

    Liebe Dorothee, vielen Dank für den Artikel, der für mich noch einmal vieles “aufgeschlossen” hat. Ja, in der Tat kann ich mich auch noch dunkel daran erinnern, dass in meiner Kindheit durchaus nicht alle “menstruierenden Menschen” den Ehrentitel Frau zugesprochen bekamen. Ich verstehe jetzt besser, was mich an diesem Streit so stört: Der Begriff “Ehrentitel” beschreibt sehr gut, warum mir das Frausein so wichtig ist, und warum mir gleichzeitig wichtig ist, dass das etwas anderes bedeutet als “Weibchen der Gattung Mensch”. Wäre es nämlich nur das, wär mir das Frausein komplett egal, genauso wie mir das rein sozial konstruierte Frausein der Queertheorie komplett egal ist. Der Satz “Ich bin eine Frau” ist für mich nur bedeutsam, wenn dieses Frausein eine politische, oder zumindest handelnde Dimension bekommt. Danke für diese Erkenntnishilfe!

  • Antje Schrupp sagt:

    Ich habe eben auch nochmal in meinem Blog etwas zu all dem geschrieben: https://antjeschrupp.com/2020/06/16/was-ist-eine-frau/

  • Elfriede Harth sagt:

    Bemerkenswert fand ich schon immer, dass die deutsche Sprache die Bezeichnung “Weib” als Neutrum behandelt. Wobei Weib früher kein Schimpfwort war, zu dem es mit der Zeit gemacht wurde. Ob das Neutrum “mindere Wertigkeit” ausdrückt? (Das “Mädchen” = die kleine Magd, und warum nicht das Knaeblein, sondern Knabe/Bub/Junge?)

    Ich fand es ebenfalls bemerkenswert, dass der Brauch, dass eine Frau bei der Heirat den Namen des Mannes annahm, nicht universal ist. In romanischen Ländern z.B. Frankreich, Spanien, Lateinamerika…, ist das nämlich gar nicht der Fall. Die Frau behält ihren Namen (bzw den ihres Vaters, wenn sie aus einer Ehe stammt, sonst eben den ihres mütterlichen Großvaters). In Spanisch sprechenden Ländern wurde der verheirateten Frau der Name ihres Ehemannes angehängt mit einem “de”(von), aber sie behielt ihren Namen. Und die Kinder aus dieser Verbindung trugen beide Namen, den des Vaters und den der Mutter (bzw des mütterlichen Großvaters)
    Noch etwas: die höfliche Anrede einer (erwachsenen oder als solche angesehenen jungen) Frau im spanischen Lateinamerika ist Doña Vorname. Egal, welchen Familienstatus sie hat: ob verheiratet oder nicht. Den Begriff “Eltern” oder “Kinder” (im Sinne von Nachkommen, nicht von jungen Menschen) gibt es nicht, bzw nur die maskuline Form. Padres (=Väter) bezeichnet auch Vater+Mutter, hijos (=Söhne) Söhne+Töchter, hermanos (=Brüder) Bruder+Schwester, etc…

    Machismo (spanisches Wort!) hat also ganz viele Gesichter….je nach kulturellem Hintergrund…. (es gibt auch neben dem Begriff Feminismo den Begriff “hembrismo” (von “hembra” = Weibchen wie es für Tiere verwendet wird), der sowas bedeutet wie Misandrie oder Männerhass/AntiMannSexismus

    Ich finde diese ganzen Diskussionen sind für mich Symptome des “postpatriarchalen Durcheinanders”. Verwirrend, teilweise desorientierend, teilweise verletzend….. ist es nicht eine weitere Facette der Debatte um “Rassismus”?

  • Maria Coors sagt:

    Liebe Dorothee, danke für den Artikel. Ich habe viel gelernt, was ich noch nicht wusste, und ein bisschen Unterbau für meine sehr reflexhafte Ablehnung von Ansprachen wie “Damen” oder “Gattin” bekommen. Und ich finde es sehr stark und berührend, wie du die Spannung erzählst, die ich in dieser Diskussion auch erlebe. Einerseits die enorme Kraft, die von einer politischen Positionierung als “Frau” ausgeht. Und andererseits das Mitfühlen und Mitleiden mit denen, die dabei schmerzliche Ausschlüsse erleben. Das ist nämlich auch der Punkt, wo sich mein Erleben irgendwie komplett unterscheidet von anderen und wo ich nicht weiterkomme in dieser Diskussion… Ich habe schon extrem nervige Typen erlebt, die sich mit extrem nervigem Gelaber über Dekonstruktivismus und ein bisschen sehr flach rezepierter Queer-Theory versucht haben ihre endlosen Redeplätze zu erhalten und in jeden Space reinzukommen. Aber für die Akzeptanz- und Lebens-Kämpfe von Trans-Menschen allgemein und Trans-Frauen im besonderen fühle ich nur Solidaität. Ich habe das nie als Bedrohung erlebt weder für mich noch für das politische Frauen-Subjekt. Vielleicht auch mal andersherum: Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sich jemand unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen “einfach nur so” aussucht sich als Frau zu identifizieren… also danke jedenfalls für den starken Text!

