Forum für Philosophie und Politik
Von Juliane Brumberg
Juliane Brumberg stellt ein neues Buch über gelehrte, eigenwillige und streitbare Frauen vor: Heilige Weibsbilder von Erni Kutter.
Egal, wie christlich sozialisiert wir im normalen Alltag sind, wenn wir unterwegs sind und ein neues Land, eine neue Gegend, entdecken, schauen wir uns fast immer die Kirchen an. Was sehen wir? Großartige Architektur, farbige Kirchenfenster, schöne Altäre und Fresken, den Gekreuzigten. Was sehen wir nicht? Dass – nicht auf allen – aber auf ganz vielen dieser Altäre und Fresken Frauen präsent sind. Schöne Frauen, kluge Frauen, starke Frauen. Sie können uns viel erzählen über religiöse Traditionen und Frauenleben früherer Generationen.
Diese Geschichten in die Gegenwart geholt zu haben, ist ein großes Verdienst von Erni Kutter. Seit Jahrzehnten forscht sie – insbesondere in Südtirol, aber nicht nur dort – zu heiligen Frauen und hat die Essenz ihrer Forschungen nun in einem neuen, überaus gelungenen Buch mit dem Titel Heilige Weibsbilder – gelehrt, eigenwillig, streitbar, zusammengefasst. Diese Eigenschaften „gelehrt, eigenwillig, streitbar“ sind Programm. Sie brechen mit Klischeevorstellungen und mit dem Wunsch der Kirchenmänner, Frauen haben sanft, fromm, demütig und schön zu sein.
Schön sind sie tatsächlich, die Katharinas, Margarethes und Barbaras, die Erni Kutter präsentiert und für die sie mit Ida Prinoth, einer hervorragenden Fotografin, noch einmal durch die Südtiroler Dorfkapellen gezogen ist. Aber außerdem sind die heiligen Frauen, ein Buch in der Hand weist darauf hin, klug und belesen; sie sind klar und von großem Verstand, denn sie wissen mit ihrem Schwert – eines der Attribute der heiligen Katharina – das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen; und sie sind streitbar, wie uns ihre Märtyrerinnen-Legenden erzählen, die meistens noch einen anderen Hintergrund haben, als nur den Opfertod für den christlichen Glauben.
Mit ihren sehr prägnanten und präzisen Erklärungen räumt Erni Kutter gründlich auf mit der Rolle der dienenden Magd, die Frauen in kirchlichen Zusammenhängen gerne spielen sollen. Und genau das ist auch ihre Absicht. Sie möchte heutigen Frauen zeigen, dass es starke Frauentraditionen gibt, auf die sie aufbauen können, indem sie wissenschaftlich fundiert durch eine Bildergalerie weiblicher Religions- und Kulturgeschichte führt.
Dadurch, dass die vielen phantastischen Fotos von Ida Prinoth immer exakt passend zum Text und in einem ansprechenden Layout plaziert sind, gewinnt die Leserin das Gefühl, nicht nur in die Vergangenheit, sondern direkt durch Südtirol zu reisen. Die Bilder zeigen neben der bekannten weiblichen Dreiheit Katharina mit dem Rad, Barbara mit dem Turm und Margarethe mit dem Drachen auch weniger bekannte Heiliginnen wie Notburga mit der Sichel, Gertud mit dem Spinnrocken, Ursula mit ihren 11000 Jungfrauen sowie Wilgefortis, eine bärtige Frau am Kreuz. Was es mit ihr, die auch die heilige Kummernus genannt wird, auf sich hat und wo in Europa sie überall verehrt wird, ist eine spannende Geschichte, die die Autorin wieder ans Tageslicht geholt hat. Mit Nikolaus und Christopherus hat Erni Kutter auch zwei Männer in ihr Buch aufgenommen, Männer die manchmal den Frauen, aber auf jeden Fall dem Leben dienten. Dazu erklärt sie, warum zu Füßen des Christusträgers Christopherus, der an den Außenfassaden vieler Bergkirchen grüßt, oft eine kleine Nixe schwimmt, was ja mitten in den Bergen durchaus verwunderlich ist. Und die wir wohl auch nur entdecken, wenn wir nach ihr suchen.
Mit diesem Buch in der Hand oder im Hinterkopf werden wir kleine Bergkapellen und auch Altäre in großen Kirchen ganz anders wahrnehmen. Wir können dort spannende Frauen entdecken, ihre Botschaften verstehen und uns von ihnen inspirieren lassen. Wir wissen jetzt um Feinheiten, die wir vorher gar nicht gesehen haben.
Erni Kutter, Ida Prinoth, Heilige Weibsbilder, gelehrt, eigenwillig, streitbar, Raetia Verlag Bozen 2014, 208 S., 24,90 Euro.