Forum für Philosophie und Politik
Von Angelika Hassani
Auf der Seite von queer.de fand ich eine Umfrage: “Sind Islam und Homosexualität vereinbar?” Die Frage möchte ich als irreführende Frage bezeichnen. Irreführend aus mindestens zwei Gründen.
Sie geht davon aus, dass es ein Konstrukt Islam gibt, quasi ein vom Himmel gefallenes Etwas, mit festen Grenzen, in sich abgeschlossen, unveränderbar. Dass es ein solches Konstrukt in den Köpfen mancher Menschen gibt, ist richtig: Fundamentalisten und solche, die den Fundamentalisten tragischerweise auch noch recht geben, indem sie “den Islam” als “das Problem” ausmachen. Allerdings zerbricht dieses Kopfkonstrukt an der pluralen und dynamischen Lebenswirklichkeit der Menschen. Fundamentalisten reagieren darauf mit Wut, Hass, Feindbildern und Gewalt. Andere, und darunter viele Muslime, behandeln es als das, was es ist: eine Ideologie, die Gott auf ein steinernes kriegerisches Standbild reduziert, im Gegensatz zu dem, was die meisten religiösen, spirituellen Menschen empfinden: Gott, der/die/das Lebendige, Fremde, immer auch Andere, uns Irritierende, uns und unsere Gewissheiten in Frage stellende, und schließlich den Gott der Liebe. Es gibt nur eine Liebe, aber unendlich viele Weisen, in denen sich diese Liebe ausdrückt.
Der Versuch, gleichgeschlechtliche Liebe aus dieser Liebe auszugrenzen und zu verdammen bis hin zur Vernichtung, ist ein alter Versuch. Angesichts der Tatsache aber, dass es zu allen Zeiten und an allen Orten immer gleichgeschlechtlich liebende Menschen gab, gibt und geben wird, auch unter Muslimen, zeigt sich, dass, ebenso wie die Liebe nie vergeht, auch diese Weise der Liebe nie vergehen wird.
Damit bin ich schon beim zweiten Grund: der Existenz gleichgeschlechtlich liebender, queerer Muslime zu allen Zeiten. Insofern empfinde ich die Fragestellung schon als eine Leugnung der Existenz queerer Muslime. Und hier tragischerweise vorgetragen nicht von Achmadinejad, Irans Diktator, sondern von homosexuellen Menschen.
Wie häufig kommt es noch vor, dass Homosexuelle aus dem Westen die Homosexualität selbst als ein westliches Konstrukt darstellen und homosexuellen Menschen mit migrantischem Hintergrund unterstellen, sie seien gar nicht “richtig” lesbisch oder schwul. Merkwürdig. Da reizt es mich doch manchmal, den Spieß umzudrehen und zu sagen: “Oh, interessant. Du bist schwul? Bestimmt seit deiner Reise in die Türkei, dort hast du dein Schwulsein entdeckt.” Oder: “Ach, du warst am Grab von Rumi und dort bekamst du dann eine Eingebung und bist seitdem schwul? Wie schön!”
Die einen also, die uns dazu auffordern, unseren Glauben abzulegen, die anderen, die uns dazu auffordern, unsere Homosexualität abzulegen. Queer Muslime und mit ihnen viele andere Muslime, wollen aber die Deutungshoheit über das, was muslimisch/islamisch sein soll, nicht den Fundamentalisten, den Frauenfeinden und Menschenverachtern überlassen oder den geld- und machthungrigen Politikern in der muslimischen Welt, sondern erheben den demokratischen, pluralistischen Anspruch auf eine tief in der Geschichte der Muslime verankerten Tradition: Dass nie Menschen über den Glauben und das Leben der anderen zu urteilen haben, indem sie sie ausgrenzen aus der Liebe und der Beziehung zu Gott.
Es gibt dazu die bekannten Worte aus dem Koran: Allah hu akbar! Gott ist größer, größer als alles andere, er umfasst alles und ist umfassender und mehr als alles, was wir Menschen je denken oder fühlen können.
Dazu ein schöner Slogan aus dem Kampf queerer Muslime für Akzeptanz, Freiheit und Anerkennung: “We are here, we are queer, takbir!” Mit Takbir ist genau dieser Ausruf gemeint: Gott ist größer! Seine Liebe ist größer und umfassender als das, worauf wir Menschen versuchen, Gott zu reduzieren, um uns als Gruppen oder Einzelne über andere Menschen zu erheben, uns selbst aufzuwerten und Machtansprüche geltend zu machen, um andere zu unterdrücken!
In diesem Sinne ist der lebendige Gott, der Gott der Liebe, der 99 schöne Namen hat, ein Gott für alle Menschen, eben auch ein Gott für Schwule, für Lesben, für Transgender, Bisexuelle…..ein Gott für queere Menschen.
