Forum für Philosophie und Politik
Von Diana Sartori
Zum ersten Abschnitt des Textes
Auf der Suche nach einer weiblichen Lehre dafür, die Welt zur Welt zu bringen, scheint mir die Figur der Teresa von Avila ein gutes Beispiel zu sein. Aus einem bestimmten Blickwinkel betrachtet ist dies zwar schon tausendfach herausgearbeitet worden, denn es gibt ja gerade deshalb so viele Heilige und Heiligenviten, damit diese ein Beispiel geben. Andererseits ist aber diese Frage überhaupt nicht beantwortet, denn das Anliegen, mit dem ich, die ich gar nicht religiös bin, mich an Teresa wende, hat wenig mit ihrer Heiligkeit zu tun.
Im Gegenteil war mir diese Heiligkeit, die ihr von der Autorität der Kirche zugesprochen wurde, ihre Anerkennung als Kirchenlehrerin und auch das Streben nach Gott, das ihre Werke durchdringt, beim Befragen und Deuten der Worte und der Geschehnisse oft ein Hindernis, so sehr, dass ich mir manchmal darüber klar wurde, nun erst die richtige Interpretation ihrer Sprache zu finden. Diese Hindernisse, die darin liegen, wie die Gestalt und die Worte Teresas in Erscheinung treten, die bereits in einer Übersetzung, in eine Regel oder in einen Kodex eingeschrieben waren, denen ich misstraute, erwiesen sich dennoch alle als weitgehend irrelevant für das, was mich bewegte. Ebenso irrelevant waren sie dafür, Teresa als beispielhaft für meine Fragestellung zu charakterisieren.
Dieses Phänomen könnte banal scheinen, aber es ist bedeutsam im Hinblick auf das, was ich über Teresa ausführen möchte, und von dem ich zudem glaube, dass man es durch ihre Lehre erfahren kann.
Das Beispiel, wie die Erfahrung und das Werk einer Frau, die so sehr an eine bestimmte Tradition angepasst war, dass sie sogar von dieser heiliggesprochen wurde, für ein weibliches Subjekt zum Vorbild werden kann, das dieser Tradition überhaupt keine Autorität zuspricht, scheint lehrreich für das, was man einen „sexuierten hermeneutischen Zirkel“ nennen könnte: einen Sinnzusammenhang, der zwischen einer Leserin oder Fragenden und dem Werk, dem Wort oder dem Leben einer anderen Frau entsteht.
Außerdem hat es mit einer viel grundlegenderen Frage zu tun, nämlich wie es möglich ist, dass sich für das weibliche Wort ein wahrhaftiger Sinnhorizont gerade in dem Augenblick eröffnet, wo der Horizont, den der Kodex des Wortes selbst umreißt, eine solche Möglichkeit ausschließt.
Im Hinblick auf diese beiden Probleme scheinen mir Teresas Ausführungen eine ziemlich genaue Auskunft zu geben: Es handelt sich um den Hinweis auf den Faktor der Beziehung, der damit verbunden ist, die Zugehörigkeit zum menschlichen weiblichen Geschlecht nicht zu verkennen, und darum das Wort zu befreien.
Diese Faktoren sind Teresa beide präsent.
Ich versuche also zu klären, was mich zu der Bewunderung veranlasst, aus der heraus ich ihren Worten zustimme. Es war ihre Leidenschaft für die eigene Freiheit, die mich ergriffen hat, die Größe ihrer Wünsche, ihre Kraft, sie zu bejahen und zu realisieren, ihre Fähigkeit, zu vermitteln, und das heute noch, vier Jahrhunderte später. Vor allem aber hat mich beeindruckt, dass Teresa immer die erste Bedingtheit gegenwärtig hielt, die ihr vom Schicksal gegeben war, nämlich die, eine Frau zu sein, eine Bedingtheit, die sie nicht ablegen konnte. Niemals versäumte sie, das zu unterstreichen, weder was sie selbst anging, noch im Hinblick auf ihre Gesprächspartner und -partnerinnen. Und das waren fast immer Frauen: Sie wendet sich an ihresgleichen; von diesen, von uns, von mir sollen ihre Worte gehört werden, wenn sie Worte anbot und sprach.
Mich hat also sowohl sie selbst als auch ihr Wissen ergriffen, dann vor allem aber ihre Fähigkeit, mich zu erobern.