  • Antje Schrupp sagt:

    @Elfriede – Danke für den Hinweis auf das Neutrum des “Weibs” und des “Mädchens”, das wäre ja ein weiterer Hinweis darauf, dass das (gesellschaftlich) “Frauliche” in das “Menschenweibchen” in der (deutschen) Kultur erst durch die heterosexuelle Bezugnahme auf den Mannkonstruiert wurde. Würde man die Debatte um die Begriffe von der Biologie lösen, könnte man viel besser die unterschiedlichen kulturellen Herangehensweisen an das biologische Phänomen selbst untersuchen, vergleichen, daraus lernen. Dass wir immer schon meinen, wir wüssten, was mit “Frau” gemeint ist, macht die Grenzen des Denkens so eng!

    Ich hatte dar+ner neulich schonmal am Beispiel der Steinzeit (https://antjeschrupp.com/2020/03/24/gab-es-in-der-steinzeit-schon-frauen-und-manner/) und am Beispiel der Yoruba (https://antjeschrupp.com/2020/01/11/gender-bei-den-yoruba-noch-ein-paar-uberlegungen/) nachgedacht. Ich finde das ein total spannendes Thema und würde mir wünschen, jemand würde mal eine Dissertation darüber schreiben :))

  • Marie sagt:

    Vielen Dank für diese Reflexion! Sehr interessant! Ich bin Jahrgang 1977. Das damals so erkämpfte Wort Frauen finde ich so sehr schwierig, als ob es nur in Relation zur Stellung des mannes, des Herrn, mit Bedeutung aufgeladen wurde. Insofern bin ich froh, dass sich Begriffe wandeln und inklusiver werden für diejenigen, die das wünschen und brauchen.

  • Dorothee Markert sagt:

    Danke für all eure Kommentare und dir, Antje, fürs Weiterdenken in deinem Extra-Artikel.
    @Marie, woher nimmst du die Einschätzung, das Wort “Frauen” sei “nur in Relation zur Stellung des Mannes, des Herrn, mit Bedeutung aufgeladen worden”? In meinem Text steht das nicht, und ich habe es auch nicht so erlebt.
    @Maria Coors, das Wort “Solidarität” ist für mich in der politischen Diskussion immer wieder ein schwieriger Begriff. Denn wo sie eingefordert wird, ist sie oft mit starkem Moralismus verbunden. Und der ist besonders stark bei denen, die selbst gar nicht betroffen sind, aber sich anmaßen, für die Betroffenen sprechen zu können.
    Wenn ich geschrieben habe, das Bedürfnis zur Hervorhebung der eigenen Besonderheit auf Kosten der vorher gemeinsamen, “großen Sache” – und der Drang, andere dazu zu zwingen, dies auch zu tun – sei wahrscheinlich eine späte Reaktion auf frühere Kränkungen, dann heiße ich das nicht gut, auch wenn ich Verständnis dafür habe. Wer sich gekränkt, gedemütigt, kleingemacht, vernichtet … fühlt, steigt oft aufs hohe Ross, um wieder hochzukommen, erhebt sich über die anderen (zumindest innerlich), macht sich also selbst größer und besser und die anderen kleiner und schlechter, als sie sind. (Da spreche ich aus meiner eigenen Erfahrung als früher sehr kränkbare Person!!). Dabei gerät dann leider das vorher gemeinsame und von einem starken Begehren getragene Anliegen aus dem Blick, also beispielsweise das Ziel eines guten Lebens für alle. Das einzige, was m. E. hilft, ist “runtersteigen”, also miteinander reden und einander wieder in den realen Dimensionen wahrnehmen. Also letztlich sich selbst nicht so wichtig nehmen. Das kann ich aber nicht anderen verordnen, nur mir selbst. Für mich heißt das beispielsweise, dass ich wahrnehme, dass Lesben unter den Frauen eine Minderheit sind und nur dort mit ihrer Besonderheit sichtbar werden müssen, wo dies politisch notwendig ist. Also dort, wo die Mehrheit die Minderheit am guten Leben hindert oder wo die Minderheit Erfahrungen vermitteln kann, die für alle wichtig sind.

