Forum für Philosophie und Politik
Von Diana Sartori
Teil 1 – Ein kurzer Abriss von Teresas Leben
Teil 2 – Weiblicher Realismus am Beispiel Teresas
Ich habe schon gesagt, dass das Geschehen um Teresa lehrreich ist im Hinblick auf Souveränität und auf die Beziehung zur Realität. Jetzt möchte ich zunächst erklären, was es bedeutet, sich auf eine räumliche Metapher zu beziehen: den Ort.
Teresa konfrontiert sich auf ihrem Weg, den ich als einen Weg im Spannungsfeld von Freiheit und Perfektion bezeichnen möchte, mit zwei Vorhaben, die miteinander dadurch verbunden sind, dass sie einen Ort haben.
Das erste betrifft die eigene Möglichkeit, sich als Subjekt zu begründen, Autorität zu haben, über die Kraft des Sprechens zu verfügen und sich zu retten.
Das zweite betrifft die Gründung eines Ordens (eines religiösen Ordens, aber auch einer Ordnung der Realität), in dem das gesprochene Wort seine Gültigkeit erweisen kann. Es betrifft das Finden eines Ortes für das eigene Wort, für die Wahrheit darüber, was man ist, und für das, was befohlen wird.
Diese beiden Unternehmen sind logisch miteinander verknüpft, obgleich sie in Teresas Leben in zeitlicher Reihenfolge erscheinen. Zuerst muss man Autorität, auch die der eigenen Erfahrung, anerkennen (ein Weg, von dem die Vita Rechenschaft gibt), dann muss man den Ort gründen, wo diese Erfahrung praktiziert und vermittelt werden kann (ein Weg, der in den Gründungen erzählt wird).
Ein drittes Unternehmen ist unmittelbar mit diesen beiden verwoben, und zwar in einer Weise, bei der es nicht leicht ist, eindeutig seine Rolle und seinen Sinn zu bestimmen: die Schrift. Die Schrift repräsentiert sicher die erste Form der Objektivierung, die Teresas Realismus in Gang setzt: Was sie erlebt, was in ihrem Körper geschieht und was die Seele am anderen Ort der Ekstase erkennt, all das muss einen Platz in der Welt finden.
Teresa notiert, erinnert, erzählt, stellt Verbindungen her; in ihren Schriften gebraucht sie umschreibende Formulierungen, um zu sagen, was ist, was geschehen ist, was weiterhin geschieht und zu werden fortfährt; dies wird wiederum bestätigt durch ihre Realität als Person und ihre beständige Präsenz. Denn die Erfahrung in der Schrift wiederzugeben bestätigt die reale Existenz der Erfahrung und ist zugleich eine Weise, die Realität dessen, was ist, anzuerkennen. So steht die Schrift für Teresa nicht für sich allein. Sie ist vielmehr Erzählung, Gespräch, der Versuch, sich Gehör zu verschaffen.
Deshalb umreißt Teresa in ihren Schriften auch eine Ordnung im Hinblick auf den Ablauf des Geschehens: vor allem natürlich in den biographischen Erzählungen, aber auch in den theoretischen Schriften, wo sie von einem Weg, von einer Reise, von einem Pfad der Perfektion spricht.
Diese Reise wird von Teresa sehr detailliert und mit vielen subtilen Differenzierungen beschrieben: zunächst vier Stadien des Gebets, dann sieben Wohnungen der Seele. Es würde hier zu weit führen, sich diese Unterscheidungen im Einzelnen vorzustellen. Stattdessen werde ich versuchen, eine eher allgemeine Bestimmung vorzunehmen, die sich von Teresas Äußerungen selbst unterscheidet, obgleich ich mich auch auf diese stütze.