Dabei handelt es sich nicht um einen Kausalzusammenhang: Teresa ist sich bewusst, wie wichtig diese Verbindung zwischen Liebe und Vertrauen ist, insbesondere wenn sie sich an Frauen wendet. Zu Beginn des „Wegs der Perfektion“, einem Text, den sie ihren Nonnen gewidmet hat, sagt sie:
„In Anbetracht der großen Liebe, die die Schwestern mir entgegenbringen, glaubte ich, dass ihnen das, was ich ihnen Unvollkommenes und in schlechtem Stile sagen werde, vielleicht angenehmer sei als manche sehr gut geschriebenen Bücher, die von Männern verfasst sind.“ (CP, 19)
„Diese Liebe sowie mein Alter und die Erfahrung, die ich bezüglich einiger Klöster habe, können dazu beitragen, dass ich in kleinen Dingen das Rechte besser treffe als die Gelehrten, die wegen anderer wichtigerer Geschäfte und als starke Männer kein so großes Gewicht auf Sachen legen, die an sich unbedeutend erscheinen. Aber so schwachen Wesen, wie wir Frauenspersonen sind, kann alles schädlich sein.“ (CP, 20)
Schon in diesen kurzen Passagen tun sich einige klärende und hilfreiche Hinweise dazu auf, welche zentrale Bedeutung der Faktor der Beziehung für Teresa hat, wobei eine Beziehung ihrer Erfahrung nach immer durch die Geschlechterdifferenz geprägt ist.
Der erste Hinweis spricht also von einer starken Bindung, einer vertrauensvollen Bezugnahme, die Liebe genannt wird: Für ihre Nonnen, kaum gebildeten Frauen, die wahrscheinlich empfänglich sind für die größere Bildung ihrer spirituellen Anleiter und sicherlich zu Gehorsam verpflichtet, ist eine solche Vertrauensbeziehung, wie sie sich in der Lehrbeziehung mit ihr entwickelt, wichtiger als die Autorität der Gelehrten. Denn diese „starken Männer“ sind mit Angelegenheiten beschäftigt, die nur wenig mit den Erfahrungen der „schwachen“ Frauen zu tun haben. Sie sind ja gut darin, mit der Feder umzugehen, aber nicht darin, das „Minutiöse“ zu erfassen, das hingegen für die Frauen so grundlegend ist. (Teresa schreibt mit außergewöhnlich subtiler Ironie, eine Folge des schwierigen Umstands, dass sie in Anbetracht von Kontrolle und Zensur seitens der Beichtväter und der kirchlichen Autorität schreibt.)
Wir haben es also mit einem Kontext zu tun, in dem die privilegierte weibliche Kommunikation bevorzugt wird, die von einer Beziehung der Liebe und des Vertrauens getragen ist. In den Worten Teresas tritt aber noch ein weiteres Moment hervor, nämlich dass sie selbst sich als Beispiel, als Führerin und Vermittlerin anbietet. Eine der Thesen, die ich im Weiteren vertreten und bekräftigen will, ist, dass von dem Funktionieren eines solchen Dispositivs der Bindung ihre eigene Legitimation und die Wirksamkeit ihres Tätigseins abhängt. Ich werde zu zeigen versuchen, wie es ihr gelingt, wertschaffende und autorisierende Kreisläufe zu errichten, indem sie auf der einen Seite das Göttliche und auf der anderen den Kontext ins Feld führt, der durch ihre Nonnen konstituiert wird. Außerdem ist damit verknüpft, dass ich Teresas „Realismus“ für beispielhaft halte.
Der Begriff „Realismus“ ist heutzutage durch eine schwere philosophische Hypothek belastet, aber auch in seiner allgemeinen Bedeutung ist er nicht frei von Ambivalenz. Wenn ich ihn hier gebrauche, so beabsichtige ich lediglich, eine bestimmte Beziehung zum Realen zu unterstreichen. Ich räume der Realität der Dinge einen besonderen Vorrang vor dem ein, was man von den Dingen denkt, sagt, hofft und entwirft.
Es gibt zudem eine Bedeutung von „Realismus“, die eine andere etymologische Herkunft hat: Anstatt von res (Ding) wird sie von re (König) abgeleitet und zeigt an, dass es sich um etwas handelt, das „von Seiten des Königs“ ist; es meint folglich die Beziehung zur Souveränität.
Der Begriff „Realismus“ hat also einerseits mit der Fähigkeit zu tun, das Reale als das zu verstehen, was es ist, und auch damit, den eigenen Tätigkeiten Realität zuzusprechen. Andererseits hat er mit der Fähigkeit zu tun, das Wesen dessen zu erfassen, was die Funktion von Subjektivität ausmacht, insofern sie etwas Souveränes enthält, und anzuerkennen, wo im Realen Souveränität ist. Die Verbindung dieser beiden Aspekte ermöglicht es, als Subjekt im Realen zu handeln mit dem Zeichen der Wirksamkeit und der Wahrheit.
Teresa ist Realistin in jeder dieser Hinsichten, und bei ihrem Vorhaben, eine Ordnung der Realität zu begründen, geht sie diese beiden Wege des Realismus, indem sie sich einerseits auf die oberste Souveränität bezieht und andererseits auf die reale Kraft dessen, was ist und was nach einer Ordnung verlangt.
Weiter zu Teil 3: Einen Ort für Wahrheit in sich finden und der Wahrheit einen Ort geben