Forum für Philosophie und Politik
Von Andrea Günter
In unserem Beitrag „Sich vom Denken einladen lassen“ haben Claudia Conrady und ich, Andrea Günter, die Leserinnen dazu eingeladen, sich an unseren Denkbewegungen zu beteiligen. Wir freuen uns über die bzw-weiterdenken-Kommentare, zu manchen Texten kommt eine Diskussion auf! Ein paar Beiträge von Leserinnen sind angekündigt und wir hoffen, dass diese tatsächlich zustande kommen. Denn neue Gedanken und längere Gedankenspiele entstehen aus unterschiedlichsten dialogischen Formen.
Entlang von Thesen und Reaktionen kann bemerkt werden, was noch zu ungenau, zu unvermittelt, zu unklar ist. So praktizieren wir es auch in den Denkwerkstätten. Manchmal taucht sogar eine Themenstellung auf, die aufgegriffen werden muss und kann. So ging es mir mit dem Kommentar von Daniela Ghielmetti zu „Gerechtigkeit ist eine Denkweise, Teil 2“ . Die Kommentatorin bemängelt, warum frau überhaupt auf einen männlichen Philosophen wie Platon zurückgreifen soll, wenn der Anfang der Philosophie doch weiblich war.
Seit Jahren finde ich in der männlichen Kanon- und Paradigmenbildung aller wissenschaftlichen Disziplinen Misogynie verkörpert und analysiere vorherrschende Kategorien als „genderbiased“. Seit meiner ersten Doktorarbeit, also schon seit Jahrzehnten, arbeite ich bewusst und gezielt zu Denkerinnen unterschiedlichster Kontexte. „Gender biased“ ist das Fachwort dafür, dass in Worte, Konzepte, Begriffe Geschlechterbilder eingeschrieben sind. So ist in „passiv“ „weiblich“ eingeschrieben, in die Tugendhaftigkeit von Frauen Passivität, was Frauen zu bloßen Empfängerinnen von Tugendanweisungen oder aber auch von Textinhalten macht. Ich teile also die Gründe und Ambitionen der Kommentatorin (soweit ich sie einschätzen kann) durchaus, dennoch spreche ich in bestimmten Texten positiv von, über, entlang des Gedankengebäudes eines Mannes. Ich habe Gründe dafür, die ich im Folgenden darlegen werde.
Daniela Ghielmettis Ausführungen bilden einen interessanten Anlass, auch in dieser Frage zu verdeutlichen, was nicht absolutes, sondern was relationales Denken beinhaltet. Denn die Fragestellung, was es heißt, sich als feministisch ambitionierte Denkerin auf eine männliche Denktradition zu beziehen und wie dies getan werden kann, verlangt nach Kriterien, will sie nicht in einen oberflächlichen Geschlechtsdualismus verfallen. Daniela Ghielmettis Kommentar hat bei mir herausgekitzelt, was ich aufgrund meiner langjährigen Auseinandersetzung mit der Problematik, androzentrische Traditionsbildungen zu überbieten, dazu weibliches Denken hervorzuheben und zugleich männliche Traditionen aufzugreifen, sagen kann.
Warum sich mit Platon bzw. seinen Texten auseinandersetzen, wenn er doch ein Mann ist? Warum nicht einfach Frauen lesen?
Platon, einen männlichen Autor nicht lesen sollen, weil er ein Mann ist? Weil er überdies als wichtig erachtet wird, während seine Vordenkerinnen nicht beachtet werden? Welche Sichtweise steckt hinter einer solchen Vorstellung? Eine Frau lesen ist gut, weil es eine Frau ist, einen Mann lesen ist überflüssig, weil es ein Mann ist? Denkerinnen sichtbar zu machen, geht das nur, indem Denker ignoriert werden?
