Forum für Philosophie und Politik
Von Michaela Moser
Einige Tweets zum Geburtstag von Virginia Woolf haben mich bewogen, endlich wieder mal was von ihr zu lesen. Und das war gut, denn ich war schon lang nicht mehr so gefesselt von einem Text, wie von diesem.
„Three Guineas“ ist nicht so bekannt/beliebt wie „A Room of One’s Own“, aber ich konnte mich erinnern, den Text „früher mal“ genauso geliebt zu haben und kann bestätigten: Er ist genauso lesenswert, von nicht unanstrengender Ausführlichkeit zwar, dafür in brillianter Sprache.
Vom kritischen Zugang einer Politik alleiniger Gleichberechtigung (es braucht „Mehr“) und zu Bildung (welche Gesellschaft sollen wir mitgestalten lernen/lehren) über Care, Gender Pay Gap und Intra-Haushalts-Verteilung ist da viel drin, was Feminist*innen auch heute beschäftigt.
Besonders beindruckend find ich Woolfs nachdrücklichen Appell, nicht aufzuhören, darüber nach- und weiter-zu-denken, ob (bzw. unter welchen Bedingungen) wir uns in die „Prozessionen der gebildeten Männer“ (auch wenn uns diese nun offen stehen) einreihen wollen bzw. sollen.
Und der Gedanke, dass es vielmehr um ein Leben im Kontrast bzw. Widerstand ginge, um die Zugehörigkeit zu einer „Society of Outsiders“, und dabei Statusfragen und -symbolen genauso abzuschwören, wie jeglichem Patriotismus/Nationalismus.
Denn (aus diesem Essay stammt dieses berühmte Woolf-Zitat): „As a woman I need no country, as a woman I want no country …” und damit erst recht auch nichts, was dies an problematischer Rede von „uns“ oder „den unseren“ mit sich bringt.
Die „Society of Outsiders“, die längst besteht (aus unter anderem vielen kleinen feinen widerständigen Aktivitäten) kommt ohne Büros und Meetings aus, braucht keine Hierarchien oder Preise, sehr wohl aber Kreativität und Abenteuerlust, um neue Worte, neue Welten zu (er)finden.
Und diese Art der Alternativensuche (zum Beispiel, um Kriege zu vermeiden – das ist die Aufhänger-Frage des Essays) – wie auch die genaue Analyse der problematischen „Prozession der gelehrten Männer“ – sollte uns tagein, tagaus beschäftigen.
Die Ausrede „Ich habe keine Zeit“ lässt Woolf dabei nicht gelten, nach- und weiterdenken könnten und müssten jedenfalls diejenigen, die über die entsprechenden Privilegien verfügen überall und jederzeit.
„The daughters of educated men have always done their thinking from hand to mouth; not under green lamps at study tables in the cloisters of secluded colleges … They have thought while they stirred the pot, while they rocked the cradel…”
„It’s up to us now: Let us think in offices, in omnibuses, while we are standing in the crowd … let us think … at baptisms and marriages and funerals. (…) Let us never cease from thinking – what is this ‘civilization’ in which we find ourselves …?
Dies und noch mehr scharfe feministische, anti-faschistische, anti-militaristische Patriarchatskritik und Alternativen – much to the point! – gibt’s im englischen Originial hier zum freien Download.
“…, nach- und weiterdenken könnten und müssten jedenfalls diejenigen, die über die entsprechenden Privilegien verfügen überall und jederzeit.”
Hier eine Möglichkeit, in die vom Deutschlandfunk gestartete Denkfabrik-Aktion die vielen Denkweisen weiter zu geben:
Deutschlandradio und seine drei Programme suchen Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit. Intendant Stefan Raue erklärt, was sich dahinter verbirgt.
https://www.deutschlandradio.de/denkfabrik.3618.de.html
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So nötig wie das tägliche Brot: Denken und weiter denken um aus dem Gefängnis von eingegrenzten Denkgebäuden herauszufinden. Passt zu dem, was ich auf Antjes Blog verlinkt habe:
https://antjeschrupp.com/2018/07/28/wie-kommen-wir-aus-der-scheisse-wieder-raus/#comments