Forum für Philosophie und Politik
Von Marina Terragni
Ich treffe Lia (Cigarini) und Luisa (Muraro) in Manarola an einem feucht-kalten Osterfest. Wir wollen über Politik sprechen, und es scheint ja um uns herum nichts anderes als Politik zu geben: Die linke Union hat die Wahlen gewonnen, im Moment erkennt Berlusconi ihren Sieg nicht an, der Präsident der Republik muss gewählt werden, es ist abzusehen, dass die Arbeit aller Institutionen ins Stocken geraten wird. Ahnungslose, verträumte englische Touristen in Bermuda-Shorts steigen aus dem kleinen Zug von Cinque Terre. Wir sollten es vielleicht ein bisschen wie sie machen. Wir sollten auch ein bisschen ahnungslos und verträumt sein, um eine andere Politik ausfindig machen zu können in diesem Meer von Politik, in dem die Frauen, wie immer, wenn das Spiel härter wird, nicht mehr mitspielen und sich einfach in Luft aufzulösen scheinen.
Mit meinem kleinen gesunden Journalistinnenverstand ahnte ich, dass in der letzten Nummer der Via Dogana etwas stand, was das Interesse vieler Frauen und Männer wecken könnte. Dort wurde über eine andere Politik gesprochen, über einen anderen öffentlichen Raum, über die gespaltene Polis. Mit definitiver Klarheit wurde gesagt, dass die Gleichheitsbemühungen, die Quoten und andere Strategien, einzelne Frauen in die Politik zu bringen, in Wirklichkeit nur wenige Frauen interessieren und dass sie kaum Probleme lösen. Ich schrieb darüber für “Io donna”, die Frauenbeilage des “Corrriere della Sera”. Die Direktorin von “Io donna”, Fiorenza Vallino, ist eine Frau, die die Politik liebt. Sie folgte aufmerksam meiner Argumentation und meinte: Es stimmt, diese Politik funktioniert nicht, sie ist umständlich, kindisch, ich-bezogen und kompliziert. Man sollte wieder damit anfangen, sie offen zu kritisieren, und damit der Tatsache Rechnung tragen, dass Frauen einen Widerstand gegen die Politik der Repräsentation haben, und dass diese Bühne mit ihrer geringen Beteiligung von Frauen nicht die einzig mögliche ist. “Aber was dann?”, fragte mich Fiorenza. In ihrer schroffen, ehrlichen, sardischen Art sagte sie mir, dass sich in meinem Text ein Ausweg zeigen müsste, dass sie nicht die Erwartungen der LeserInnen enttäuschen wolle. Und dass man in einer gut verständlichen Sprache schreiben müsse. Und wenn es in diesem Bereich irgendeine gute alternative Idee gebe, dann solle ich sie ans Licht bringen.
Wo finde ich eine andere Politik? Wie sieht ein anderer öffentlicher Raum aus?
Der erste Irrtum, sagt Luisa, besteht darin, dass wir uns diesen Raum als weibliche Entsprechung dessen vorstellen, was wir normalerweise Politik nennen, also als Entsprechung zur männlichen Politik mit ihren Regeln und Ritualen. Zuerst müssen wir lernen, das wahrzunehmen, was gerade geschieht, und die männliche Politik zeigt ständig, dass sie dazu nicht in der Lage ist. Ein weiblicher öffentlicher Raum befindet sich häufiger dort, wo etwas geschieht. Er entsteht dort, wo Frauen Veränderungen bewirken, und zwar ohne Abgeordnete oder Repräsentation oder festgelegte Organisationsformen. Einer der wichtigsten dieser Räume ist der Bereich der Arbeit.
Mehr als über die Arbeit selbst begeisterte sich Lia über die Art und Weise, wie Frauen bei der Arbeit sind. Diese Art und Weise ist nämlich politisch und erinnert daran, wie wir vor etwa 30 Jahren politisch waren. Heute ist die Arbeit politischer als die Politik, sagt Lia, denn die Art und Weise, wie die Frauen dort sind, stürzt diese Welt mit ihren Zeiten und ihren Regeln um. Die Tatsache, dass Frauen in die Arbeit Privates hineintragen, die Suche nach Sinn und nach Beziehung, wodurch die Grenzen zwischen Öffentlichem und Privatem unbeständig und unsicher werden, bringt jene Welt in Bewegung.
