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„Who Moves?!“ Feministische Perspektiven auf Migration

Von Elfriede Harth

Nach „Who Cares?!“ verwendet die feministische Künstlerinnengruppe Swoosh Lieu bei ihrer zweiten Produktion „Who Moves?“ erneut ein englisches Wort, um sich der Vorstellung einer Wirklichkeit anzunähern, der Idee, die wir uns einzeln und kollektiv davon bilden. Vorige Woche waren sie bei einer Podiumsdiskussion über „Feministische Perspektiven auf Migration“ im Frankfurter Mousonturm.

To move bedeutet bewegen, sich bewegen, umziehen, übersiedeln, ausziehen, verschieben oder ver-rücken, aber auch aufwühlen oder innerlich berühren. Es geht darum, sich bewusst zu machen, dass unser Denken und unsere Vorstellung von Dingen und Sachverhalten geprägt werden durch die Art, wie wir sie wahrnehmen. Durch Bilder, denen wir ausgesetzt sind (nicht nur durch die Medien).

Diese Bilder erzählen eine Geschichte über Menschen, die von ihrer Heimat und ihrem alten Leben aufgebrochen sind, und wecken ein Echo in unserem Innern. Dieses Echo, diese empathische Reaktion auf die Bilder und die Geschichte, die sie uns erzählen, ist wiederum bestimmt durch die symbolische Ordnung, die unser Denken und Fühlen prägt. Wir haben im Laufe des Lebens innerhalb der Gruppe Menschen, mit denen wir in Beziehung leben, innerhalb unserer Gesellschaft und Kultur Muster erlernt, die uns dabei helfen, die Welt zu deuten. Die uns helfen, unseren Platz darin zu erkennen.

Selten sind wir uns dessen bewusst. Denn die Bewältigung des Alltags nimmt oft unsere Aufmerksamkeit so in Anspruch, dass wir uns nicht immer fragen, warum wir die Welt so sehen, wie wir es tun, und ob diese Sicht der Dinge überhaupt richtig ist. Ob wir nicht vielleicht den Blick und das Verständnis unseres Verhältnisses, unserer Beziehungen zu anderen unbewusst dazu nutzen, uns zu stabilisieren. Um die bestehende symbolische Ordnung als richtig und stimmig zu bestätigen und damit unsere Vorstellung von der Welt und unseren Platz darin zu bekräftigen. Denn diese „Standortbestimmung“, diese Verortung im Gewebe unserer Beziehungen, rechtfertigt, wie wir denken, fühlen und handeln. Wie wir uns selbst sehen und verstehen.

Swoosh Lieu will sich aus einer feministischen Perspektive auseinandersetzen mit dem Thema Migration: Warum setzen sich Frauen* freiwillig und unfreiwillig seit Generationen und in unterschiedlichen politischen Kontexten in Bewegung? Warum setzen sie sich über Grenzen hinweg, wofür kämpfen sie?

Wie schon beim ersten Kapitel der Trilogie „What is the plural of crisis? – Who cares?“ wollen die Künstlerinnen unser Denken herausfordern. Fragen wir uns doch mal kritisch: Wie sehen wir die Wirklichkeit um uns herum, welche Bilder umgeben uns, wer produziert diese Bilder und wie kommen Frauen* darin vor? Welche Gefühle erwecken diese Bilder in uns? Was machen sie mit der symbolischen Ordnung, die unser Denken und Fühlen und Handeln bestimmt? Wie berühren und bewegen sie uns und wie antworten wir darauf?

„Wir schaffen das!“ sagte Angela Merkel angesichts des Andrangs von Migrant_innen, die sich 2015 über die Balkanroute in großer Zahl in Bewegung setzten. Tausende von Menschen empfingen sie in Deutschland und wollten helfen. Warum? Wer waren diese Menschen, die sich auf den Weg gemacht hatten? Warum hatten sie es denn getan? Mit welchen Hoffnungen und Erwartungen? Und mit welchen Hoffnungen und Erwartungen wurden sie empfangen? Von wem?

Eine große „Care-Bewegung“ setzte sich damals „in Bewegung“. Besonders Frauen fühlten eine dringende Motivation, für die zu sorgen, die da ankamen. Warum? Was motivierte sie und was gab ihnen selbst ihr Einsatz? Welches waren ihre Beweg-Gründe? Was hatten die Bilder der Ankommenden in ihnen bewirkt? Wie blickten sie auf die Migrant_innen?

An der Diskussion im Mousonturm nahmen zwei Frauen von Projekt Shelter teil, einer Initiative, die sich für die Selbstorganisation von Geflüchteten in Frankfurt einsetzt: eine Frau, die auf der Suche nach einem besseren Leben aufgebrochen war nach Deutschland, und eine Frau, die sich hier in Frankfurt mit ihr und vielen anderen verbündet im Kampf um Veränderung. Hin zu einer Welt in der alle selbstbestimmt teilhaben können an der Gestaltung von lebensbejahenden Verhältnissen.

Es ist ein Kampf um ganz konkrete Bedingungen, die es ermöglichen, eingebunden zu werden in ein Netz von Beziehungen, das trägt: bezahlbarer Wohnraum, einen Job, um die eigene Existenz sichern zu können, einen Platz in der Schule für die Kinder, die erforderlichen Papiere.

Die Soziologin Katherine Braun legte den Finger in die Wunde des tief verankerten Kolonialismus unserer symbolischen Ordnung. Sie zeigte auf, wie dieser wie eine Brille wirkt, die den Blick dahingehend beeinflusst, in den Frauen* in Bewegung vor allem Opfer zu sehen, Menschen mit Defiziten, statt Akteurinnen.

Nach diesem Diskussionsabend bin ich jetzt sehr gespannt auf die „performative Montage der Beweggründe“ von Swoosh Lieu. Sie wird unter dem Titel Who Moves?! im Frankfurt LAB (Schmidstraße 12) vom 9. bis 11. Dezember jeweils um 19.30 Uhr zu sehen sein.

Autorin: Elfriede Harth
Redakteurin: Antje Schrupp
Eingestellt am: 14.11.2017

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