Teresa ist eine Frau mit großem Begehren. Bei mehreren Gelegenheiten verteidigt sie den Nutzen, große Begehren zu nähren, sich nicht mit einer „winzigen Seele“ zufriedenzugeben. Dies setzt sie der „falschen Demut“ entgegen, an der besonders Frauen leiden. Denn die Frauen haben die Angewohnheit, allzu sehr der Furcht nachzugeben, wobei sie intellektuellen Vorbehalten und der Schwachheit zu schnell Gehör schenken, sich außerdem wie kleinmütige Menschen verhalten, tausend Schwierigkeiten vorschieben und einer „unangebrachten, vollkommen unangemessen Bescheidenheit“ frönen, die sagt: „Wir sind keine Engel, wir sind keine Heiligen.“ (CP, 91)
Teresa fordert ihre Nonnen dagegen zu dem auf, was sie „heilige Kühnheit“ nennt. Diese heilige Kühnheit, die weit davon entfernt ist, Demut zu verneinen, verhilft dazu, in den eigenen Übungen zu wachsen. (CP, 91)
Dabei ignoriert Teresa aber nicht die Schwierigkeit, die für eine Frau damit verbunden sind. Im Gegenteil ist sie sich dessen voll bewusst, dass der eigene Wille, etwas zu verwirklichen, in der Welt auf Hindernisse trifft: „Andererseits jedoch wäre es ihr Wunsch [der der Seelen], sich mitten in die Welt zu begeben… Gehören diese Seelen dem weiblichen Geschlechte an, so schmerzt es sie, dass sie durch ihre natürlichen Verhältnisse daran gehindert sind; sie beneiden jene sehr, denen es freisteht, mit lauter Stimme auszurufen und zu verkünden, wer dieser große Gott der Heerscharen ist.“ (C, 157)
Es scheint, dass Frausein für den Zugang zur Welt und für den Zugang zum Göttlichen, den die Welt vorsieht, hinderlich ist. Das Frausein lässt eher das Bewusstsein vom eigenen Elend oder aber den Neid offen. Doch trotz der Hindernisse, die die Welt ihren Wünschen in den Weg legt, versagt sich Teresa weder ihre Wünsche noch das Tätigwerden. Stattdessen erörtert sie die Bedingung der eigenen Kraft: „Doch das Bewusstsein, dass ich ein Weib und elend und nicht imstande sei, das zu tun, was ich zum Dienste des Herrn tun zu können wünschte, erfüllte mich und erfüllt mich noch jetzt mit dem sehnsüchtigen Verlangen, es möchten bei der großen Anzahl der Feinde Gottes wenigstens seine wenigen Freunde wahrhaft gut sein. Ich entschloss mich daher, das Wenige zu tun, was an mir lag.“ (CP, 23)
Es wurde für Teresa deshalb notwendig, eine Quelle der Autorisierung und der Kraft zu finden, die es ihr gestattete, die weltliche Vermittlung zu überbieten, die ihrer Erkenntnis zufolge von einem männlichen Maßstab dominiert wurde. Diese Autorisierungsquelle sei Gott selbst, der wahre Herr, und ihm vertraute sie sich an: „Gott ist der gerechte Richter, aber nicht wie die weltlichen Richter, die alle, weil sie wie die Söhne Adams und außerdem Männer sind, nicht über die Tugend der Frau verfügen, warum jene diese nicht verdächtigen dürfen.“ (CP, 553, Man. Esc. 33, diese Stelle findet sich in der Originalhandschrift von Escorial, die, ebenso wie weitere Stellen, die sich auf Frauen beziehen und die aus einem bestimmten doktrinären Blickwinkel betrachtet, gefährlich zu sein scheinen, von Teresas Beichtvater zensiert wurden.)
Bei dieser Autorisierungsweise wird die Bedeutung von Realismus relevant, die auf der Vorstellung „von Seiten des Königs“ beruht: Es ist nicht so sehr der eigene „schwache“ Wille, dem Teresa dient, sondern vielmehr die Allmacht Gottes. Ihr Wille sei dasselbe wie Gott – wenn ich mich den Dingen des Herrn hingebe, nimmt er sich meiner Sache an.
Viele kindliche Heilige, die ihre Stärke aus der Vorstellung der göttlichen Allmacht beziehen, können dadurch außerordentlichen Schwierigkeiten entgegentreten: „Lasst euch dennoch von niemandem einschüchtern. Dient vertrauensvoll Gott, der der mächtigste von allen ist, und niemand kann euch ihm rauben.“ (CP, 644, Man. Esc.)
Wenn der eigene Wille nicht souverän ist, dann nimmt das tatsächlich Vorherrschende in der Person Platz.
