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Sprache ohne Worte

Von Cornelia Roth

Als ich den neuen Film „Pina“, gedreht von Wim Wenders, anschaute, dachte ich erneut über das Thema „Sprache“ nach. „Pina“ ist hauptsächlich ein Tanzfim, Ausdruckstanz. Am Anfang fand ich die 3D-Aufnahmen künstlich und befremdend. Mit der Zeit zog es mich jedoch immer mehr hinein. Und – und darüber denke ich nach – besonders hinterher hat das, was ich gesehen habe, eine subtile und große Wirkung auf mich ausgeübt. Und zwar eine, die sich der gesprochenen Sprache weitgehend entzieht.

Was sich da entfaltete, hat mit gelebtem Leben zu tun, kann ich vielleicht sagen. Pina Bausch, die große Künstlerin, die vor nicht langer Zeit starb und für die dieser Film gemacht ist, sagt in dem Film ungefähr so: „Unsere Arbeit ist jenseits der Worte. Es geht darum, etwas ahnen zu lassen.“ Und: „Meine wichtigste Frage ist immer wieder: Was steht hinter Deiner Sehnsucht?“ Worte können das nur in Metaphern fassen und vielleicht auch damit, wie sie gesagt werden, der Ton, der Klang, die Geste, mit der sie gesagt werden.

Vor etlichen Jahren ging es bei den Diskussionen um die “symbolische Ordnung der Mutter” immer wieder darum, wie wichtig die gesprochene Sprache sei und das Werk der Mutter, mit der Sprache dem Kind Bedeutung und Sinn zu schenken. Frauen, die in den 1980er Jahren entdeckten, wie elementar für sie ihr Körper und ihr Leben in ihrem Körper ist, waren dagegen, dass das Wort der Nabel aller Dinge sei. Zum Beispiel Frauen, die in rituellen Kreistänzen Lust hatten, Leben begehbar zu machen, fanden solche Wortgeschichten einseitig.

Deutlicher denn je empfand ich nach dem „Pina“-Film, dass Sprache sich nicht auf Worte beschränkt. Mir fiel wieder Walter Benjamins Ausdruck „Sprache der Dinge“ ein, der sich Chiara Zamboni in ihrem wunderbaren Buch „Unverbrauchte Worte“ annähert. Und mir kommen Bilder vor Augen von Frauen – und Männern –, vor allem Frauen in Ländern des Südens, die sich ganz anders bewegen als wir. Anmut und Würde fallen mir ein. Ich frage mich dann immer: Wie lernen die das? Wie wird das weitergegeben? Von der Mutter? Von der Gemeinschaft? Ist das eine Frage der inneren Haltung? Also der unausgesprochenen symbolischen Ordnung?

Es spricht für mich jedenfalls eine Sprache. Und ich finde, dass Sprache mehr umfasst als das gesproche Wort.

Autorin: Cornelia Roth
Redakteurin: Antje Schrupp
Eingestellt am: 09.03.2011
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Kommentare zu diesem Beitrag

  • Fidi Bogdahn sagt:

    Cornelia, ich habe den Film auch gesehen…
    nur kurz dazu von mir dieses:
    im Gegensatz zu den von Pina Bausch einstudierten Aufführungen früher,
    die ich im Fernsehen mit großer Freude habe sehen können,
    hatte ich in diesem Film bei so vielen Bildern das Gefühl,
    dass da zwar auch “was gesagt” wurde, ich aber diese Sprache zu oft nicht “verstand”.
    Von wenigen Momentan abgesehen, war es einfach nicht mehr PINA, die da “sprach”.
    Die 3D-Technik war faszinieren, war aber so spürbar Technik. Vielleicht lag es daran.
    So blieb für mich vieles in wunderschönen Bewegungsbildern, doch irgendwie stumm.
    Anders am Schluß… da sahen wir sie selbst nochmals tanzen; eine kurze Zeit nur…
    Das war für mich mehr als “Sprache”; es war ein Gedicht!

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