Forum für Philosophie und Politik
Von Antje Schrupp
Drei Planwagen auf dem Weg nach Westen, 1845, durch das amerikanische Nirgendwo. Ein kleines Grüpplein Menschen, getrieben von der Hoffnung auf ein besseres Leben. Das Leben ist hart und rau: die ständige Gefahr, kein Wasser zu finden, von Indianern überfallen zu werden, sich in den Weiten der Prairie zu verirren. Aber man findet auch mal Gold. Und weiß nie, was hinter dem nächsten Hügel liegt.
So weit, so normal für einen Western. Nur dass die Regisseurin Kelly Reichardt hier einiges neu codiert.
Die erste Neuerung: Es gibt Frauen im wilden Westen. Zu den drei Planwagen gehören nicht abenteuerlustige Single-Männer, sondern Ehepaare.
Die zweite Neuerung: Die Frauen machen „Frauenzeugs“. Sie sind nicht bloß eine weibliche Kopie des männlichen Cowboys, wie sie seit den Achtzigern hie und da ins Westerngenre eingesprenkelt wurde. Diese Frauen sind keine „Ausnahmefrauen“, sie sind der weibliche Mainstream. Sie kochen Essen, waschen Kleider, kümmern sich um Kinder. Sie können natürlich auch schießen, wenn es sein muss.
Die dritte Neuerung: Das, was die Frauen da so machen, dauert. Bis so ein Teller geschrubbt ist. Bis so ein Feuerholz gesammelt ist. Kelly Reichardt zeigt den Alltag des Wildwestlebens im Detail. Wie mühsam es ist, einen Fluss zu durchqueren, wenn man nicht auf der Jagd nach einem Verbrecher oder auf der Flucht vor Bösewichten kurz durchgaloppiert, sondern auch noch den ganzen Hausrat unbeschädigt auf die andere Seite bringen will. Die Uhr von der Oma und den Käfig mit dem Vogel drin.
Übrigens lernt man auch, wie praktisch diese merkwürdigen Häubchen sind, die die Frauen in den alten Western auf dem Kopf tragen und die mir bisher immer etwas albern vorkamen. Nein, sie sind superpraktisch, wenn die Sonne knallt!
Die vierte Neuerung: Das patriarchale Geschlechterverhältnis ist nicht mal mehr ein Ärgernis wert, sondern ganz offensichtlich absurd. Etwa dass die Männer ständig Dinge beraten, ohne die Frauen um ihre Meinung zu fragen. Ob sie nach Süden oder nach Norden ziehen, ob sie hier schon das Nachtlager aufschlagen oder noch weiter ziehen sollen. Es ist schwer, Verantwortung zu tragen, wenn man schlicht und ergreifend nicht weiß, wo es lang geht und daher genauso gut würfeln könnte.
Und dann ist da noch Meek, der großspurige Trapper, der das Grüppchen anführt. Er hat ihnen eine Abkürzung empfohlen, sie weg von den Routen der großen Trecks geführt. Schnell stellt sich heraus, dass er eigentlich auch keine Ahnung hat. Vom Weg nicht und von Frauen nicht, und vermutlich ist das auch dasselbe. Lass ihn weiter vom Grizzlybären erzählen.
Interessant wird es, als der Indianer auftaucht. Ein Indianer, den die Gruppe braucht, denn wenn überhaupt weiß er, wo es Wasser gibt. Den man aber nicht kennt. Der fremd ist, dessen Sprache man nicht versteht. Man weiß nicht, was in seinem Kopf vorgeht, ob er Gutes oder Böses im Sinn hat. Eine der Frauen ergreift die Initiative und versucht, eine Beziehung herzustellen. Eine Beziehung ohne Basis, ins Ungewisse, wie eigentlich jede Beziehung.
Man braucht den halben Film, um zu merken, dass sie, diese Frau, die Hauptrolle spielt (wenn man auf die Filmplakate geschaut hat, weiß man es natürlich vorher schon, aber das ist schade). Auch das ist wie im wirklichen Leben: Die wirklichen Helden – und Heldinnen – sind nicht diejenigen, die mit Trommelwirbel in die Handlung eingeführt werden.
Meek’s Cutoff ist ein wunderschöner Film. Allerdings sollte man das Genre Western schon ein bisschen mögen. Denn, wie gesagt, das ist alles sehr detailreich und dauert.
Der Film kommt in Deutschland am 10. November in Kino.