Derartige Identifizierungen von Textinhalten, Geschlechtsontologisierungen von Wahrheiten über Autorschaften sind aus vielen Gründen sehr seltsam. Speziell einer Platonlektüre eine historische andere und einzige Situation entgegenzustellen, in der Philosophinnen-Vorgängerinnen seine Dialogkunst begründet hätten, argumentiert absolut. Egal ob patriarchal oder vor-patriarchal, einen einzigen historischen Zeitpunkt absolut zu setzen, ignoriert alle weitere Geschichte der Menschen, und gerade die der Frauen. Es muss und kann übergehen, was Denkerinnen wie Hannah Arendt und Simone de Beauvoir über geschichtliches Denken ausgeführt haben. Auch dies ist ein Ergebnis eines onto-theologischen Denkens.
Ich muss Platon also nicht größer, aber auch nicht kleiner machen als er ist. Ich kann ihn lesen und vor, neben, nach ihm Denkerinnen lesen, so wie ich selbst schon seit vielen Jahre praktiziere. Ich kann schätzen, dass er sich Sokrates Sichtwese zu eigen macht, entgegen der Vorstellung einiger antiken Griechen, Philosophie müsse in einer männlichen homosexuellen Geisteskultur gründen, die Liebe zur Weisheit in einer Denkkultur der Muttersprachlichkeit zu sehen. Auch die sogenannte männliche Philosophie der Antike war nicht monolitisch gleichgeschaltet, ebenso wenig wie in der Querelle de Femmes. Nicht-ontologisch zu denken, nicht falsch zu vereinheitlichen, genau das lernt man sehr präzise von Platon.
Platon denkt ganzheitlich, indem er politisch denkt. Deshalb ist er für eine Hannah Arendt interessant, die sich der Totalitarismuskritik widmet. Er kann die Verschiedenheit der Frauen denken, indem er sie jenseits der Polarisierung Mann-Frau denkt, durch die absolute Positionen verteilt werden. Er sieht Frauen, die ebenso begabt, und solche, die ebenso dumm sein können wie Männer begabt und dumm sein können.
Wenn ich Platon lese, werde ich weder automatisch zur Sklavin einer androzentrischen Philosophiegeschichtsschreibung noch zur Sklavin von Platons Texten und seinen Gedanken. Hingegen werde ich zur Sklavin eines onto-theologisierten Verständnisses von Autorschaft, genauer gesagt einer Moral bezüglich einer Autorschaft, außerdem zu der – sei es der wahren, sei es der falschen – Geschichte der Philosophie, wenn ich ihn aus den ausgeführten Gründen nicht lese, vorausgesetzt, ich will ihn lesen.
Nein danke, ich mache mich nicht freiwillig zur Sklavin einer Lesemoral. Ich bestehe darauf: ich lese selbst. Denn über die Autorschaft hinaus, was bestimmt die Relation eines Textes, seines Vordenkers oder seiner Vordenkerin zu mir, zu meinem Lesen, Denken, Schreiben? Eine vorgegebene Autor-Identität, Text-Geschlechts-Ontologie oder Philosophiegeschichte? Eine, in der es mich deshalb als Leserin wieder einmal nicht gibt? Wenn es mich jedoch als Leserin nicht gibt, kann es mich dann überhaupt als Autorin geben?
Mich, die Leserin, meine Aktivität des Lesens, darüber hinaus die Autorin eines daraus resultierenden Textes auszuschalten, das ist Ignoranz. Hannah Arendt weist darauf hin, dass historisches Denken gerade kein politisches ist, weil aus der Vergangenheit nichts ableitbar ist. Politisches Denken dagegen verpflichtet sich nicht der Vergangenheit, sondern der Zukunft. Erst mit dieser Relativierung des Historischen bin ich politisch, bin ich mit meinem Engagement als Leserin und Autorin gefragt.
Außerdem, ich beschäftige mich nicht mit Platon, um mich mit Platon zu beschäftigen. Ich de- und rekonstruiere das Philosophische, das Ethische, das Politische entlang einer Theorie der Gerechtigkeit, die eine gerechte Theorie der Gerechtigkeit werden soll.