Und deswegen habe ich auf die irreführende Frage mit JA geantwortet: Ja, es gibt uns: queere Muslime und, ja, Gott ist der Liebende und Gott ist auch queer, lesbisch, schwul, transgender. Gott ist die vollkommene Quelle der unendlichen Vielfalt in der Einheit!
Und ich spitze es damit zu, da die 99 Namen Gottes für unendlich viele Namen stehen, und nicht alle sind im Qur’an genannt, sind wir dazu aufgefordert, GOTT gerade auch in den Anderen, uns noch Fremden, unbekannten Namen zu entdecken. Damit gibt es für mich noch die folgenden Namen GOTTES: die Lesbe, der Schwule, Transgender, Bisexuell, Queer…….
Und soviel mehr, was wir von Gott nicht wissen können, aber vielleicht irgendwann noch in unserer Zukunft erfahren werden. Eins ist sicher: Wir brauchen heute den queeren GOTT. Wenn wir Ihn in unser Leben hineinlassen, Teil werden lassen von unserer Welt, dann wird es auch unter Muslimen immer weniger Ungerechtigkeit und Verletzung von Menschenrechten gegenüber homosexuellen Menschen geben. Und soviel ist sicher: Gott/Queer ist ein Gott, der keine Ungerechtigkeit kennt gegenüber heterosexuellen, nicht queeren Menschen! Also keine Angst vor dem liebenden, lebendigen, queeren…Gott und keine Angst vor queeren Menschen!
Es gibt nur die Islame, die Glaubensvielfalt, die wir wollen, die wir zulassen. Islam ist das, was wir daraus machen, und GOTT ist immer mehr und größer! Akzeptanz von Pluralität ist unsere gemeinsame Herausforderung unser gemeinsames Lernziel: für Muslime und Nichtmuslime.
Wir stehen mitten in einem gemeinsamen Lernprozess. Das Ziel dieses Lernprozesses wird für mich in einem Gedicht des berühmten muslimischen Mystikers Ibn Arabi ausgedrückt: “Und mein Herz ist fähig geworden, alle Formen anzunehmen.”
In diesem Sinne: Proud to be queer and muslim!
Der Mystiker Ibn Arabi (1165-1240) sagte: “Mein Herz ist fähig geworden, alle Formen anzunehmen, / es ist Weideland für die Gazellen und Kloster für die Mönche, / Tempel für die Idole und Kaaba für den Pilger, / Es ist die Tafel der Thora und das Buch der Koran. / Es praktiziert die Religion der Liebe, egal an welchem Ort, / wohin sich auch seine Karawanen wenden. / Und die Liebe ist mein Gebot / und die Liebe ist mein Glauben.”
Die alten Religionen sind allesamt sehr intolerant was Homosexualität angeht, da sieht die Bible genauso wie der Koran die Steinigung vor (vermute ich für den Koran).
Wenn man da dann modernisiert muss man im Endeffekt die Ratschläge der religiösen Bücher beliebig werden lassen, denn wenn man ein göttliches Verbot aufhebt, dann kann man alle hinterfragen.
Das ist doch letztlich die Frage, die man sich stellen muss, wenn man religiös und homosexuell sein will.
Inwieweit ist man bereit die religiösen Werke als göttlich anzusehen?
Inwieweit ist man, wenn man die religiösen Werke als Ausdruck des Willens Gottes ansieht, berechtigt diese zu hinterfragen?
Oder darf man annehmen, dass sie nur für die damalige Zeit galten?
Zwischen Frauen und Männern unterscheiden
Den Artikel von Angelika Hassani finde ich sehr interessant, nur leider unterscheidet sie zu wenig zwischen Männern und Frauen. (In diesem Fall zwischen Schwul/Trans und Lesbisch) Denn auch wenn “queer” uns weismachen will, dass es eigentlich keine Geschlechter gibt (weder geistig noch körperlich), so glaube ich gibt sie doch, zumindest meiner Lebenserfahrung nach… Und wenn man sich dann noch die griechischen Mythen anschaut/durchliest, wird einem auch einiges über den “Krieg zwischen den Geschlechtern” klar. Verwirrend, ja aber zumindest das habe ich begriffen: Die Frauen haben nicht gewonnen in dieser Jahrhunderte/Jahrtausende währenden Schlacht der Geschlechter, aber ihre Chancen liegen in der Zukunft. Denn, so wie der Mann sich von der Natur (und damit von der Frau als gebärendes /naturabhängiges Wesen) befreit hat – so muss sich die Frau von dem Mann (als dem die Natur zerstörendes/unfruchtbares Wesen) befreien. Alle Frauen werden lesbisch?? Wer weiß was dann wird, werden wird, aber zumindest werden sie dann geil aussehen ;)