Auf diese Weise setzt man in der Realität eine Strategie um, die das Subjekt faktisch stärkt, und zwar dadurch, dass man ihm entsagt: Mittels der Ekstasen ist Teresa zerrissen, entrückt, aus sich herausgetreten, sie ist wie enteignet. Im „übernatürlichen“ Gebet setzt Teresa somit die Stufe der Anbetung fest, in der der göttliche Wille der wahre Handelnde ist – im Unterschied dazu, dass Gott ansonsten eher als Objekt des Gebets verstanden wird. Dabei kostet die Seele verschiedene Beschaffenheiten der Ekstase aus: die Sammlung, das Gebet in Ruhe, Machtträume, die Entrückung, das Sich-Emporschwingen, die wahre und wirkliche Vereinigung. Der Wille kann dabei „nichts anderes mehr verlangen und keinen anderen Willen mehr haben, als den Willen unseres Herrn zu erfüllen.“ (V, 192)
Ab und zu sind die Flüge des Geistes jäh und heftig, wie Hitzewellen, und manchmal handelt es sich um wirkliche Entführungen und Verzückungen. In anderen Fällen wiederum wird die eigene Seele verwundet, als hätte ein Pfeil sie durchbohrt. All dies ist Quelle einer unsagbaren Glückseligkeit. Aber nachdem die Seele erst einmal die Vereinigung mit dem göttlichen Willen erfahren hat, ist es andererseits auch ein großes Leid, wenn sie sich darin unabänderlich auflösen möchte und folglich auf sich, auf den eigenen Willen sowie auf das eigene Leben verzichtet. Damit scheint der Seele die ganze Welt eine Quelle der Langeweile, und das Leben scheint ihr Hindernis zu sein, so dass sie scheinbar nur noch zu sterben wünscht; „hat aber die Seele wieder so viel Freiheit, um zu erkennen, dass ihr Verbleiben auf dieser Welt der Wille Gottes ist, so tröstet sie sich damit.“ (RS, 474)
Die Freiheit, die es erlaubt, sich zum Göttlichen zu erheben und sich mit Gott zu vereinigen, braucht – in den Worten Teresas – Korrektur durch einen Beichtvater, um „sich in Gott zu verwandeln“. Denn mit der Entsagung erhält man Distanz zu sich selbst, „und es ist schwer, sich selbst zu vergessen und wider sich selbst zu sein, weil wir mit uns selbst ganz verbunden sind und uns selbst sehr liebhaben“. Das aber ist um der heiligen Freiheit willen notwendig, „die es dem Geist gestattet, los von Erde und Blei, sich zu seinem Schöpfer zu schwingen.“(CP, 64)
Diese Trennung von sich, dieser Verzicht auf den eigenen Willen, um dem Willen des Herrn zu dienen, dieser Gehorsam dem göttlichen Willen gegenüber ist weit davon entfernt, der Tod des Subjekts zu sein. Vielmehr zeigt sie einen neuen Anfang an. („Tochter, der Gehorsam gibt die Kräfte“, sagt die göttliche Stimme zu Teresa, die sich anschickt, die Geschichte der Klosterstiftungen aufzuschreiben, vgl. F 16). Die Distanz zu sich selbst gestattet, Souveränität über die Welt zu bekommen. „Wundert euch daher nicht, meine Schwestern, über meine wiederholten Ermahnungen in diesem Buche, nach einer solchen Freiheit zu streben! Ist es nicht etwas Schönes, dass eine arme Nonne des St. Josephs Klosters dahin gelangen kann, dass sie über die ganze Erde und über die Elemente herrscht? Dürfen wir uns noch wundern, wenn die Heiligen mit Gottes Hilfe über die Elemente nach Belieben schalteten?“ (CP, 104)
Dass das Subjekt sich vom eigenen Willen und dem Wunsch, in eigenem Namen zu handeln, löst, zusammen mit dem Begehren nach dem Göttlichen und dem Angezogensein von Transzendenz, eröffnet ihm eine Dimension von Freiheit. Eine Freiheit, die wiederum ihre Kraft daraus bezieht, mit der Notwendigkeit oder auch mit dem allmächtigen Willen dessen übereinzustimmen, der der Welt gegenüber souverän ist.
