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“In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst!”

Von Linda Kagerbauer

Junge Feministinnen planen im August ein Netzwerktreffen in Marburg.

Vernetzung

Foto: Franz Pfluegl/fotolia.com

…und es brennt schon länger in mir: Das feministische Feuer, die Lust auf Vernetzung, Diskussion und Welt gestalten. Das ist als junge Feministin allerdings nicht so einfach! Die Arena der politischen Aushandlung, die Öffentlichkeit und die Präsenz feministischer Themen haben sich verändert, professionalisiert, privatisiert und individualisiert. Damit haben sich die Anknüpfungs- sowie Solidaritätspunkte für junge Frauen verschoben.

Und trotzdem oder auch gerade deswegen habe ich Lust, den Funken überspringen zu lassen, um mit anderen jungen Frauen das feministische Feuer sichtbar, stark und unausweichlich auflodern zu lassen. Zusammen mit anderen Kolleginnen aus der Mädchenarbeit entstand die Idee, mit einem Vernetzungstreffen den Grundstein für einen bundesweiten Austausch junger Feministinnen zu legen. Als Vorstandsfrau der Landesarbeitsgemeinschaft Mädchenpolitik in Hessen e.V. habe ich die Möglichkeit, diese Idee zu realisieren. : Das Treffen wird am 28. und  29. August in Marburg stattfinden und das erste bundesweite Netzwerktreffen junger Feministinnen in der Mädchenarbeit sein.

An diesem Wochenende wollen wir den Status der Einzelkämpferin um einen kollegialen Austausch sowie eine gemeinsame Denk- und Diskussionskultur erweitern. Das Spannungsfeld zwischen der oft gefühlten und formulierten Haltung älterer Kolleginnen (“Du warst ja damals nicht dabei!”) und dem postfeministischen “Alphamädchentum” möchten wir nutzen und diskutieren. Wir möchten einen Rahmen zur Auseinandersetzung mit den eigenen Ideen und Perspektiven stecken sowie das Profil einer jungen Generationen und ihrer Stärken sowie Kompetenzen schärfen.

Denn ich bin davon überzeugt, dass eben diese junge Generation viele neue oder auch alte, aber vor allem vielfältige Beiträge zur Entwicklung der Mädchenarbeit leisten kann. Zum besseren Verständnis werde ich im Folgenden einige Funken und Erklärungen sprühen lassen, um die Begründungszusammenhänge für mein Engagement zu erläutern. Ein, wie ich finde passender Einstieg ins Thema: Das Eigene zu politisieren!

Als Grundlage dient mir meine Diplomarbeit, die ich zum Thema: “Hier sind wir! Junge feministische Sozialpädagoginnen und ihre Aufforderung zu einem Dialog der Generationen” als Buch veröffentlicht habe. Darin geht es um das Berufsverständnis junger, feministischer Mädchenarbeiterinnen und um die Notwendigkeit eines Dialogs der Generationen. Dabei versteht sich das “Hier sind wir!” als Hinweis darauf, dass es junge, interessierte und feministisch organisierte Kolleginnen gibt. Alles eine Frage der Vernetzung!

Das Netzwerktreffen in Marburg soll auch dazu beitragen, Transparenz, Öffentlichkeit und Diskussion von und für junge Feministinnen herzustellen. Die Öffentlichkeit hat sich nämlich mit der Institutionalisierung feministischer Arbeit verändert. Die Stimmen und Schlachtrufe der Frauenbewegung, also derjenigen, die politisch sichtbar für die Rechte von Frauen und Mädchen kämpfen, sind leiser geworden, sie sind diversifiziert und eingebettet in den institutionellen Rahmen sozialer Arbeit.

Die strukturelle Verankerung feministischer Grundprinzipien hat es möglich gemacht, dass Frauen sich im Rahmen institutionalisierter Arbeitsfelder sichtbar und organisiert für die Anliegen von Mädchen engagieren konnten.

Diese Professionalisierung, die Verschiebung weg von einer politischen Aktivität hin zu einem Berufsfeld, hat aus der Mädchenarbeit einen wesentlichen Bestandteil der sozialen Versorgungslandschaft gemacht. Ein solches institutionelles Politikverständnis, das den Kampf von der Straße in die Einrichtungen verlagert hat, führte aber dazu, dass Mädchenpolitik von der praktischen Arbeit abgekoppelt wird: Spezifische, strategische Themenbereiche und professionelle Öffentlichkeitsarbeit ersetzen Aktionismus.

Das ist ja auch gut so, denn nur so wurde es möglich, Mädchenarbeit in ganz Deutschland zu verankern. Aber diese Verankerung und Legitimation mädchenspezifischer Strukturen im sozialpolitischen Versorgungsapparat hat auch den Auftrag und den Boden verändert, auf dem sich junge Kolleginnen heute bewegen.

Junge Frauen in der Mädchenarbeit nutzen die etablierten Strukturen, müssen diese aber nicht mehr schaffen. Politisches Interesse ist zwar in der Praxis gewünscht, aber nicht mehr prioritär. Damit hat sich Mädchenarbeit verändert, hat sich der ganzheitliche und persönliche Anspruch “das Private ist politisch” spezialisiert und privatisiert. Diese Veränderung bedeutet außerdem, dass junge Kolleginnen in der Mädchenarbeit oft auf alte Ansprüche, aber gleichzeitig auf veränderte Bedingungen stoßen. Denn was als politische Offensive begann, stellt sich heute als eine institutionalisierte Alternative dar. Es gilt, diesen Erfolg zu feiern und gleichzeitig die daraus resultierenden Konsequenzen zu hinterfragen.