Zugleich, wo fängt das mit der Männlichkeit von Worten und Gedanken an, wo hört es auf? Prinzipiell kann jedes Wort, ja sogar jeder Gedanken männlich sein, denn Männer gebrauchen alle Worte, haben unzählige, verschiedene Gedanken ausgesprochen. Welches Wort, welchen Gedanken kann frau da überhaupt noch gebrauchen? Welchen ihr Eigen nennen? Kann sie nur selber sprechen, wenn sie an den Anfang der Geschichte geht und einer Ursprungsmetaphysik des Denkens verfällt? Muss eine, die inmitten der Zeiten lebt, nicht schweigen, weil kein einziges Wort ungebraucht, jungfräulich rein, weiblich ist?
Insbesondere haben viele Männer den Geschlechtsdualismus hochgehalten und daraus eine Ursprungsmetaphysik des Denkens gemacht: den Männern Wortautorschaft, den Frauen Wortempfängnis. Reicht es, diese Dualisierung einfach umzukehren? Geht das überhaupt? Ich ziehe es vor, solchen Dualisierungen nicht länger zu folgen und vielmehr auf die Offenheit eines Wortes, eines Gedankens, eines Textes zu bauen. Worte, Gedanken, Texte sind mehr als ihr Autor, als ihre Autorin, mehr als ihre historischen Ursprünge. Worte, Gedanken, Texte können von der Zukunft her gelesen werden, von meinem Begehren, dem es eigen ist, sich in die Zukunft zu bewegen, auch indem es versucht, von der Zukunft her Jetztzeit zu denken.
Gleichgültig ob Autorin oder Autor, zu einer Dominanzkultur zählt es, die Tätigkeit des Lesers, erst recht der Leserin, dirigieren zu wollen, sie von irgendwelchen Tatsachen abzuleiten, letztlich als Passivität zu behandeln. Dass historische Ursprünge dafür ebenso deterministisch eingesetzt werden wie „natürliche“ Ursachen, hat Simone de Beauvoir eindrücklich am Beispiel des historischen Materialismus kritisiert. Wenn ich mich jedoch fürs Lesen entscheide, bin ich keine Empfängerin von Moral, egal, ob sie von einem Mann oder einer Frau kommt. Ich lese selbst, stelle die Verbindungen her, stifte neue, stelle mich in die Mitte der Zeit. Das heißt, ich bestimmte gerade auch die Relation, die ich zu einem Text eingehe. Platon ist vielleicht auch ein Mann. Vor allem aber ist er für mich als Leserin: mein Platon. Was ich bei Platon lese, über Platon sage und schreibe, ist mein Platon-Interesse, meine Platon-Lektüre, meine Platon-Interpretation. Als Leserin und Interpretin bin ich aktiv, nicht passiv. Als Autorin und Denkerin reproduziere ich nicht Vergangenes, sondern bewege mich in Zukünftiges hinein. Erst die Achtung vor der Produktivität der Leserin ist das Zentrum einer geschlechtergerechten Ethik des Medialen. (Günter 2014, 123-140)
Als aktive Leserin stelle ich mich grundsätzlich in die Tradition des weiblichen Begehrens, selbst denken zu wollen und dabei all das zu nutzen, was mein Denken, meine Fragen, meine Überlegungen weiterbringt. Manchmal gehört dazu gerade auch Platon. Ich schreibe über Platon also in der politischen Kultur der Offenheit der Worte, Gedanken, Texte: der Muttersprachlichkeit. Darin aber lese ich Platons Texte hin zu weiblicher Freiheit.
Die Erkenntnisse über den Spracherwerb von Kindern führen deutlich vor Augen, dass eigentätiges Sprechen und Denken darauf beruht, all das, was andere (Erwachsene) sagen, dazu zu nutzen, um dem Eigenen folgen zu können und hierzu eigene Unterscheidungen treffen und Verbindungen hervorbringen zu lernen.
