Forum für Philosophie und Politik
Von Christine Jung
Mitte August 2013 erscheint das von mir entwickelte Wesenskernspiel, das durch ein Crowdfunding finanziell realisiert werden konnte.
Das Wesenskernspiel ist ein Coaching-Tool. Es ermöglicht Menschen auf spielerische Weise, sich solide Grundlagen für die Frage nach dem „Wirklich wollen“ auf der Basis der eigenen Biografie zu erarbeiten. Die schriftlichen Ergebnisse können anschließend genutzt werden, um eine berufliche Perspektive zu entwickeln und/oder den eigenen Potenzialen (Fähigkeiten und Eigenschaften) auf die Spur zu kommen: www.wesenskernspiel.de
Seit über zwei Jahren arbeite ich bereits erfolgreich im Coaching mit einem von mir gestalteten Prototyp des Spiels. Ende 2011 wuchs der Wunsch, dieses Spiel in den Markt zu bringen, und ich begab mich auf die Suche nach einem Verlag.
Ich nutzte dafür unter anderem Facebook; dort gehöre ich zu einer Gruppe „Neue Arbeit – Neue Kultur“. Hier tauschen sich Menschen aus, die inspiriert sind von Frithjof Bergmann und seinem Ansatz, der unter anderem der Frage nach dem „Wirklich wirklich Wollen“ nachgeht. Diese Frage hat auch mich entscheidend zur der Entwicklung meines Spieles motiviert. Ich träumte insgeheim davon, einen Verlag zu finden, der dem Konzept der Neuen Arbeit verbunden ist. Aus der Facebook-Gruppe bekam ich schnell eine Empfehlung für Klaus Kampmann und Thomas Stahelin von Flow-Zone Info. Die Entscheidung das Wesenskernspiel gemeinsam auf den Markt zu bringen, fiel schnell, denn unsere Wertvorstellungen stimmen überein. Um in unserem Vorhaben unabhängig zu bleiben, entschlossen wir uns für Crowdfunding als eine Form alternativer Finanzierung, ohne größere Risiken für alle Beteiligten.
„Crowdfunding bzw. Schwarmfinanzierung ist eine neue Art von Kultur-Finanzierung durch eine Gruppe von Menschen, welche sich über ein Webportal organisieren. Die Teilnehmer unterstützen dabei gemeinsam Aktionen indem sie Produkte wie eine CD, Projekte wie Videoclips oder auch andere Geschäftsideen finanziell unterstützen. Bei einem späteren Erfolg werden die Unterstützer anteilig vergütet oder erhalten zumindest spezielle Vorteile als Gegenleistung.“ http://szenesprachenwiki.de/definition/crowdfunding/
Inzwischen existieren zahlreiche Internet-Plattformen, die diese Art der Projektfinanzierung ermöglichen: Einen guten Überblick bietet Leander Wattig (die Seite wird aber inzwischen nicht mehr aktualisiert). Für unser Projekt entschieden wir uns für Startnext, die für Projektstarter/innen wie für Unterstützer/innen (Supporter) einen professionellen Standard und viel Erfahrung bieten. Startnext stellt umfangreiche Informationen als Leitfaden für einen Projektstart zur Verfügung. Mehrere vorgegebene Projektphasen ermöglichen, das eigene Vorhaben gut vorzubereiten und zu präsentieren.
In einem ersten Schritt wird das Projekt angelegt und die Präsentation in Ruhe vorbereitet (Projektbeschreibung, Finanzierungssumme, Fotos, Videoclip, Dankeschöns). Diese ist in dieser Phase nur für die Projektstarterin sichtbar. Wenn alles gut, klar und verständlich aufbereitet ist, wird die Startphase beantragt, in der das Projekt dann öffentlich auf der Plattform präsentiert wird. Das ist die erste Bewährungsprobe, und sie hat zwei Funktionen: Sie beinhaltet die Möglichkeit, Feedback aus der Community bekommen und somit die Projektpräsentation gegebenenfalls zu optimieren. Zum anderen geht es darum, Fans zu finden, die das Projekt gut finden und mit ihrem „Like“ unterstützen. Abhängig von der zuvor festgelegten Projektsumme benötigt man eine entsprechende Anzahl Fans, um in die nächste Projektphase zu kommen. Der Wechsel in die nächste Projektphase wird dann beantragt und von Startnext geprüft.