Leider bleibt im Alltag oft wenig Zeit, sich diesen “Entpolitisierungsmechanismen” kritisch zu stellen. Räume, in denen laut gedacht werden darf, kollegial oder gar kollektiv, sind rar geworden. Eine kritische Öffentlichkeit hat sich verändert und bietet auch in den einzelnen Einrichtungen nur noch wenig Raum zur persönlichen und politischen Auseinandersetzung.

Dies ist meiner Meinung nach nicht nur eine Folge der Professionalisierung, sondern auch Teil einer sozialpolitischen “Beschäftigungsstrategie”: Die meisten mädchenspezifischen Einrichtungen sind heute eher mit dem finanziellen Überleben als mit “Politikmachen” beschäftigt. Das hat Logik und verändert gleichzeitig die Bereitstellung von Räumen, Dialogen sowie Begegnungen. Und es verhindert wohl auch, dass junge Kolleginnen in ihrem Profil oder Engagement gesehen werden. Amy Richards, die Mitbegründerin der Third Wave Association, einer Organisation für junge Feministinnen in Amerika, formuliert diesen Gedanken folgendermaßen: “Nicht das Thema Feminismus frustriert die jungen Frauen, sondern die Leute, die ihnen sagen, es gebe nur einen richtigen Feminismus.”

Daher geht es um die gegenseitige Wahrnehmung unterschiedlicher Generationen von Feministinnen sowie die Eroberung von Denk-, Diskussions- und Begegnungsräumen. Wir brauchen Räume, in denen sich verschiedene Generationen begegnen können. Orte, an denen entgegen einer gesellschaftlich verordneten “Alphamädchenpropaganda” wieder laut und kritisch gedacht werden darf. Orte, an denen junge Kolleginnen üben und erfahren dürfen, was es heißt, gemeinsam zu denken, zu reflektieren und zu politisieren.

In Zeiten von Individualisierung und Vereinzelung haben es meine und nachfolgende Generationen nur bedingt gelernt, sich kollektiv zu organisieren. Frauen- und Mädchenpolitik wird nicht mehr so sehr als öffentliches Thema, sondern als eine institutionalisierte Praxis wahrgenommen, während politische Diskussionen oft wenig mit der alltäglichen Arbeit zu tun zu haben scheinen. Anders als in früheren frauenbewegten Zeiten verstehen sich jüngere Kolleginnen im Kontext ihrer Arbeit als Einzelkämpferinnen, die Reflexion und Politik weniger auf der Straße oder in den Einrichtungen als mehr im Privaten praktizieren.

Gerade deshalb ist es so wichtig, als junge Generation in eine gemeinsame Diskussion zu kommen, um die Kompetenzen einer unabhängigen Einzelkämpferin um die Erfahrung der kollektiven Kraft unter Frauen zu erweitern. Deshalb bieten wir mit diesem Vernetzungstreffen einen Ort, wo junge Kolleginnen einander begegnen und miteinander diskutieren können. Wir wollen das Private wieder politisch und öffentlicher denken lernen, feministische Traditionen übersetzen, Selbstverständnisse hinterfragen, eigene Positionen entwickeln und Feminismus neu denken und entfachen. Es gilt, sich als junge Frauen im Kontext der Generationenfrage zu emanzipieren, sich zu bemächtigen, um Inhalte, Beziehungen, Strukturen und vor allem Visionen zu gestalten und zu definieren.

Ziel des Netzwerktreffens ebenso wie der alltäglichen Praxis sollte darum sein, diese Themen sowie einen Generationendialog und eben eine politische, feministische Perspektive zu institutionalisieren. Einhergehen sollte damit der Anspruch, Räume zu besetzten, um damit nicht nur einen Umgang mit sowie Nutzen von Vielfältigkeiten zu etablieren, sondern diese zum Ausgangspunkt neuer, alter feministischer Diskussionen zu machen.

Diese Verknüpfung wäre nicht nur eine räumliche, sondern auch eine pädagogische, innovative Aneignung. Denn letztendlich geht es hier auch um den Umgang mit Vielfalt im Sinne der Pädagogik der Vielfalt, um das Gestalten von Beziehungen unter Frauen und damit um eine egalitäre Differenz, in denen Unterschiede gleichwertig gedacht werden können.

Ziele und Visionen zu entwerfen, welche die Unterschiedlichkeit verschiedener Generationen integrieren und Gemeinsamkeiten sowie Traditionen bewahren, scheint daher ein wesentlicher Auftrag und Produkt gemeinsamer Dialoge und Konfliktanalysen zu sein. Analysen, die auch das Generationenthema als eine Form der politischen Spaltung entlarven, als einen Mechanismus, der Solidarisierung unter Frauen und damit Widerstand verhindert.

Der erste Schritt wird es also sein, sich als junge Feministinnen als Generation zu sehen und zu verstehen. Eigene Räume zu besetzen, um Worte und Orte zu finden, die es ermöglichen, in Beziehung mit sich und anderen Frauen zu treten als Form der Solidarität und des Widerstands. In diesem Sinne: Lassen wir es brennen!

Über Rückmeldungen oder Fragen und Anmeldungen zum Netzwerktreffen würde ich mich sehr freuen!

Kontaktdaten: linda-kagerbauer.de oder und

Autorin: Linda Kagerbauer
Redakteurin: Antje Schrupp
Eingestellt am: 27.02.2010

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