Forum für Philosophie und Politik
Von Juliane Brumberg
Anders zu sein als das, was als die Norm gilt – aber wer ist schon wirklich normal? – ist immer schwierig. Und wenn eine Frau Frauen liebt, ist sie anders, queer. Und wenn sie Muslimin ist, hat sie andere Probleme als eine Frau im Westdeutschland der Nachkriegszeit. Angeregt durch den Artikel von Angelika Hassani Gott hat viele schöne Namen möchte ich an dieser Stelle das schon vor einigen Jahren erschienene Buch “Die Tante im Dach” von Kris Baege vorstellen.
Der Roman handelt zunächst davon, was Frauen alles miteinander machen: sie kaufen sich ein Haus, stärken sich in Krankheitszeiten, üben sich in Toleranz, reisen zusammen und getrennt, ver- und entlieben sich, gehen mit der Hündin spazieren, sorgen sich auch um die verflossene Freundin und finden nach Trennungen gute Wege des Umgangs miteinander.
Und das alles beobachtet die geliebte Tante im Dach, die lange tot ist und deren durchaus nicht üblichen Lebensweg die Ich-Erzählerin dem eigenen gegenüberstellt. So entfaltet dieser wunderbar warmherzig und sprachlich geschickt geschriebene Roman in zwei Erzählsträngen eine Nachkriegskindheit einerseits und die Entwicklung zu einer selbstbewussten lesbischen Identität andererseits. Immer bleibt es spannend, wie die Geschichte weitergeht.
Bei genauem Hinschauen gibt es sogar Vor-Bilder, denn: was war eigentlich mit den Tanten, die im Haus der Großmutter verkehrten? Jedoch haben die Erwachsenen das Kind ganz schön irritiert mit ihren doppelbödigen Botschaften.
Die Dialoge bringen das Dilemma auf den Punkt:
“Meine Mutter sagt, dass man unglücklich ist, wenn man anders lebt als alle anderen:”
Also nicht nur das Recht, auch das Glück schien sich auf der Seite der Mehrheit zu befinden. “Aber unsere Mütter sind doch auch nicht immer glücklich”, gab ich zu bedenken.
“Das ist was anderes”, beschloss Jutta.
Ein paar Seiten später bekommt die nun erwachsene Ich-Erzählerin hilfreichere Antworten:
“Aber ich wollte so gern sein wie alle anderen: normal.”
“Du bist normal. Normalität ist kein Mehrheitsbeschluss, sondern Ausdruck deiner Gefühlswelt. Was sich für Dich richtig anfühlt, ist normal.”
Natürlich wird auch über die Liebe reflektiert: “Zum ersten Mal erfuhr ich, dass Liebe viele Gesichter hat, von denen Freundschaft und Partnerschaft nur zwei sind und dass Unglück oft entsteht, weil wir uns einbilden, ihr ein ganz bestimmtes Gesicht und Gewand geben zu müssen, dabei zeigt sie sich uns in einem ganz anderen. Und manchmal scheint die Liebe ihr Gewand zu wechseln, weil es ihr zu klein, oder zu groß oder zu abgetragen ist….”
Es ist also nicht einfach, weder mit der Liebe noch mit dem Anders-Sein, und zwar egal, in welcher Kultur wir leben. Schön ist es, wie Kris Baege diese Problematiken aufdröselt und wie wir durch das Buch ein Gefühl dafür bekommen, wie die Entwicklung war in der Bundesrepublik, in der frauenliebende Frauen zunächst gar nicht vorkamen und heute offen als Paar auftreten können.
Das Buch kann nur direkt bestellt werden beim Verlag Frauenoffensive, Weißenburger Str. 40, 81667 München, Tel. 089-48 95 00 48, .
Kris Baege, Die Tante im Dach, Verlag Frauenoffensive, München 2000, 222 S., 12,90 €.