beziehungsweise – weiterdenken

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Rubrik dichten, vertrauen

Von Bachscher Musik inspiriert

Von Hanna Strack

Viele lieben die Kantaten Johann Sebastian Bachs – und tun sich schwer mit deren Texten. So ging es auch Carola Moosbach.

Auf lange Sicht
wird Gott sich größer zeigen
als die engen Worte
heller als alle Dunkelheiten
wird Gott mich leiten
ohne Zwang
mit allen Zweifeln
kann ich reifen
durch die Brüche hindurch
wird Gott sich in mir verzweigen
(21. Sonntag nach Trinitatis. Ich habe meine Zuversicht, BWV 188)

Das ist nicht der Text einer Bachkantate, das ist die Antwort darauf. Geschrieben hat sie Carola Moosbach in ihren poetischen Kommentaren zu Bachs geistlichen Kantaten. Die Dichterin hatte Jahre lang fast täglich eine Bachkantate angehört, hat an der Musik große Freude erlebt, doch die Texte des Barock wurden ihr mit Passagen wie zum Beispiel Da bläst eine schale Luft den stolzen Leib auf einmal in die Gruft (BWV 94) nie vertraut, andere Lieder schienen ihr schwülstig in ihrer erotischen Sprache. Doch Carola Moosbach wollte sich bei dem Genuss der Musik auch die religiöse Tiefe der Texte erschließen und schreibt in ihrem Vorwort. „Diese antwortende Stimme wird vielleicht und hoffentlich den Text der ein oder anderen Kantate erhellen, sie will manche in ihm verborgene Tiefe ausloten, aber auch den Abstand vermessen, der uns von diesen Werken trennt.“ So entstand als Widerhall auf die Bachkantaten ein Buch mit fast 200 Gebeten, die mehr sind als poetische Kommentare. Sie können auch einzeln für sich gelesen oder gebetet werden. Drei Register helfen dabei, die Zuordnung zu den Feiertagen schnell zu finden.

Carola Moosbach wurde bekannt mit ihrem Aufsehen erregenden Büchlein „Gottflamme Du Schöne“ (Güterlsoh 1997), in dem sie aus den Verletzungen ihrer Kindheit heraus eine neue Sprache des Glaubens erarbeitete. Dafür erhielt sie beim Katholikentag 2000 den Preis des FrauenKirchenKalenders für Gottespoetinnen. Dorothee Sölle hielt die Laudatio. Sie sagte am Schluss: „Es gibt immer wieder mystische Elemente in den Texten von Carola Moosbach. Vielen ihrer Texte gelingt es, ein ganz besonderes, mystisches  Schweigen herzustellen. Und das ist das größte Lob, das man über Poesie überhaupt sagen kann.“

Die Autorin hat die Erkenntnisse der Feministischen Theologie in ihr künstlerisches Schaffen integriert und berücksichtigt, dass die ursprünglichen Kantaten-Texte Frauen unsichtbar machen und ihre spezifische Situation ausblenden. Dem patriarchalen Gottesbild der Kantaten erteilt sie eine Absage und hat an deren Stelle heilsame, befreiende, ins Weite gehende Metaphern gesetzt:

Bildwechsel

Throne stürzen
Völker befreien sich
Frauen reden mit
Es wechseln die Zeiten

Die Sprache grau
die Bilder schief
vor leeren Bänken
Kein König nirgends

Zögerndes Graben
nach frischem Wasser
aus tiefem Brunnen
ins Wort gewagt

Dein klingendes Schweigen
Dein ruhendes Kreisen
die silbernen Fäden zwischen uns
(Gott ist mein König, BWV 71)

Carola Moosbachs Sprechen von Gott ist Ausdruck ihrer Erfahrung, nicht einer Lehrmeinung. Es gibt nicht „Gottes Wille“ oder „Der Herr hat es so gewollt.“ Ihr Reden von Gott ist ein Redliches in der Zeit nach dem Holocaust, durch den alle Gottesbilder zerbrachen. Es sind Texte für alle Achtsamen und Behutsamen, für Menschen der Stille und für solche, die um die Dunkelheit wissen.

…Zurück ins Leben wurd’ ich gezogen
durch alle Verzweiflungen hindurch
singt mir das Glück an manchen Tagen
Was Gott tut das ist wohlgetan
(15. Sonntag nach Trinitatis. Was Gott tut, das ist wohlgetan, BWV 99)

Dies erinnert auch an die wunderbaren Nachdichtungen für alte Gesangbuchlieder, die in Carola Moosbachs frühen Büchern zu finden sind.

Als Folge des Büchleins gibt es ein bereits angelaufenes Vertonungsprojekt, um die poetischen Kommentare mit der Musik von heute zu Gehör zu bringen – immer in Korrespondenz zu den ursprünglichen Bach-Kantaten. Einige solcher Aufführungen gab es bereits in Dresden, eine weitere wird 2013 im Mai vom Thomanerchor in Leipzig gesungen. Alle, die sich dafür interessieren, finden im Nachwort von Matthias Drude, der die Idee zu diesem Projekt hatte, und auf der website der Autorin   weitere Informationen.

Carola Moosbach: Bereitet die Wege. Poetische Kommentare zu Bachs geistlichen Kantaten, Strube Edition 9143, München 2012, ISBN 978-3-89912-166-7, 24 Euro.

 

Autorin: Hanna Strack
Redakteurin: Juliane Brumberg
Eingestellt am: 28.11.2012
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Kommentare zu diesem Beitrag

  • peter maul sagt:

    Weiterdenken … Weiterdenken = Wissen von Gestern … in die Zukunft blickend. Wir haben viele Fragezeichen????? … der Mensch… woher???? wohin ???? …. eigene Person… Quelle: dieMutter… retepluam = Witwer… Trauer… seit Jahren… fast täglich Friedhof… Grabstätte
    Familie ca… 145 Jahre … vergessene Kriegskindergeneration… Bomben-Nächte und Tage
    Besatzungsmacht. Hunger… vor Hunger von Schulbank gefallen… heute Wohlstand … jedoch auf der Welt viel, viel Drama… Innere Frage: wo kommst du her…. Vorfahren…???? bis zur Zeit der Römer???? es war südlich der Main-Linie … bewohnt… Weiterdenken bei all den Fragen, auch zur Schöpfung… bis hin zu den Galaxien!!! gibt ausser der Tierwelt noch weitere Wesen zu menschlicher Ähnlichkeit… Eine Lösung über viele, viele Punkt `= Liebe!!!
    … Gott ist die Liebe…. Gruß KleinPeterlein

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