Forum für Philosophie und Politik
Von Antje Schrupp
Wie können neue Gedanken und Ideen in der Welt zirkulieren? Es ist ja nicht leicht, etwas öffentlich zu sagen, das nicht den Klischees und Erwartungen entspricht. Aber es ist auch nicht unmöglich. Wir haben es schon erlebt: Begegnungen und Gespräche, bei denen überraschende, befreiende Gedanken und Erkenntnisse entstehen, aus der Lust am gemeinsamen Denken. Manchmal sind solche Ideen noch unfertig, aber fast immer befreiend, inspirierend, Weg weisend – und auf eine bereichernde Weise konfliktreich.
Was macht den Unterschied aus? Woher kommt zuweilen diese Qualität des Gesprächs, des gegenseitigen Austauschs, die wir im öffentlichen Diskurs so häufig vermissen?
Die französische Philosophin Simone Weil hat darauf hingewiesen, dass es anstrengend ist und großer Aufmerksamkeit bedarf, eine neue Idee aufzunehmen und zu begreifen. Aufmerksamkeit ist aber – heute noch mehr als zu ihrer Zeit – ein rares Gut. Der Kampf um die Aufmerksamkeit der Vielen hat in den Medien zu immer spektakuläreren Bildern, pauschalen Zuspitzungen, dramatisierenden Darstellungen geführt.
Aber entsteht Aufmerksamkeit, wenn immer lauter, greller, bunter geschrieen wird? Simone Weil schenkt uns eine andere Erklärung. Wenn jemand versucht, etwas Neues darzulegen, schreibt sie, dann “wird man nicht auf ihn hören; weil die anderen diese Wahrheit nicht kennen, werden sie sie nicht als solche gelten lassen; sie begreifen nicht, dass das, was er ihnen da vorträgt, wahr ist; sie widmen dem nicht genügend Aufmerksamkeit, um es zu merken; denn nichts treibt sie, diese Anstrengung der Aufmerksamkeit zu leisten. Die Freundschaft aber, die Bewunderung, die Sympathie oder jedes andere Gefühl des Wohlwollens würde sie ohne weiteres zu einem gewissen Grad der Aufmerksamkeit veranlassen. Ein Mensch, der etwas Neues zu sagen hat – denn die Gemeinplätze bedürfen keiner Aufmerksamkeit -, kann zuerst nur bei denen Gehör finden, die ihn lieben.”
Simone Weil formuliert hier die große Bedeutung, die Beziehungen für den öffentlichen Diskurs haben. Sie schildert eine Erfahrung, die auch wir, die Initiatorinnen dieses Forums, selbst schon gemacht haben, in gemeinsamen Gesprächen und Treffen, bei öffentlichen Veranstaltungen in Frauenräumen, in Mailinglisten, bei Projekten. Ausgehend von diesen Beziehungen ist dieses Forum entstanden. Das Internet, so glauben wir, kann ein guter Ort sein, diese Gedanken zu dokumentieren, weiter zu entwickeln und all denen anzubieten, die die nötige Anstrengung und Aufmerksamkeit aufbringen möchten. Wie es zu diesem Projekt gekommen ist, erzählt Christel Göttert, von der die ursprüngliche Initiative ausging: beziehungsweise am Anfang
Das Internet ist kein virtueller Raum. Es kann nur sichtbar machen, was real ist, und seine Lebendigkeit gründet, wie alles im Leben, auf den konkreten Beziehungen zwischen Menschen aus Fleisch und Blut. Aber es bietet eine Möglichkeit, sich in Beziehung zu setzen zu den Ideen und Gedanken anderer – sei es durch eigene Textbeiträge und Kommentare oder durch “liebevolles” (und das heißt immer auch: kritisches) Lesen und Weiterdenken.
“Beziehungsweise – weiterdenken”: dieser Titel steht gewissermaßen programmatisch für das Experiment, das wir mit diesem Internetforum in die Welt setzen. Und deshalb beschäftigen sich auch die meisten Texte zum Start mit genau diesem Thema: Einer Politik der Beziehungen
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