Die Form bzw. die Strategie der mystischen Ekstase, die von der vorgegebenen Vermittlung absieht, um unmittelbar Zugang zur göttlichen Dimension zu erlangen, scheint ein Verfahren zu offenbaren, das sich beinahe aufzwingt, wenn die Vermittlungen des dargebotenen Faktischen in der Ordnung des Bestehenden nicht angemessen zu sein scheinen, um das Begehren des Subjektes nach Transzendenz zu übermitteln, das eben diesen Vermittlungen fremd gegenübersteht. Dies gilt insbesondere für die Subjekte, die die Differenz des weiblichen Geschlechts tragen – ich glaube, es liegt nahe, sich der besonderen Problematik des weiblichen Subjekts bewusst zu werden, wenn man in Betracht zieht, wie verbreitet ungewöhnlich radikale weibliche spirituelle, mystische, visionäre, ekstatische, prophetische Erfahrungen sind. Erfahrungen, die nicht immer, eher sogar selten einen solchen Erfolg und eine solche Anerkennung erfahren haben, wie die von Teresa.
Damit hängt ein zweiter Aspekt der mystischen Erfahrung zusammen. Er lässt sich bei Teresa und bei anderen finden, anders als bei den oft so unglücklichen Mystikerinnen, die ihr vorausgegangen sind oder nach ihr gewirkt haben. Eine Mystikerin, die trotz des Fehlens von Vermittlung in der Lage ist, auf angemessene Weise auf das Bedürfnis nach Transzendenz zu antworten, indem sie sich auf den Weg der direkten Beziehung mit dem Göttlichen macht, stellt sich durch diesen Akt selbst an den Ort der möglichen Vermittlung.
So erklärt sich auch die Bedeutung, die die Figur des leidenden und erlösenden Christus bei Teresa wie auch bei anderen Mystikerinnen hat: Einen Weg der Perfektion zu unternehmen bedeutet, sich auf den Weg des Kreuzes zu begeben. Indem sie sich auf das Kreuz bezieht, bekräftigt Teresa in einem ihrer Gedichte: „Wer dich nicht liebt, liebt die Freiheit nicht.“ Das Kreuz auf dem Weg muss man umarmen, weil unter dieser „Fahne der, der kämpft, auch wenn er schwach ist, sich stark zeigt“ und weil das Kreuz „die Kostbarkeit der Verbannung“ und „die Braut ist, die vor ihm ihr Wollen bekennt.“
Christus ist folglich eine Gestalt des Leidens und steht für die Verbannung der eigenen Wahrheit. Vor allem aber ist er Figur dafür, eine Vermittlung durch den Körper zu entwerfen. Die Nachfolge Christi, wie Teresa sie sucht, ist nicht nur eine Nachfolge im Leiden – bei den Anbetungspraktiken hat sie die extremen Formen der Selbstkasteiung immer verurteilt –, sondern vor allem auch die Nachfolge seiner Funktion, zwischen dem Menschlichen und der göttlichen Wahrheit zu vermitteln. Zu solchem Leiden ist insbesondere diejenige Frau berufen, die von sich und ihrem Geschlecht die fatale Verdammung wahrnimmt, dass ihr der Zugang zur Transzendenz fehlt.
Die Ekstase bietet letztendlich sich bzw. den eigenen Körper als Medium, um mit der eigenen Person die zunächst noch nicht vermittelte Kluft zwischen dem Göttlichen und der Welt zu überbrücken. Sie verleiblicht auf diese Weise eine Funktion, die man engelhaft, oberpriesterlich oder schamanisch nennen könnte. Das kann in einem Akt gemeinsamer Opferung enden, wobei die Flügel des vom Unglück verfolgten Mediums entweder verbrannt werden können, wenn es in ein rein gegenständliches Mittel der Opferung verwandelt wird. Oder das Medium kann umgekehrt auch die Fähigkeit erlangen, zu einer Dimension des anderen zu werden und von dort wiederzukommen, ohne dabei – weder physisch noch symbolisch – zu sterben. Teresa, die in den Ekstasen schreibt, sie wolle sterben („Ich sterbe, damit ich nicht sterbe“), gelingt dieses zweite lebendige Vorhaben. Viele andere unglückliche Frauen aber sind dabei gestorben.
Weiter zu Teil 4 – Einwohnende Annäherung an sich selbst