Es stimmt auch, dass die Beziehung zwischen den Frauen und der Arbeit schwierig und komplex ist, dass die Frauen kommen und gehen, dass sie eine Arbeit aufnehmen und dann wieder aus dem Arbeitsprozess ausscheiden, als müssten sie Luft holen und andere Wege ausprobieren, um sich zu finden. Vielleicht hat die eigentliche gläserne Decke (glass ceiling) nicht so viel mit verhinderten Karrieren zu tun, sondern mit der Frage nach der Zeit und dem Sinn. Dort sind die gläsernen Decken nicht weniger fest. In der Frage der Zeit gibt es heftigen Widerstand gegen Veränderungen von Seiten der Organisationen der Arbeit, den Unternehmen und den Gewerkschaften. Es scheint, als wollten sie vor allem die Zeit von uns haben, als wollten sie über die Qualität unserer Zeit bestimmen. Eine Frau sprach einmal von einer “kranken” Zeit, die schließlich auch die Zeit außerhalb der Arbeit anstecke. Mir scheint, die Frauen kritisieren an der Arbeit mehr oder weniger dasselbe wie an der Politik. In ihren Gesprächen über ihr Unglück bei der Arbeit kommen am häufigsten die Ausdrücke “tote Zeit” und “verlorene Zeit” vor. Damit drücken sie das dauerhaft unerträgliche Gefühl aus, dass die wirklich wichtigen Dinge für ihr Leben und das Leben derer, die sie lieben, woanders geschehen, dass das Leben verrinnt, außerhalb der Enklaven, in denen sie sich ihrer Freiheit beraubt fühlen. Am heftigsten gekämpft wird um die Möglichkeit, diese Spannung zwischen jenem “Drinnen” und dem Leben außerhalb zu reduzieren, die Spannung zwischen jenem “Öffentlichen”, das oft ohne jeglichen Sinn ist, und dem Privaten, das überreich mit Sinn ausgestattet sowie mit einem anderen Öffentlichen verbunden ist, das außen vor bleibt und den Frauen am Herzen liegt.
Ich wende mich hier gegen das Schlagwort des coming back home – “ins Haus zurückkehren wollen”. Die Frauen wollen nicht in die Enge des Hauses zurückkehren, wenn sie die Arbeit aufgeben oder davon träumen. Eher sind sie auf der Suche nach einem anderen öffentlichen Raum oder auch einfach nach einer anderen Arbeit, die mehr Sinn beinhaltet, als sie bis jetzt am Arbeitplatz finden können.
Doch auch die Rede über die Arbeit an sich hängt jetzt in den Seilen. Die Unsicherheit des Arbeitsplatzes (dazu sollten Sie den schönen Film “Il posto” – Der Arbeitsplatz- von Ermanno Olmi anschauen; wann werden wir ein Fernsehen haben, das solche Filme sendet?), die fehlenden festen Beschäftigungsverhältnisse, die Unzufriedenheit, die geringen Einkünfte, die äußerst geringe Kaufkraft, die daraus folgt, greifen auch die Gewissheit der Arbeit als Ort symbolischer Existenz an. Lohnt sich die Entfremdung wirklich noch für so wenig? Vielleicht ist der Gedanke, dass Arbeit an und für sich ein Wert sei, immer brüchiger geworden. Es fühlt sich so an, als hätten wir den Höhepunkt dieses Denkens bereits hinter uns, als hätten die jungen Frauen ein viel nüchterneres, ein instrumentelles Verhältnis zur Arbeit, als sähen sie andere Möglichkeiten, sich eine symbolische Existenz zu geben.
Was ich bis hierher über die Arbeit gesagt habe, bringt mich einer Definition dessen näher, was Lia den “öffentlichen weiblichen Raum” genannt hat. Sie beschreibt diesen Raum als eine Dimension, in der die vergehende Zeit eng mit dem Sinn verbunden ist, anstatt dass sie dem Sinn im Wege steht. Hier ist die Praxis der Beziehungen von entscheidender Bedeutung. Die Grenzen zwischen dem Öffentlichen und dem Privaten lockern sich und werden immer unbestimmter. Der Kunstgriff jener Unterscheidung, der uns bisher gefangen hielt, fällt in sich zusammen. In einem solchen Raum wird sich vielleicht auch endlich die genaue Unterscheidung zwischen Bewusstem und Unbewussten, zwischen Realität und Begehren verwischen, hier können Dinge geschehen, die das Leben aller zum Besseren verändern können. Ich probiere diese vorläufige Definition an anderen Beispielen des öffentlichen Raums aus, über die ich mit Lia und Luisa gesprochen habe.
