Forum für Philosophie und Politik
Von Dorothee Markert
Im neuen Diotima-Buch fand ich wichtige Gedanken, die ich auf bzw-weiterdenken als neue Serie zur Verfügung und zur Diskussion stellen möchte. In der zusammenfassenden Übersetzung gehe ich natürlich schwerpunktmäßig auf das ein, was mir neu und spannend erscheint, anderes erwähne ich nur kurz. Es könnte sein, dass LeserInnen aber gerade das nur kurz Erwähnte ausführlicher gebraucht hätten und dass durch das Zusammenfassen manches auch nicht mehr verständlich herüberkommt. Deshalb bitte ich, in den Kommentaren ruhig auch Fragen dazu zu stellen, dann kann ich manches nachträglich noch breiter ausführen.
Einleitung von Chiara Zamboni
Für Chiara Zamboni ist der Titel des Buches “Das Fest ist hier” wie das Einladungsplakat zu einem Fest, bei dem die Diotima-Frauen die Freude an ihren Entdeckungen und Erfindungen teilen wollen. Auch andere sind in den letzten Jahren aus der Isolation der Passivität herausgetreten und haben Bewegungen initiiert, in denen nicht zufällig viele Frauen aktiv sind: Der arabische Frühling, Occupy Wall Street, der 15. Mai in Spanien, Studentenbewegungen an den Universitäten. Von einigen dieser Bewegungen, die in mancher Hinsicht einen Fest-Charakter hatten, wird in diesem Buch erzählt. Gleichzeitig geht es auch um die Wut, die dazu geführt hat, endlich „nein“ zu sagen. Und um Bestrebungen, solche Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht zu vermeiden, die als Vorwand dienen könnten, dass diese sich verhärtet und Angst und Schrecken verbreitet.
In den Texten dieses Buches wird ein gemeinsames Bemühen deutlich, nach neuen Wegen zu suchen, um auszuweichen, den Ort zu wechseln und so die Logik der Macht zu untergraben. Es geht darum, nicht in Fallen zu tappen und sich auch nicht in die Erhaltung toter Dinge verwickeln zu lassen. Denn es ist ja offensichtlich, dass die alten politischen und wirtschaftlichen Institutionen sich selbst überlebt und ihre symbolische Kraft verloren haben, weshalb versucht wird, durch immer neue und immer einengendere Regelungen gegenzusteuern, die aber die Probleme nicht lösen und nur Leid für die Menschen bedeuten, die ihnen unterworfen sind.
Die Einladung der Diotima-Frauen zu ihrem Fest erscheint zu einem Zeitpunkt, an dem viele Menschen unter dem Verlust von Möglichkeiten und unter materieller Verarmung leiden. Die Autorinnen meinen jedoch, dass bei einem Fest das im Mittelpunkt steht, was als gut erlebt wird und was man genießen kann, auch wenn es vieles gibt, was einem fehlt. „Es (das Fest) ruft nicht nur dazu auf, das zu teilen, was jede und jeder an Bestem in sich hat, sondern sorgt dafür, dass dieses zur Verfügung gestellte Gute im Austausch wächst. Das ist es, was die Freude hervorbringt. Und diese breitet sich vorher durch die Erwartung aus und hinterher durch die Erinnerung, wodurch sie sich mit der Praxis des täglichen Lebens vermischt“ (S. 2).
Dieser Satz von Chiara Zamboni bringt sehr gut auf den Punkt, was viele TeilnehmerInnen der Denkumenta im Sommer 2013 erlebt haben. Es war ein Fest, bei dem sehr viele ihr Bestes eingebracht haben. Und dieses „Beste“ wurde trotz der großen Unterschiedlichkeit der Teilnehmenden wohlwollend aufgenommen und wertgeschätzt, wodurch wir einen Vorgeschmack davon bekamen, wie fruchtbar selbstverständlich gelebte und wertgeschätzte Differenz sein kann. Spürbar war die Vorfreude und spürbar war auch, wie sich die Freude an diesem Fest hinterher in unterschiedlichen Kontexten weiter ausgebreitet hat.
Das Buch Das Fest ist hier ist aus der Praxis der Philosophinnengemeinschaft Diotima entstanden, jedes Jahr im Herbst an der Universität von Verona eine Vortragsreihe mit Diskussion anzubieten, das sogenannte „Große Seminar“. Bei der Vorbereitung bildete sich das Thema des Buches heraus und wurde in mehreren Treffen weitererforscht. Das Buch ist also mehr als eine Ansammlung von Texten unterschiedlicher Autorinnen, auch wenn jeweils Einzelne ihren persönlichen Denkfaden darin weitergesponnen haben, denn die vorherigen Reflexionen und auch die Diskussionen im Seminar gingen in die Texte ein.
Einige der Autorinnen konzentrierten sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln auf die Frage, was ein Fest eigentlich ist, und brachten ihre Ergebnisse ins Gespräch mit drängenden Problemen unserer Epoche. Dabei half ihnen ihre Aufmerksamkeit für die weibliche Differenz, „die Möglichkeiten wahrzunehmen, in denen die Präsenz sich gestaltet: die Beziehungen als grundlegender Maßstab im Leben; die weibliche Freiheit als unvorhergesehenes und unvorhersehbares Element, das die menschliche Geschichte prägt; das Aufgerufensein – besonders in dieser Zeit – sich zu zeigen, sich anderen auszusetzen, von sich, dem eigenen Weg und den Gründen zu sprechen, warum er eingeschlagen wurde, und darüber, wie er sich mit den Wegen anderer verbindet“ (S. 2). Ein festliches Klima entsteht, wenn wir diese Elemente in ihrer Lebendigkeit wahrnehmen, gerade auch im Kontrast zum gleichzeitig vorhandenen Mangel und Niedergang.
Diotima, La festa è qui, Napoli 2012, 175 S., € 16,99
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Ich glaube, die Wahrnehmung bzw. das Wissen von der Existenz dieser Unverfügbarkeit ist die notwendige Vorrausetzung für ein wirkliches Gelingen.
Dass die Denkumenta ein richtiges Fest gewesen sein muss in dem Sinne, wie Chiara Zamboni es beschreibt, das spüren sogar die, die nicht dabei sein konnten. Ich zum Beispiel war vorher, als ich die Planungen verfolgte, schon traurig, dass ich wegen einer Terminüberschneidung nicht dabei sein konnte – und aus den ganzen Berichten hinterher, habe ich gespürt, dass es wirklich ein besonderes Fest war. Diese Art Feste kann man nicht aus dem Boden stampfen und beliebig wiederholen, aber es lohnt es sich, sie immer wieder ganz bewusst zu planen und feiern zu wollen – auch oder gerade weil ein Rest von Unverfügbarkeit über dem Gelingen steht.