Als Beschreibung dieses Tätigkeitskomplexes zitiere ich das Lehrbuch zur „Sprachentwicklung beim Kind“ der weltweit anerkannten Wissenschaftlerin Gisela Szagun, das sie schon vor 30 Jahren geschrieben, dann immer wieder aktualisiert hat und das nach wie vor als Standardwerk gilt:
Ein Kind eignet sich Wissen über einzelne Tiere und Pflanzen an, die für Erwachsene in die Kategorie der Lebewesen gehören. Es mag wissen, dass Hunde und Katzen fressen und trinken. Dass sie Babys haben, dass sie sich bewegen und herumrennen. Es weiß auch, dass kleine Hunde und kleine Katzen wachsen. Bäume und Gras fressen nicht, haben auch keine Babys, aber Bäume und Gras wachsen. Sie haben Samen, und es gibt neue Bäume und neue Gräser. Weder Bäume und Gras, noch Katzen und Hunde sind von Menschen gemacht. Katzen und Hunde sind für das Kind Lebewesen, da sie in einen Kontext von Verhaltensweisen eingebettet sind, die menschenähnliche beseelte Wesen auszeichnen… (Szagun, Sprachentwicklung, 52013, 215)
Hören/lesen und sprechen/denken bildet sich im Mobile von unterscheiden, verstehen, kombinieren, neu verbinden, Ähnlichkeiten verfolgen, Kategorisierungen finden, Thesen bilden usw. Dadurch entstehen Minitheorien ebenso wie große Theorien. Sie können beständig sortiert, erweitert, verdichtet werden.
Dieser Tätigkeitskomplex kennzeichnet die Muttersprachlichkeit. Sie begründet die Fähigkeit, inmitten des schon Gesagten selbst zu sprechen, zu denken. Diese Fähigkeit ist aktiv, unabhängig davon, welchen Texte jemand liest, ebenso wie davon, wer einen Text geschrieben hat. Auf diese Fähigkeit können wir uns verlassen.
Zitiert, wie es euch gefällt, hatte Silvia Bovenschen zu Beginn der 90er Jahre ausgerufen! Dies gilt auch im Umgang mit Texten von Frauen. Wie viele Frauen lesen Texte von Frauen so, dass sie in ihnen das lesen, was sie eh schon denken? Nein danke, darauf verzichte ich. Ich denke lieber selbst, auch wenn es um Frauentexte geht. Auch hier kann ich bereichernde und schwächende unterscheiden. Auch hier entscheide ich, was mein Denken an welchem Punkt und wie weiterbringt.
Dabei ist mein Platon gerade auch der Platon von Frauen durch die Geschichte der Philosophie hindurch. Eine Hildegard von Bingen, Christine de Pizan, Teresa von Avila, Simone de Beauvoir, Hannah Arendt, um nur einige zu nennen: keine hätte das, was sie geschrieben hat, schreiben können, ohne Platon zu kennen und ohne ihn dabei vor allem selbst gelesen zu haben. Manche dieser Autorinnen sagen das auch explizit aus. Sie engagieren ihn, denn Platon hilft gegen den Rationalismus der Vernunft, gegen totalitäres Denken, gegen theologischen und philosophischen Dogmatismus, gegen Bevormundung, gegen die Behauptung der männlichen oder weiblichen Bedingtheit von bestimmten Zwecken und Mitteln, gegen die Stereotypisierung des Frauenlebens. Deshalb haben ihn unterschiedliche Philosophinnen durch die Jahrtausende hindurch unterschiedlich dafür genutzt, um ihre eigenen Theoreme zu entwickeln und einige seiner Vorstellungen in unterschiedlichsten Kombinationen für ihre Fragen und die Herausforderungen ihrer Zeit zu nutzen.