Luisa spricht zum Beispiel über die Straßen, die Plätze und die Parkanlagen mit den Müttern und ihren Kindern, über das tägliche Zusammenleben im städtischen Raum, in dem die Anwesenheit von Frauen eine Quelle der Sicherheit darstellt. Mir fällt dazu ein Artikel des ehemaligen Chefredakteurs Furio Colombo in der Zeitung “Unità” ein, der in seinem Kommentar zu einer Demonstration in Rom sagte, die Präsenz vieler Frauen habe einen ruhigen Verlauf garantiert. Und damit sagte er die Wahrheit. In Bezug auf Sicherheit, Ruhe und ein friedliches Zusammenleben konnte die primäre Politik der Frauen, ihr millionenfaches Praktizieren guter Nachbarschaft und ihre Fähigkeit, Beziehungen zu knüpfen, mehr ausrichten als viele Gesetze, die fern von der direkten Erfahrung von oben herab erlassen worden sind, wie beispielsweise das schreckliche Einwanderungsgesetz oder die Schulreform. Was die Frauen schon immer von sich und ihren Kontexten ausgehend tun, um ein harmonisches Gemeinschaftsleben aufrechtzuerhalten, um eine lebendige Kultur zu schaffen, von der guten Nachbarschaft über das Ehrenamt bis hin zur Pflege der Wohnungen, der Freundschaften und dem Zubereiten der Nahrung, ist eine Möglichkeit, Polis zu gestalten, ist Politik. Ein öffentlicher Frauenraum ist auch die Liebe der Frauen zur Kultur, zum Studium, der geistigen Vertiefung, der Reflexion, der Literatur, zu Kursen, Diskussionen, Treffen, Ausstellungen, auch zum Fernsehen mit seinen enttäuschenden Programmen. Öffentlicher Frauenraum besteht auch in einer unaufhörlichen Sinnsuche von Kindheit an bis ins hohe Alter, einer Zeit, die ständig angefüllt ist mit der Aufmerksamkeit für andere und dem Bedürfnis, mit ihnen zu sprechen, sowie mit dem Wunsch zu verstehen, um es besser zu machen. Das Studium, sagt Luisa, sei eine unerlässliche Voraussetzung für die Politik, während das, was heute ausschließlich für sich beansprucht, Politik zu sein, hinten und vorne keine Ideen mehr zu haben scheint, weder als Ausgangsvermögen noch als Bezugshorizont. Die politischen Programme werden auf den letzten Drücker mit Blick auf ihren Propagandaeffekt zusammengebastelt und sind äußerst kurzsichtig, die Debatten sind mittelmäßig, die einzige Sorge gilt oft dem Besetzen von Machtpositionen.
Die primäre Politik ist eine Arbeit, die die Frauen schon immer leisten, auch wenn jetzt vielleicht die Gefahr besteht, dass sie sie weniger tun und dass sie weniger auf sie vertrauen, weil sie durch das männliche Politikmodell verführt werden, das alles durchdringt und vereinheitlicht. Es besteht die Gefahr, dass wir resignieren, weil wir meinen, die einzige Politik sei jene, die uns nicht gefällt. Und dass wir das hinnehmen und uns in die Vorstellung flüchten, nicht dazu zu gehören. Zum Beispiel habe ich folgenden Titel in der englischen Zeitung “Sunday Times” gelesen: “Decline and fall of the caring woman”, Niedergang und Verfall der fürsorglichen Frau. Zwei gegensätzliche Fotos waren abgedruckt: eine Lehrerin vom Ende des 19. Jahrhunderts, die ganz konzentriert mit Schulkindern im Gespräch ist, und eine typische Karrierefrau an ihrem Schreibtisch, schön, blond und mit dem Telefonhörer am Ohr. Die Bildunterschrift lautete: “Die moderne Karrierefrau ist damit beschäftigt, Geld zu verdienen, nicht der Gesellschaft zu dienen”. Natürlich vereinfacht der Journalismus die Dinge, in Wirklichkeit sind sie nie so eindeutig. Die schöne Karrierefrau muss wahrscheinlich auch ihren Haushalt führen, an Schulversammlungen teilnehmen und so weiter. Aber es stimmt, der Punkt ist, dass die primäre Politik der Frauen umso mehr Möglichkeiten haben wird, sich selbst zu bewahren, je mehr sie in der Lage sein wird, sich als das zu definieren, was sie ist, nämlich Politik. Und umgekehrt wird die symbolische Existenz der Frauen umso weniger bedroht sein, je mehr die primäre Politik weiterhin praktiziert und als Politik bezeichnet werden wird.