In der alles entscheidenden Finanzierungsphase gilt es, in maximal drei Monaten die angestrebte Finanzierungssumme zu erreichen. Ist die Finanzierung erfolgreich – wunderbar. Wird das angestrebte Ziel nicht erreicht, wird das zuvor gespendete Geld an die Supporter/innen zurück gezahlt, niemand hat also (finanziellen) Schaden genommen.
Das ist für beide Seiten eine reizvolle Geschichte. Die Projektpräsentation muss so gut gelungen sein, dass genügend Interessent/innen gewonnen werden. Das wird unterstützt durch unterschiedliche „Dankeschöns“, die die Supporter/innen für ihre finanzielle Unterstützung erhalten. Diese werden in der Vorbereitungsphase festgelegt und leiten sich aus der eigenen Projektidee ab. In meinem Fall konnte man das Wesenskernspiel mit Signatur der Autorin bekommen; oder das Spiel in Verbindung mit einem Coaching erwerben. Je höher die Summe, umso wertiger wurde auch das „Dankeschön“: zwei Spiele erhalten, im Spiel als Sponsor genannt werden, oder an einem Workshop teilnehmen, um sich zertifizieren zu lassen.
Die Werbung im Vorfeld des Projektstarts ist neben der angesprochenen guten Vorbereitung für die Präsentation auf der Plattform zentral dafür, dass genügend Geld zusammen kommt. Je nach Produkt sollten vorab viele Menschen für das eigene Projekt begeistert und gewonnen werden. Denn nur ein Teil der Fans wird neu aus der direkten Präsentation auf der Plattform gefunden.
In der Fundingphase gilt es, den Dialog mit Fans und Supporter/innen zu pflegen, zum Beispiel mit regelmäßigen Informationen in Form von Blogbeiträgen. Darüber hinaus kann und sollte man alle Möglichkeiten anderer Medien (Facebook und Co, Presse, etc.) nutzen, um auf sich aufmerksam zu machen.
Auf Startnext gibt es zudem eine persönliche Projektbetreuung, die für individuelle Fragen rund um das Projekt jederzeit und nach meinen Erfahrungen sehr kompetent zur Verfügung steht. Beendet ist das ganze Projekt, wenn das Produkt hergestellt ist und die Dankeschöns eingelöst wurden. Erfolgreiche ebenso wie nicht erfolgreiche Projekte bleiben auf der Plattform sichtbar und bilden gutes Lernmaterial.
Das Wesenskernspiel benötigte zwei Anläufe, um erfolgreich finanziert zu werden. Die Fundingsumme des ersten Projektes wurde nicht erreicht. Das lag an der teilweise nicht sehr internetaffinen Zielgruppe dieses Spiels, die zudem nicht so viel Geld zur Verfügung hat. Einige Pressetermine fanden nicht wie geplant statt und Termine mit großen Unternehmen, die im Vorfeld terminiert waren (und die als Sponsoren für größere Summen gedacht waren), platzten – aus firmeninternen Gründen.
Die Lerneffekte aus dem ersten gescheiterten Vorhaben mündeten in einen zweiten angepassten Versuch: http://www.startnext.de/wekespiel. Wir reduzierten Fundingsumme und Auflage. Feste Zusagen von Sponsoren und die Mobilisierung der alten Supporter/innen ermöglichten diesmal nicht nur den Erfolg, sondern sogar eine Überfinanzierung des Projektes.
Es ließen sich auf diesem Weg viele Menschen erreichen und Kontakte herstellen, das ist gerade für Projektstarterinnen mit kleinem Budget eine tolle Marketingmaßnahme. Es ergaben sich neue Beziehungen, mit Potenzial für eine künftige Zusammenarbeit und Vernetzungsmöglichkeiten, wie unter anderem auch dieser Bericht sehr schön zeigt.
Es ist allerdings durchaus sehr viel Arbeit, die man im Vorfeld hinein stecken muss. Doch wenn man sich erfolgreiche und gescheiterte Projekte auf Startnext anschaut und vergleicht, lohnt sich dieser Aufwand allemal. Die große Chance dieser Art der Finanzierung liegt darin, dass damit kleinere, aber spannende Ideen verwirklicht werden können, ohne sich mit großem finanziellem Risiko von Banken abhängig machen zu müssen.
Ein sehr informativer Artikel. Insbesondere der Hinweis, dass solche Projekte mit sehr viel Arbeit verbunden sind, finde ich sehr wichtig, denn viele stellen sich das ganze zu einfach vor und scheitern aufgrund dessen. Wer Projekte für Crowdfunding realieren will, muss einiges an Zeit und Arbeit investieren. Auch Mut sollte dazu gehören, um diesen Weg überhaupt einzuschlagen.