Forum für Philosophie und Politik
Von Cornelia Roth
Vor kurzem war ich auf einer Tagung „MaskuWork und FemiCare?“ des Forschungsverbunds ForGenderCare. Die Tagung beschäftigte sich mit dem Verhältnis von Frauen und Männern zur Care-Arbeit, also der Sorge und Fürsorge für andere Menschen. Frauen wird diese Rolle in vielen Bereichen auf den Leib geschrieben, Männer meiden Care-Arbeit immer noch oft. Die gesellschaftliche Bewertung von Care-Arbeit ist nicht hoch, schlecht bezahlt ist sie auch. Viele Frauen wollen oder müssen berufstätig sein, die unentgeltliche Care-Arbeit in der Familie oder im Ehrenamt ist in eine Krise geraten, die sich noch durch den allgemeinen gesellschaftlichen Zeitmangel verschärft. Häufig wird Care-Arbeit an ausländische weibliche Arbeitskräfte outgesourct, oft unter schlechten Bedingungen.
Wie kann die Wertschätzung von Care-Arbeit erhöht werden, bei Männern – und auch wieder bei manchen Frauen?
Hier finde ich den Namen der Initiative Care.Macht.Mehr inspirierend: Viele Männer (aber auch Frauen) könnten entdecken oder wiederentdecken, dass ihnen wesentliche Lebenserfahrungen entgehen, wenn sie Care-Arbeit anderen überlassen. Dass sie künstlich von Lebenswirklichkeit und von gelebtem Leben abgeschnitten sind. Weil bei der Care-Arbeit die menschlichen Beziehungen im Mittelpunkt stehen, in ebenso alltäglicher wie zugleich elementarer Weise: Dabei sein, was ein Kind entdeckt und zum ersten Mal macht. Erleben, was Krankheit bedeutet und wie gut menschliche Zuwendung tut. Die Kostbarkeit der eigenen Lebenstage wahrzunehmen in der Begegnung mit dem Altern. Aber auch wahrzunehmen, wie dadurch einige Dinge unwichtiger und andere wichtiger werden.
Diese Grunderfahrungen, durch die jeder Mensch schon selbst gegangen ist oder gehen wird, werden in der Care-Arbeit geteilt. Das macht nicht nur Sinn, es schenkt auch Sinn. Care-Arbeit ist durch und durch sinnvolle Arbeit, weil sie elementar ist wie das Brotbacken und weil sie erfahren lässt, dass wir als Menschen einander nicht nur brauchen, sondern auch haben.
Dies ist aber nur eine Seite, wenn sie isoliert betrachtet wird, wird es unhaltbare Romantik. Die andere Seite steckt in dem Wort Notwendigkeit. Care-Arbeit kann ohne Notwendigkeit nicht gedacht werden. Notwendigkeit ist im Zusammenhang mit staatlichen Maßnahmen ein verbrauchtes Wort, zum Beispiel wenn Dinge als „Sachzwang“ dargestellt werden, die sich dann später als Lobbyinteressen erweisen. Das Wort „Notwendigkeit“ ist auch ungeliebt, wenn es um den Bereich der Freizeit geht, die dem Privatbereich zugeordnet ist, in dem endlich Freiheit herrschen soll.
Aber statt zu erzählen: „Leider, leider muss jetzt zuerst das Notwendige gemacht werden…“ ließe sich stattdessen im Zusammenhang mit der Care-Arbeit an einen Ethos anknüpfen, der im traditionellen „Männerselbstverständnis“ durchaus Tradition hat und keine schlechte: „Tun wir das Notwendige, packen wir es an!“, so hieß zum Beispiel eine Werbung der Ölfirma Esso vor Jahrzehnten, an die ich mich in diesem Zusammenhang ironischerweise erinnere.
Mir ist bewusst, dass das die Gefahr birgt, Heldenklischees mit zu nähren – aber wenn man nichts wagt und mit nichts spielt, geht dann was weiter?
Und um noch ein bisschen – auch empirische – Butter bei die Fische zu bringen:
https://bundesforum-maenner.de/maenner-und-arbeit/pflege/
Ein Beitrag bereits vom 23.02.2015.
Eigentlich habe ich in meinem persönlichen Umfeld z.Zt. überwiegend Männer, die ihre Eltern oder Frauen pflegen, vor allem Männer der Jahrgänge 1955 bis 1965.
Die meisten dieser Männer sind wegen der Zivildienstverpflichtungen (Rettungsdienste/Alten-/Pflegeheime) bis Ende der 90er Jahre dafür auch recht gut gerüstet, anders als die wenigen Frauen, die in meinem Umfeld z.Zt. pflegen. Die unterlagen nämlich diesen Verpflichtungen nicht und haben deshalb auch keine Schulungen erhalten. Folge: Unvermögen, Überforderung, mangelnde Distanz, Kleinkriege mit den zu pflegenden Menschen.
Wie geht das mit Ihrem Postulat zusammen, dass nur wenige Männer sich für Care-Arbeit “zuständig” fühlen ? Oder sprechen Sie nur vom professionellen Bereich ? Auch in diesem steigt aber die Anzahl der Männer – zumindest hier im Raum Berlin – kontinuierlich an.
Wie passt das also ?