Was wir von Berufs wegen denkenden, redenden und schreibenden Frauen tun können, ist, dass wir es weiterhin allen anderen Frauen sagen: Was ihr tut und was wir tun ist schon Politik, ist unmittelbar politisch, das heißt, wir brauchen dafür keine anderen Vermittlungen wie Wahlen, Delegierte und Parteien. Was wir tun können, ist haarklein, in allen Einzelheiten erzählen, was die Frauen schon tun und was sie sagen, und diesen Dingen wieder das volle Gewicht an politischem Wert geben, das wir darin sehen. Wir können damit den Frauen die politische Identität zurückgeben, die sie bereits besitzen. Und wir können das auf eine Weise tun, dass die Frauen selbst diese politische Identität wahrnehmen. Die weit verbreitete Kritik von Frauen an der Politik der Stellvertretung wird durch dieses pars construens vervollständigt werden, durch das Wahrnehmen des eigenen Politischseins, das jetzt noch fehlt. Aber es genügt nicht, dass wir das wissen, es ist notwendig, dass alle (Frauen und Männer) es wissen.
Die Sonne geht jetzt unter, und wir haben gerade freundschaftlich eine Tafel Schokolade geteilt. Da sagt Lia, wir müssten uns der Gefahr bewusst sein, dass von vielen Frauen, auch wenn sie überzeugt seien, dass das, was sie tun, schon Politik ist, der Einwand kommen könnte, diese ihre Politik sei nicht wirkungsvoll genug, es fehle ihnen dabei die gesellschaftliche Repräsentation. Das ist genau der Einwand, über den wir oft Auseinandersetzungen führen, auch mit uns selbst. Er kann zu Skeptizismus und Frustrationsgefühlen führen. Da fehlt uns ein “Anknüpfungspunkt”, sagt Lia. Luisa spricht von “Anbindung”. Ein Anknüpfungspunkt wäre, wenn Männer sich dieser Politik annähern würden. Es reicht nicht, so wie Prodi mit seinem Campingbus herumzureisen, um die Dinge aus der Nähe zu sehen. Man muss auch bereit sein, diese andere Vorstellung von Politik aus der Nähe zu betrachten. Es geht nicht darum, einzelne Frauen, sondern die Politik der Frauen einzuschließen.