Den Platon nämlich gibt es nicht. Platon ist immer ein anderer Platon. Oder wie Hannah Arendt es kommentiert: Platon wurde immer falsch verstanden. Gerade deshalb ist Platon mein, unser Platon.
Dass Denkerinnen ihre eigene Rezeption machen, um ihren Fragen nachzugehen und ihre Überlegungen weiterzuentwickeln, das gilt dabei nicht nur für Platon. Das gilt für die anderen Denker auch. Auch Kant gibt es als “weiblichen Kant“, als den Kant der Frauen (Günter: Der weibliche Kant. Der Kant der Frauen, Welt, Stadt, Zusammenleben. Pluralität und Geschlechterphilosophien, Königstein/Ts. 2007, 96-108).
Die Vorschrift, Denkerinnen lesen zu sollen, führt sie in der Gegenüberstellung, Männer nicht lesen zu sollen, nicht auch eine heimliche Leseanleitung mit sich, was das Lesen von Denkerinnen betrifft? Wie muss ich Denkerinnen, die sich auf Platon beziehen, lesen, wenn Frauen darauf verzichten sollen, Männer und insbesondere Platon zu lesen? Muss ich sie lesen, ohne zu beachten, auf welche Vordenker sie sich beziehen? Welche Missachtung ihrer Tätigkeit als Leserin! Welche Missachtung ihrer Autorschaft!
Was würde ich ferner nicht alles versäumen. Wahrscheinlich würde ich eine ganz Menge überlesen, weil ich es nicht einordnen könnte, es mir vielleicht gar nicht auffiele, zufällig, nebensächlich erschiene. Was würde ich an ihrer Originalität verpassen! Was an ihrem Beitrag zu einem anderen Denken!
Männer und Frauen zitieren, wie es uns gefällt! Statt eines Autor-Ursprungs-Denkens also ein Denken als muttersprachliches Lesen im Mobile, ein Text getragen in der Relation zu mir, in einer Relation, die darauf setzt, dass er mir gefallen, mein Denken bereichern kann. Es ist die Dekonstruktion, die dies als einen kreativen Akt, der Zukunft von Sinnhaftigkeit zu gewinnen sucht, herausstellt. Diese philosophisch-literaturwissenschaftliche Charakterisierung des Lesens betont gerade die Leserin, ihre Inanspruchnahme von Texten als Effekt ihres Begehrens nach Texten und Textemen.
Aus alten Mauern Bausteine herauslösen, um neue eigene Gebilde zu gestalten, hat Luisa Muraro diese Tätigkeit ins Bild gefasst (Die Menge im Herzen, 163-175). Das „wie es uns gefällt“ bleibt dennoch nicht beliebig. Es verlangt eine präzise Lektüre und Auseinandersetzung. Seine Bedingtheit ist geleitet durch meinen Hunger nach Denken und Verstehen, denn in diesem werden die Kriterien dafür erkennbar, nach denen aus vorhandenen Gebilden Elemente herausgefiltert und mit anderen neu zusammengefügt werden können. Seien es Texte von Frauen, seien es Texte von Männern, sie müssen durch das Tor meines Begehrens als Leserin hindurch gelangen. Dies verhindert regelrecht Identifikation: weder von mir mit einem Text noch von einem Text mit mir. Stattdessen eröffnet es lesende Differenz(ierung), wobei Lesen und Schreiben durch das Begehren eine Ausrichtung erfährt. Genau damit wird Platon mein Text. Vielleicht wird er so sogar weiterhin und erneut ein gemeinsamer Text von verschiedensten Frauen, wie er ein gemeinsamer Text von Hildegard von Bingen, Christine de Pizan, Teresa von Avila, Simone de Beauvoir, Hannah Arendt und mir geworden ist.
