Forum für Philosophie und Politik
Von Bettina Schmitz
Nein, mir ist dies alles doch fremd, mir ist Gott überhaupt »sie«, die Natur. Die Bringende, die das Leben hat und schenkt. (Paula Modersohn-Becker)
„Und Du, glaubst Du an etwas?“, fragte mich neulich die Freundin meines Sohnes. Da musste ich wohl Farbe bekennen. Wir lachten darüber, dass sie mir nun auch noch die Gretchenfrage gestellt hatte. Und ich bejahte, antwortete, dass ich wohl an etwas glaube. Aber wie es nennen? Vielleicht die Große Göttin oder besser noch: die Natur. Schon früher hatte ich häufig das Gefühl gehabt, dass mein Gottesdienst am besten draußen stattfinden sollte, auf der Erde, bei den Bäumen und Gräsern, im Wind und unter den Wolken, und oft bin ich dann auch hinausgegangen.
Die seit einiger Zeit in Ebstorf in der Lüneburger Heide ansässige Malerin Frauke Thein hat in der Landschaft rund um ihre neue Wohnstätte mit 15 Gemälden einen InspirationsWeg gestaltet, der auf knapp acht Kilometern zwischen Ebstorf und Hanstedt verläuft. Selbstverständlich sind hier nicht die Originale zu sehen, sondern großformatige, hochwertige Reproduktionen auf Metallplatten. Die Ausstellung mit den Originalen zur Eröffnung in der Propsteihalle im Kloster Ebstorf hatte leider nur eine Woche gedauert und so habe ich sie verpasst. Nun war ich umso neugieriger auf die Bilder im Freien.
Die Wolken, Blüten und Landschaften in den Bildern wirken in ihrer facettenreichen, fein durchgearbeiteten Komposition naturnah und lebendig. Gleichzeitig spiegeln sie in erster Linie Gefühle wider, Gefühle des Lebens, die Frauke Thein beim InspirationsWeg zum eigentlichen Thema gemacht hat. Die Freude, mit einem solchen Bild zu „leben“, besteht auch darin, zu beobachten, wie es sich im Lauf des Tages mit dem Lichteinfall verändert und mit seiner Umgebung in wechselseitiger, lebhafter Verbindung steht. Die Künstlerin findet für ihren Anspruch an die eigenen Werke folgende Worte: „Mein Wunsch ist, dass möglichst jeder Punkt im Bild mit dem anderen kommuniziert, damit alles ein zusammenhängendes Ganzes ergibt.“
Die Bilder beziehen in dieses kommunikative Gebilde, das sie sind, auch ihre Umgebung mit ein. Sie wurden geschaffen im Bewusstsein eines aktiven Eingebundenseins in die Welt und zeigen sich als Teil eines größeren Ganzen. Damit werden sie, als Frauke Theins ganz eigene Antwort auf die Gretchenfrage, zum künstlerischen Ausdruck einer zeitgemäßen Spiritualität, ein Farbebekennen im wahrsten Sinne des Wortes. Der Malerin gelingt es, etwas darzustellen, das vielleicht am besten als ‚Seelenschwingung‘ bezeichnet werden kann. Neben den handwerklichen Fähigkeiten ihres Metiers beherrscht sie meisterhaft auch dessen feinstoffliche Aspekte.
So erstaunt es nicht, dass die Kunstwerke keine Schwierigkeiten haben, sich in der Natur – in der wir Menschen uns manchmal so klein fühlen – zu behaupten, oder besser, sich in diese einzufügen und mit ihr zu verbinden. Das Experiment der besonderen Form dieser Ausstellung, die erwandert werden kann, ist fraglos gelungen. Passend zu ihrer sensibel empfundenen und spürbaren Nähe zur Natur haben mit dem InspirationsWeg nun einige Bilder von Frauke Thein den Weg zurück gefunden, wieder ein Teil der Natur zu sein. Diese ‚Ausstellung im Freien‘ ist somit – auch nach Ansicht der Künstlerin – zum Glücksfall für ihre Werke geworden. Der Weg, der zwischen den Bildern zurückzulegen ist, gibt ein angenehmes Zeitmaß vor, in dem das Gesehene verdaut werden kann, der Geist wieder frei wird und sich Neugier auf das nächste Bild entwickelt.
Die Titel der einzelnen Stationen nennen bereits einige dieser Gefühle des Lebens, erzählen die Geschichte des schöpferischen Zyklus‘ und machen neugierig auf die Gemälde. Sie lauten: Neubeginn „Inspiration“, Verbundenheit „Herzflamme“, Unbeschwertheit „Verspielte Offenheit“, Zorn „Feuerausbruch“, Traumwandeln „Heidemond“, Spannung „Magie des Unbekannten“, Harmonie „Zusammenklang“, Angst „Schutzsuche“, Trost „Lichter Schatten“, Macht „Rote Fülle“, Sehnsucht „Widerhall aus der Ferne“, Gelassenheit „Tiefe Stille“, Hoffnung „Inneres Leuchten“, Einsamkeit „Gespräch mit sich selbst“ und Übergang „Atemlose Stille“.
Weit übers Persönliche hinaus gelingt es Frauke Thein damit, Grundzüge des schöpferischen Prozesses als emotionale Qualitäten darzustellen. Stationen, Situationen, Schwellen, die den Lebensweg von der Keimzelle des Lebens bis hin zum Tod gestalten oder auch einen Lebenszyklus, nach dem wieder ein Neubeginn möglich ist. Der Weg lädt dazu ein, sich über das Betrachten der Bilder den eigenen schöpferischen Prozessen zu nähern und die eigenen kreativen Gaben wieder zu erinnern oder neu zu entdecken.
Wer sich den Bildern auf andere Weise nähern möchte, der oder die sei auf die ‚Wortbilder‘ verwiesen. Diese sind ebenfalls auf den Tafeln abgedruckte, von Frauke Thein verfasste, kleine poetische Texte, die die Bilder nicht erklären wollen, sondern eine weitere Stimme erklingen lassen. Oder auf die kurzen Bibelzitate, die das Gespräch vervollständigen. Nun bleibt zu hoffen, dass den Besucher_innen des Weges, die auch auf die Originale neugierig geworden sind, diese bald wieder einmal in einer Ausstellung zugänglich gemacht werden.
Bettina Schmitz
www.fraukethein.de
www.urlaubsregion-ebstorf.de hier gibt es das Begleitbuch zum InspirationsWeg (Preis: 10 Euro), Prospekte sowie ein Leporello zum Weg.
Die digitalisierten Bilder von den Originalwerken stammen von der Druckerei Haack aus Wesselburen. Urheberrechte für die Werke bei Frauke Thein