Forum für Philosophie und Politik
Von Antje Schrupp
„Die Aufbruchstimmung, der Wille, Veränderung zu wollen … gaben mir eine Kraft, die ich später nie wieder so gespürt habe wie am Anfang der Frauenbewegung. Alles schien mir möglich“, erinnert sich die Verlegerin Ingrid Lessing in ihrem Beitrag zu diesem Band.
Elf Frauen, die in den 1970er Jahren in der Frauen-Aktion-Dortmund aktiv waren (darunter auch die bzw-Autorin Barbara Linnenbrügger), erinnern sich in sehr persönlichen Texten an diese Zeit. Sie erzählen, wie sie zur Frauenbewegung kamen, was sie motiviert hat, wie sie diese Zeit erlebt haben.
Spannend ist dabei, wie diese Erinnerungen biografisch verknüpft werden. Sie erscheinen einerseits als Konsequenz der eigenen Herkunft, der Kindheits- und Jugenderfahrungen. Gleichzeitig sind sie aber auch eingebettet in den späteren Lebenslauf der Frauen. Und der hat je nachdem sehr unterschiedliche Wendungen genommen, manche gingen in die Politik, in die Bildungsarbeit, in die Institutionen, andere entwickelten sich freiberuflich weiter oder verfolgten spirituelle Wege.
Die Texte sind sehr subjektiv und entsprechend stilistisch individuell, sie wurden nicht durch übermäßiges Lektorat geglättet. Das macht zwar das Lesen zuweilen etwas mühsam, vor allem für eine Außenstehende, die die Kontexte, von denen die Rede ist, nicht kennt. Andererseits bekommt so die etwas jüngere Leserin, die „damals“ noch nicht dabei war, einen guten Einblick, weniger von den harten Informationen und Fakten als von der damaligen Atmosphäre und Stimmung.
Und da ist aus heutiger Sicht vor allem der große Optimismus, das neu gefundene Selbstbewusstsein und die positiv-fröhliche Grundeinstellung auffällig. Trotz harter Anfeindungen von außen und innerer Konflikte und teilweise auch Streitereien – die in den Schilderungen zum Glück nicht ausgespart , sondern offen zum Thema gemacht werden – war diese Zeit eine der Stärke und des Aufbruchs. Dass Frauen, die sich für die weibliche Freiheit engagieren „alles möglich scheint“, ist wahrscheinlich einer der Grundfesten, auf denen die Frauenbewegung ruht.
Ebenfalls spannend sind die abgedruckten Quellentexte und Dokumente, Flugblätter und Grundsatzerklärungen. Ein schönes Stück Zeitgeschichte, das bei vielen älteren Feministinnen Erinnerungen wachrufen wird und den Jüngeren einen authentischeren Zugang zu jener für die Geschichte der Frauen so wichtigen Zeit bietet, als es objektiv-distanzierte Darstellungen der Zweiten Frauenbewegung leisten können.
Und im Übrigen stimme ich Barbara Linnenbrügger zu, die mir das Buch gab mit dem Hinweis, dass der Titel ihrer Ansicht nach eigentlich lauten müsste: „Wir haben die Welt verändert“. So ist es nämlich.
Wir wollten die Welt verändern. Dortmunder Feministinnen erinnern sich. Ingrid Lessing Verlag, Dortmund 2011, 220 Seiten, 12 Euro (bestellen über www.lessing-verlag.de)