  • Susanne sagt:

    vielen vielen Dank für diese Reflektion und das Einbetten in den historischen Kontext!
    ich war, als ich auf Antje Schrupps’ Blog auf den Artikel von Jutta Pivecka gestoßen bin, erstmal schockiert und atemlos. Ungläubig, weil mich so Vieles verstörte.
    Der Ton, der da zwischen den – anscheinend total – verhärtenden Fronten, die Ängste, Schmerzen, Emotionen, die da ganz offensichtlich mitschwingen und die Debatte vergiften, die rationalen Überlegungen, die fast unmöglich gemacht werden vor lauter Emotion und Beschimpfungen…
    Ich brauchte dann einige Tage, mir selber darüber klar zu werden, wie ich selber dazu stehe und was genau mich so stört an der medialen Debatte gerade.
    Dabei bestärkt mich jetzt dein Bericht über die Anfänge der 2. Welle in Deutschland, was für eine Kraft es erforderte und was für eine Kraft es freisetzte, sich als FRAU zu bezeichnen. Stolz darauf zu sein. Sein zu dürfen.
    Wie schön es gewesen sein musste, endlich einen Platz zu haben, wo frau sich mit anderen Frauen in Ruhe und in einem geschützten Rahmen austauschen konnte. Wo sie aufgehoben war, nicht kämpfen musste, keinem Männer-Bild entsprechen musste.
    Das haben wir Nachgeborenen (ich bin Jg. 1971) euch zu verdanken. und ich bin wirklich dankbar dafür!

    Dass es dann dazu kam, dass die Frauenbewegung sich quasi von innen aufspaltete – in Mütter, Nichtmütter, Lesben, … – und plötzlich diese Unterscheidungen wichtiger wurden als der gemeinsame Nenner – ‘wir sind Frauen’ – ist so bitter. Vielleicht menschlich, gleichwohl bitter. Es gibt ja Erklärungsmodelle dafür, dass jede Gruppe eigens gesehen werden wollte, dass jede Gruppe sich nciht von der jeweils anderen Gruppe nicht genügend respektiert oder anerkannt fühlte, und ich frage mich dennoch immer, warum das so tief traf, dass die Debatte dermaßen vergiftet wurde und es plötzlich mehr um die Unterschiede ging als um die gemeinsame Sache ‘wir sind Frauen’.

    Ähnlich empfinde ich gerade die Debatte, wenn biologische Frauen von sozialen Frauen angegriffen werden und umgekehrt und sie sich beiden Frau-Sein absprechen.
    Das macht mich fassungslos.
    Wo ist das Problem, wenn ich sage: es gibt biologische Frauen, die Erfahrungen machen – vor allem körperlicher Art (daher bin ich auf den Begriff biologische Frau gekommen) – die mensch nur machen kann, wenn sie eine Vagina, einen Uterus und Ovarien hat. Denn natürlich ist es eine überwältigende Erfahrung, wenn ich menstruiere, schlicht und ergreifend, weil es etwas potentiell Schöpferisches ist. Das ist keine besondere Leistung, das ist einfach so. (Frau Voss hat das in ihrem ‘Schwarzmondtabu’ sehr toll aufgearbeitet)
    Das macht biologische Frauen nicht besser oder schlechter als soziale Frauen, es eröffnet ihnen einfach eine andere Erfahrungswelt.
    Genauso wie soziale Frauen eine andere Erfahrungswelt haben, die Cis-Menschen nicht kennen.
    Es gibt also, geometrisch gesprochen eine große Schnittmenge zwischen sozialen und biologischen Frauen – und es gibt Teilbereiche, zu denen die jeweils andere Gruppe keinen Zugang hat. Haben kann. Worin ich (!) kein Problem sehe.

    Ich kann all die Frauen verstehen, die von einem quasi gewalttätigen Drängen von Transfrauen berichten, die Zugang zu Gruppen für Rituale der Weiblichkeit oder von Mißbrauchsopfern fordern; für die scheint das aggressive Pochen auf Teilhabe von Transfrauen als ledigliche Weiterführung männlich-aggressiven Verhaltens.
    Ich kann auch all die Transfrauen verstehen, die sich erneut ausgeschlossen fühlen, wenn sie endlich soweit sind, sich als Frauen in der Gesellschaft zu bewegen, und dann von biologischen Frauen hören ‘du kommst hier nicht rein’. Wobei es einfach Ausschließen und Ausschließen gibt; weil die Frage ist, welchen Gewinn eine nicht-biologische Frau z.B. von Ritualen zur Menstruation haben soll?

    Gleichzeitig kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass in dieser Debatte viele biologische Frauen auch deshalb so vehement ablehnend reagieren, weil sie gar nicht glauben können, dass ein Mann sich (mehr oder weniger) freiwillig entscheidet, als Frau zu leben. Weil für sie Frau-Sein mit Schwäche, Opfersein und Schmerzen verbunden ist.

    Ich würde mir also sehr mehr Verständnis auf beiden Seiten wünschen, weniger Abschottung und vor allem viel viel viel mehr Behutsamkeit und Vorsicht im gegenseitigen Umgang.

  • Heike sagt:

    Liebe Dorothee,
    das ist wirklich ein ganz spannender und wertvoller Beitrag zu dieser großen Diskussion. Worte sind einfach mit bestimmten Assoziationen verknüpft und sowie “Frau” erorbert werden musste, ist es nun die Frage ob “schwanger werden könnende Person”, dies schafft. Person, als solches ist ja auch nicht wertefrei. Ich erinnere mich zu gut an Ausrufe meiner Oma: Diese Person!, womit eine junge, gutaussehende Nachbarin gemeint war, die ihren Lebenstil etwas freiheitlicher pflegte…

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