Forum für Philosophie und Politik
Von Antje Schrupp
Dass es unter Frauen, und zwar auch unter jungen Frauen, inzwischen wieder ein größeres Interesse und Bedürfnis nach feministischer Theorie gibt, zeigte sich im Februar im Evangelischen Frauenbewegungszentrum in Frankfurt. Zum Auftakt einer neuen Veranstaltungsreihe “DenkRäume” war die Publizistin Christa Mulack eingeladen, die der provokant formulierten Frage: “Sind Lesben frauenfeindlich?” nachging. Über 60 Frauen aller Altersgruppen, Lesben und Heteras aus unterschiedlichen feministischen Richtungen waren gekommen.
Das Thema habe sie gewählt, weil sie gerade unter lesbischen Frauen häufig eine Kultur fehlender Wertschätzung für Andersdenkende, eine aggressive Grundstimmung im Umgang miteinander und fehlende Beziehungskultur erlebt habe, so Mulack. Obwohl doch Lesben gerade den Anspruch hätten, Frauen zu lieben, beobachte sie in lesbischen Frauenzusammenhängen häufiger als anderswo eine gewisse “Verachtung für jegliche Form von Weiblichkeit”.
Die Hauptursache für fehlende Liebe und Solidarität unter Frauen, so Mulack, sei die patriarchale Abwertung von Weiblichkeit, die allen Mädchen anerzogen werde und daher auch Lesben beeinflusse. Daher sei die “Überbewertung des Männlichen” auch unter lesbischen Frauen normgebend. Im Patriarchat seien “alle Frauen Opfer”, allerdings würden manche Lesben sich als vermeintliche “Nicht-Opfer” sehen, die sich aus den Beschränkungen des heterosexuellen, auf Männer bezogenen Lebens befreit hätten. Aus dieser Perspektive schauten sie dann auf die anderen, vermeintlich weniger freien heterosexuellen Frauen herab. Mulack forderte hingegen dazu auf, anzuerkennen, “dass wir alle patriarchal infizierte Frauen sind.”
Deutlich grenzte sich Christa Mulack von der “Genderforschung” und der Queer-Philosophie ab, die das Frausein gänzlich als sozial konstruiert verstehe. “Es genügt nicht, den Weiblichkeitsbegriff einfach abzulegen, sondern wir müssen ihm etwas Neues, eine feministische Anthropologie das Frauseins, entgegensetzen.” Feminismus könne sich nicht damit begnügen, überholte und patriarchale Vorstellungen des Frauseins abzubauen, sondern es sei notwendig, auch eine neue Grundlage aufzubauen, eigene Vorstellungen und Orientierungen im Bezug auf das Frausein zu entwickeln. Ansonsten laufe die Frauenbewegung Gefahr, männliche Werte einfach zu übernehmen. “Dem Patriarchat ging es schon immer um die Abschaffung des Weiblichen”, so Mulack, “alle Unisex-Modelle passen da hinein. Die Selbstabschaffung der Frau als weibliches Wesen spielt dem Patriarchat in die Hände.”
Insbesondere Mulacks Versuch, diese Wurzel der Weiblichkeit im Körper, in der Menstruation und der Gebärfähigkeit zu verankern, wobei sie die Ergebnisse der neueren Hirnforschung als Belege anführte, stieß in der anschließenden Diskussion auf teilweise deutlichen Widerspruch, vor allem seitens der jüngeren, in den universitären “Genderstudies” beheimateten Frauen. Auch Mulacks plakativer Aussage “Frauen sind die besseren Menschen” mochten viele nicht folgen. Allerdings liefen diese Auseinandersetzungen weitgehend respektvoll und unideologisch ab – ein gutes Zeichen dafür, dass die verschiedenen Strömungen der Frauenbewegung heute doch auf eine kreativere Weise “aneinander geraten” können (vgl. dazu meinen gleichnamigen Text in diesem Forum).
Wenn die Diskussionen an diesem Abend unabgeschlossen blieben, dann lag das jedenfalls an der Begrenztheit der Zeit und der Größe des Publikums und nicht an fehlendem Interesse an der Position der anderen. Schade war nur, dass durch den “Biologismus-Streit” erneut der Eindruck entstehen konnte, “Differenzfeminismus”, also eine Philosophie, die dem Frausein Bedeutung gibt, begründe dies immer im Körperlichen, und alle, die – mit Judith Butler – auch das biologische Geschlecht für sozial konstruiert halten, müssten unweigerlich “Gleichheitsfeministinnen” sein. Gelungen ist es immerhin diese Gegenüberstellung in ihrer Pauschalität zu hinterfragen.
Ein anderer Aspekt hingegen, auf den Mulack in ihrem Referat hingewiesen hatte, wurde in der Diskussion leider nicht aufgegriffen, und zwar ihre Warnung vor der gegenwärtig zu beobachtenden “Verrechtlichung weiblicher Lebenssphären”, vor allem im Gesundheits- und Familienrecht. Diese Verrechtlichung und Reglementierung nämlich stellt auf jeden Fall eine Gefahr für die weibliche Freiheit dar, ganz unabhängig davon, ob diese faktisch vorzufindene “Weiblichkeit” nun soziale oder biologische Ursachen hat oder ob sie (wie ich sagen würde) vor allem eine Frage der Kultur ist.
Die Reihe “DenkRäume” wird weitergeführt. Am 15. Mai referiert Frigga Haug über “Das Sexuelle und das Politische”, am 19. Juni Lising Pagenstecher über “Lesbische Identität im Lebenslauf” und am 18. September ich selbst über “Affidamento – eine politische Praxis”. Beginn ist immer Freitag abend um 19 Uhr im Evangelischen Frauenbegegnungszentrum Frankfurt am Main, Saalgasse 15 (Nähe Römerberg).
Was ist mit der Seite femininelesbians passiert? Danke für feedbacks
spontan
Ganz spontan möchte ich dieses äußern, nachdem ich den Bericht gelesen habe:
Ich weiss noch nicht genauer, was es wirklich ist, – was das bei mir anspricht bzw. auslöst.
Aber ich fühle mich ausgesprochen geistig unwohl!
Solche Aussagen z.B. – dem Sinn nach: “Obwohl doch Lesben gerade den Anspruch hätten, Frauen zu lieben….”…;
ich habe keinen Anspruch, sondern ich tue es! oder dieses: Mulack forderte hingegen dazu auf, anzuerkennen, “dass wir alle patriarchal infizierte Frauen sind” – ist da eine die Matriarchatseinbahnstraße rückwärts gefahren?
Ich hoffe so sehr, dass hier ein Gespräch über den Inhalt des Berichts stattfinden wird.