Ich denke daran, dass ich kürzlich, vor den Wahlen, gerade mit Prodi eine Begegnung hatte. Trotz meiner Vorurteile und obwohl ich dort mit der Vorstellung hingegangen war, dass von mir nur vorgefertigte Schlagworte als Beitrag erwartet wurden, um die Aufmerksamkeit der Frauen zu gewinnen, nahm ich dann tatsächlich eine gewisse Bedürftigkeit wahr, deren sich jene männlichen Politiker selbst wahrscheinlich kaum bewusst waren, und so fand ich einen unvorhergesehenen Faden, an den ich mich anbinden konnte. Ich spürte etwas Neues, bzw. ich erkannte etwas wieder, was ich vor Jahren schon einmal mit dem männlichen Politiker Alexander Langer erlebt hatte. (Es ist kein Zufall, dass jemand ihn einmal Angelus Novus genannt hat). Ich hatte das Gefühl, dass Prodi die Frauen wirklich brauchte, ihre Art, die Dinge zu sehen, ihren gesunden Menschenverstand und ihre Fähigkeit, bestimmte Dinge zu sagen und zu tun. Es gibt männliche Politiker, die ein solches Bedürfnis hin und wieder und oft auf nicht eindeutige Weise durchscheinen lassen, Politiker, die ihre frauenlose Politik mehr und mehr als leblos, steril und verstümmelt empfinden. Es ist notwendig, dass dieses männliche Bedürfnis an den Tag und vollständig zum Ausdruck kommen kann, dass die Männer aufhören, sich gegen dieses Bedürfnis zu wehren. Eine Männlichkeit, die sich so sehr dagegen wehren muss, dass sie die Frauen braucht, führt unvermeidlich zu absurden und realitätsfernen Ergebnissen, während im urbanen Geschehen, wo es zu realen menschlichen Begegnungen kommt, Lebendigkeit herrscht und Veränderungen stattfinden. Luisa sagt, es sei notwendig, dass “die männliche Psyche aufbreche” und jenes Bedürfnis durchscheinen lasse, doch das könne nur geschehen, wenn die Männer die Frauen nicht als bedrohlich erlebten, wenn sie mit ihrer Zustimmung rechnen könnten. Lia sagt es auf andere Weise: Etwas Traumatisches müsse geschehen, “damit etwas aufbrechen kann, wodurch jemand dahin kommt zu sagen: Was die Frauen tun, ist Politik, es gehört zur Politik. Dafür müsse es ein Zeichen geben: Für den Austausch zwischen Frauen und Männern müssten politische Worte gefunden werden.”
Die Spannung zwischen der Politik der Repräsentation, die von kleinem Umfang, jedoch in den Medien überrepräsentiert ist, und der ganzen unterrepräsentierten Enormität der übrigen Welt, die davon ausgeschlossen ist, einer Welt von Frauen, aber auch von Männern, die sich in dieser Politik nicht mehr wiederfinden, ist inzwischen zu einem untragbaren Zustand geworden. Dass hier etwas aufbricht, kann durch etwas Zufälliges ausgelöst werden, durch irgendetwas Unvorhergesehenes, das etwas Neues geschehen lässt. Luisa sagt, dieses Neue könne aus der Begegnung zwischen männlicher und weiblicher Subjektivität kommen, durch die Einstellung des Geschlechterkampfs, wie sie sich historisch zu Beginn einiger großer Revolutionen ereignet hat. Einer Waffenruhe, wie sie der Dialog zwischen Jesus und der Samaritanerin zu Beginn des Christentums schön zeigt. Etwas Ähnliches gab es auch zu Beginn der französischen und wahrscheinlich auch der russischen Revolution. In Bezug auf sich selbst meint Luisa, wozu sie sich in der Lage fühle, sei die Fortsetzung der Arbeit über die weibliche Erfahrung, sie darzustellen und über sie zu sprechen, damit immer mehr Frauen und Männern ihr Wert und ihr Politischsein bewusst werde. Das möchte auch ich bewirken: die Erfahrung der Frauen aus ihrem scheinbaren Unpolitischsein befreien, über diese Erfahrung so sprechen, dass sie als unmittelbare Politik wahrgenommen werden kann. Damit wende ich mich an Frauen und an Männer, damit sie erkennen, dass es notwendig ist, einander zuzuhören, und auch an mich selbst.
Marina Terragni hat sich dafür entschieden, das Wort ins Zentrum ihrer beruflichen Arbeit zu stellen: Als Journalistin bringt sie Menschen zum Sprechen, hört zu, arbeitet aus und vermittelt. Oft bildete sie eine Brücke zwischen dem politischen Denken der Frauen und Brückenköpfen wie “Il foglio” und “Io donna” (Beilage der Zeitung “Corrriere della sera”), wo sie die Rubrik “maschilefemminile” (männlichweiblich) betreut. Ihre Zusammenarbeit mit der Zeitschrift “Via Dogana” ist uns kostbar wegen ihrer Artikel und Interviews (mit Lia Cigarini in Nr. 68 und mit Luisa Muraro in Nr. 71). Darüber hinaus auch deshalb, weil sie uns ermahnt, die “Alltagssprache” zu verwenden, und ebenso wegen ihrer Mitarbeit zu Themen wie “die Schönheit” (siehe Via Dogana Nr. 72).
Übersetzt von Dorothee Markert.
Quelle: Via Dogana Nr. 77, August 2006, S. 3-5.