Forum für Philosophie und Politik
Von Juliane Brumberg
Zum allerersten Mal ist in Deutschland eine Ausstellung der amerikanische Malerin Georgia O‘ Keeffe zu sehen. Juliane Brumberg war in München und hat sie angeschaut.
98 Jahre alt wurde Georgia O’Keeffe und konnte, als sie 1986 starb, auf ein Jahrhundert voller Veränderungen zurückblicken. Diese Veränderungen waren in Europa dramatischer als in den USA. Aber Europa war auch nicht ihr Terrain. Gehörte sie doch zu der ersten Generation, die ihre künstlerische Ausbildung nicht mehr bei ausgedehnten Studienaufenthalten in den europäischen Kunstmetropolen München oder Paris erhalten hatte. Nein, sie lernte bei amerikanischen Professoren und über sie die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Europa entwickelnden Stilrichtungen kennen. Doch nicht nur aus diesem Grund war sie eine wirklich amerikanische Malerin. Für mich ist sie auch deshalb typisch amerikanisch, weil sie in so vielen Landschaften dieses großen Landes gelebt hat, bevor sie schließlich nach dem Tod ihres Mannes 1949 in der kargen Wüste New Mexicos ihre Heimat fand. Und all diese Landschaften spiegeln sich in ihren – immer auf das Wesentliche reduzierten – Bildern wieder. Wie reizvoll würde es sein, auf den Spuren der Lebensstationen von Georgia o’Keeffe die USA zu bereisen und kennenzulernen: Von Wisconsin im Mittleren Westen nach Virginia, dann die großen Städte Chicago und New York, wo sie studierte und lebte, schließlich Texas, wo sie als Lehrerin arbeitete und Lake George, der Landsitz der Familie ihres Ehemanns Alfred Stieglitz im waldreichen Norden des Staates New York, auf dem sie so viele Sommer verbrachte.
In München sind nun nicht nur ihre Bilder zu sehen, sondern, didaktisch gut aufbereitet, auch Filmsequenzen von den Plätzen, an denen die Bilder entstanden. Und was in der Natur rau und kantig wirkt, erscheint bei Georgia O’Keeffe weich und warm, ohne die Einsamkeit der Orte auf irgendeine Weise zu überspielen oder zu verfremden, ganz im Gegenteil, wir erkennen sie sofort wieder. Viele ihrer Werke, und das gilt für die Landschaften ebenso wie für die großen Blütenbilder, für die sie so berühmt ist, vermitteln eine höhlenartige Geborgenheit. In einen Blütenkelch oder zwischen Gesteinsformationen – es ist der Blick ins Innere, den die Malerin herausgearbeitet hat und der von der Kunstkritik als sinnlich, sexualisiert und weiblich interpretiert wurde.
Doch in diese Ecke ließ die Malerin sich nicht drängen. Ab Mitte der zwanziger Jahre nahm sie systematisch und mit Erfolg ihre Selbstdarstellung in die Hand. Sie malte gegenständlicher und verwahrte sich gegenüber den an Siegmund Freud angelehnten Assoziationen, die die Kritiker ihr unterschieben wollten, obwohl es doch deren eigener – männlicher – Blick war, der etwas sehen wollte, was die Malerin nicht gemeint und gemalt hatte. Außerdem ließ sie sich nur noch in sehr selbstbewussten Posen bei ihrer künstlerischen Arbeit fotografieren. Die Zeit der Aktfotos von ihr – so weich und warm wie ihre Ölbilder -, mit denen ihr großer Förderer und spätere Ehemann, der berühmte Fotograf Alfred Stieglitz, 1921 eine große Ausstellung bestückt hatte, war endgültig vorbei.
Der Katalog informiert darüber, dass Georgia O’Keeffe Feministin und langjähriges Mitglied der National Woman’s Party (NWP), einer radikalen feministischen Gruppierung war, der sie von 1914 bis zu deren Auflösung 1930 angehörte. Zum neuen Feminismus der 1970er Jahre hielt sie sich jedoch auf Distanz, vermutlich um nicht wieder einem geschlechtsspezifischen Kunstverständnis zum Opfer zu fallen. Ihr ging es darum, dass nicht die „Weiblichkeit“ ihrer Kunst wahrgenommen wurde, sondern dass das Publikum verstand, wie sie, die Malerin, die Kräfte der Natur in ihrem Wirken auf das menschliche Erleben abbildete. Leider konnten die Überschriftenmacher der überregionalen Münchner Tageszeitung es trotzdem nicht lassen, ihren Ausstellungsbericht mit „Unbeschreiblich weiblich“ zu betiteln.
In der Ausstellung hat mich überrascht, dass schon die allerersten Bilder, die allererste Blume, entstanden in Aquarelltechnik noch vor ihrer New Yorker Zeit, die spätere Georgia O’Keeffe erkennen lassen mit ihrer Fokussierung auf das, was aus dem Inneren hervorquellen möchte. Wahrlich eine Malerin, die sich selber treu geblieben und ihren Weg gegangen ist, ohne sich beirren zu lassen. Und ihre großformatigen Bilder, bisher hierzulande fast nur auf Abbildungen im Postkarten- oder Kalenderformat zu sehen, überzeugen in ihrer weichen und zugleich starken Konsequenz. Bei aller Detailtreue und allem Realismus lassen viele von ihnen ein Geheimnis, fast möchte ich sagen etwas Unverfügbares, erahnen.
Georgia O‘Keeffe: Leben und Werk, Hypo-Kunsthalle München, bis 13. Mai 2012.
Liebe Juliane,
danke für Deinen Hinweis auf die Ausstellung – ich bin nach München gefahren und bin immernoch und neu begeistert. Georgia O´Keeffe “kannte” ich schon lang, hatte aber noch niemals Originale gesehen. Die ausdrucksvollen und berührenden Fotographien von ihr, die Filme, die die von ihr gemalten Landschaften zeigen, die Ausstellung insgesamt. Ich kann nur “Danke” sagen.
Liebe Grüße von Waltraud