Ich als -ältere- studierte Philosophin, die viel von Platon gelernt hat, und auch von Hildegard von Bingen, Christine de Pizan, Teresa von Avila, Simone de Beauvoir, Hannah Arendt, um nur einige zu nennen, sende dir mal zwei Gedichtchen zum Thema. Viel Spaß beim Lesen! Diana
Platons Utopia
Wie eine alte Sage geht, die an ´ner Stell bei Plato steht,
waren die Menschen einst kugelrund, gefestigt in sich und kerngesund…
Sie rollten wie Früchte vor sich hin, so recht zufrieden mit frohem Sinn.
Sie hatten vier Arme und vier Bein und schienen vollkommen glücklich zu sein.
Das neideten die Götter ihnen, dass sie so rund und glücklich schienen,
und hieben sie mitten durch den Stiel, so dass jeder in zwei Teile zerfiel…
Und alle Hälften suchten jetzt
ratlos konfus und sehr entsetzt
ihren anderen Teil und probierten es zwei,
dann passten sie oftmals nicht zusammen
Das ist es was die Alten sangen…
Drum wenn sich zwei zusammenfügen, um das gewisse Gefühl zu kriegen, so sollten sie ihr Bestes geben für ein so rundes volles Leben.
Denn treffen sie alleinige Hälften der Frucht, bemerken sie schnell, dass mancher noch sucht,sie denken hoffentlich dann:
„Heute fangen wir – wieder mal – von vorne an!“
Das Reich der Ideen bei Platon, ist das “eigentliche Sein”
Die Ideen sind bei Platon das wirkliche Sein, das find ich gemein…
Ich lebe meist in der Wirklichkeit, die gibt mir jedoch oft Anlass zum Streit. Ich hätte da schon gute Ideen, doch andre müssen die erstmal verstehn. Die haben aber oft ganz andre Gedanken, da stoß ich stets an meine Schranken. Drum ich schon lieber den Hegel lese, der hat´s mit These und Antithese. Und die Synthese die ich dann erkenne, ist die, die ich endlich mein eigen nenne. Doch öfters ist sie mir nicht augenscheinlich, das ist mir dann peinlich… Verkriech mich also in meine Höhle und erforsche die Einheit von Leib und Seele…
Doch letztendlich: Ist die Hannah mein Fall, ich halte die Welt sehr oft für banal. Lebe mein Vita activa, deshalb bin ich meistens im Hier und Da. Und halt´s mit der Weisheit: Mein Kopf ist rund, denk um mich rum, denn die Welt ist bunt…
Grüße Diana Engelhardt
Es ist doch wunderbar, daß ein Mensch – ein Mann vielleicht – vor Jahrhunderten etwas dachte und seine Gedanken niederschreib, und ich heute diesen Text lese, in meinem ganz konkreten Kontext. Daß ich ihn da einbaue und damit verändere. Denn er wurde ja in einem ganz anderen Kontext verfaßt. Trotzdem kann ich wesentliche Elemente, die damals entstanden, zu mir herüberretten. Es ist ein Material, das mir erlaubt, meinen eigenen Kontext in einem anderen, einem neuen Licht zu sehen. Meinen Kontext, den der damalige Autor ja gar nicht kannte. Vielleicht sehe ich jetzt manches klarer, was ich schon vorher ahnte. Vielleicht entdecke ich etwas, das mir vorher entgangen war. Das verändert mich. Und diese Veränderung hat zur Folge, daß ich nach eingen Jahren, wenn ich den jahrhunderte alten Text erneut lese, nochmals feststelle, daß darin Botschaften enthalten sind, die ich bei meiner ersten Lektüre gar nicht gesehen hatte. Ich erkenne den Text wieder, aber mit neuen Augen und einem neuen Herzen. – Es ist für mich immer wieder ein faszinierendes Erlebnis, diese Lebendigkeit zu erfahren. In mir, in der Botschaft, in dem Dialog, der Zeit und Raum überwindet und ein beglückendes Zugehörigkeitsgefühl schenkt.