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Große Augen

Von Kerstin Lichtblau

Die Malerin Kerstin Lichtblau über ihre Serie “Augenmädchen”

CheWer sind all diese Mädchen, mit ihren großen Augen? Sie schauen mich an, kommen aus meinem Kopf nach draußen auf die Leinwände und blicken mir tief in die Augen. Sie begegnen mir heute in der Straßenbahn oder morgen im Supermarkt. Sie schauen mich zwischen Zeitschriftenseiten an und wollen gemalt werden.

Sie bewegen sich nicht. Sie existieren in einem eigenen Universum. Junge Mädchen, Mädchen in der Pubertät, junge Frauen; die nicht mehr Mädchen und noch nicht ganz Frau sind, erwachsene Frauen. Es sind eigene Persönlichkeiten, manche etwas melancholisch oder verträumt, andere zornig oder auch schüchtern, jedoch mit eigenem Willen und ausdrucksstarken Augen. Die Augen sind zentrales Element der Bilder, sie schauen den Betrachter an, beobachten die Betrachterin. Sie schauen aus dem Bild zurück auf die Betrachtenden. Die Augen sind größer als Menschenaugen, oft sitzen sie auch mehr an den Seiten der Gesichter, ähnlich wie Tieraugen. Der Blick hat etwas Fremdes, aber auch Vertrautes, verbindet die Bilder untereinander, macht sie unverwechselbar.

Es sind Fabelwesen einer fremden, vertrauten Welt: Augenmädchen.

Eine eigene Gruppe bilden die Insektinnen. Mädchen denen Fühler am Kopf wachsen. Die Fühler geben den Insektinnen eine zusätzliche Empfindlichkeit, sie können damit ihre Umgebung sensibel abtasten. Andere Wesen haben Reh-Ohren zum besseren Verstehen, oder ihnen wachsen Geweihe.

Der männliche Part in einem Bild wird meist von einem Tier übernommen. Es gibt Bilder mit Mädchen und Pandabären oder Mädchen und Adler, Mädchen und Hund. Die Tiere sind nicht zufällig gewählt, ihnen werden meist typische Eigenschaften zugeordnet. Darstellungen von Jungen und Mädchen, Männern und Frauen würden nicht denselben Inhalt transportieren, wären zu eindeutig. Der Interpretationsspielraum, die Assoziationen, die meine Bilder beim Betrachten auslösen, sind mir wichtig. Es sind viele Geschichten in den Bildern, nicht nur eine einzige Interpretation ist möglich, unterschiedliche Betrachter/innen sehen auch verschiedene Inhalte.

MadelWie entstehen die Bilder: In einem Wechsel von Idee und Inspiration, vor dem Mal- und Zeichenprozess und währenddessen. Am Anfang steht ein Bild, ein Foto aus einer Zeitschrift, ein bleibender Eindruck einer Szene aus meiner Umgebung, ein Gefühl, ein Film, ein Buch – ja, auch etwas nicht Visuelles kann Auslöser für ein Bild sein.

Das berühmte weiße Blatt, die weiße Leinwand gibt es nicht für mich. Ich schaue eine Leinwand an und schon sehe ich etwas, manchmal sogar ein fertiges Bild, das aber meistens nicht mit dem späteren fertigen Bild übereinstimmt. Es würde mich langweilen, wenn ich die Bilder fertig im Kopf hätte. Idee und Prozess sind gleichwertig.

Die meisten Bilder beginnen jedoch genau so: Da ist die Idee, das Bild, das Gefühl, das Mädchen und ich weiß wie es aussieht, was sie ausdrücken soll. Ich beginne zu malen und es kommt noch ein zweites Mädchen dazu, die Stimmung ändert sich. Ein Song fällt mir ein, ich füge einen Satz hinzu, das Bild verändert sich wieder. Ich nehme eine Farbetube aus dem Regal und daneben liegt eine andere Farbe, die mir besser gefällt.

Es ist ein Prozess zwischen Planen, Zufall und Finden.

Ich gehe mit offenen Augen durch die Welt, schaue mir viel an, reise, lese täglich Zeitung, schaue viel zu viel Fernsehen, surfe gerne im Netz, und all das verarbeite ich zu meinen Bildern, als meine Reaktion, meine Gedanken, meine Welt.

Autorin: Kerstin Lichtblau
Redakteurin: Antje Schrupp
Eingestellt am: 01.04.2007

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